Rhein-Pfalz-Kreis 168 Gießkannenlöcher und andere Geschichten zu Sommerlochzeiten

Kein Loch, kein Wasser. Aber ist jede Gießkannentülle gleich?
Kein Loch, kein Wasser. Aber ist jede Gießkannentülle gleich?

Ein Loch mit lauter Löchern stopfen? Klingt komisch, geht aber. Vor einigen Jahren haben wir uns im Sommer loch und löcher mit Geschichten bewaffnet, um dem Sommerloch den Mund zu stopfen. Bei der Recherche nach etwas ganz anderem sind wir im Archiv auf das Loch im Kochlöffel gestoßen und haben uns an die Sommerserie erinnert. Was wir damals alles gelernt haben! Hier ein Best-of, für alle die noch mal mit staunen wollen.

Der streitfreudigste Gemeinderat hat ausdiskutiert, der Kreistag macht Sommerpause, die Schulen haben sich in die großen Ferien verabschiedet, Vereine ihr Heim geschlossen und was die Polizeiberichte anbelangt – selbst Außenspiegel werden kaum abgefahren. Es passiert jedes Jahr: Das Sommerloch droht, uns mit seinem Riesenschlund zu verschlucken. Vor einigen Jahren haben wir versucht, das Sommerloch quasi mit den eigenen Waffen zu schlagen und haben es mit Löchern bombardiert.

Huch, da sind Löcher in den Zeitungsseiten

Und manchmal liegen diese Löcher näher als man glaubt. In der eigenen Zeitung nämlich, auf den Seiten in der RHEINPFALZ, auf denen auch dieser Text erscheint. Schauen Sie ruhig mal nach. Ja, noch etwas weiter unten. Denn da sind sie, die kleinen Löcher. In etwas unterschiedlichen Abständen, auf einer Linie verteilt am unteren Rand. Doch wozu? Ganz einfach gesagt: Dort hält die Maschine das Papier fest, wenn die langen bedruckten Papierbahnen in einzelne Zeitungen geschnitten werden. Das passiert im Falzapparat der Rotation, wie uns die Kollegen im Druckzentrum in Oggersheim erklärt haben. Dahinein läuft die bereits bedruckte und noch endlos lange Papierbahn. Sie kommt zwischen zwei sich schnell drehende Zylinder. Und dort sind sie schon, die kleinen Pikser. Punkturnadeln heißen sie. Diese halten das Papier fest, das hier mit einem Messer in die bekannten Zeitungsbögen geschnitten wird, die am Ende als sauber gefaltete Zeitung auch in den Briefkästen im Landkreis landen.

Schwindelerregend schnell: Hier wird im Oggersheimer Druckzentrum die RHEINPFALZ gedruckt.
Schwindelerregend schnell: Hier wird im Oggersheimer Druckzentrum die RHEINPFALZ gedruckt.

Schlupflöcher durch Raum und Zeit – und den Apfel

Manchmal ist aber auch der Wurm drin, und bei der Recherche stößt man auf seltsame Ergebnisse. „Wurmlöcher sind bisher rein theoretische Gebilde, deren Existenz sich aus der allgemeinen Relativitätstheorie ergeben“, heißt es etwa in einem Eintrag im Internet, auf den wir bei der Sommerlochrecherche stießen und den es immer noch gibt. Von Albert Einstein ist da die Rede. Und Schlupflöchern durch Raum und Zeit. Zeitreisen. „Mit einem Wurmloch meinen Forscher eine Art Gebilde, mit dem man schnell durch das Universum oder durch die Zeit schlüpfen kann. So wie ein Wurm, der sich durch einen Apfel gräbt, anstatt außen herumzukriechen.“ Aha. In diesem von Google ausgespuckten Artikel fällt wenigstens schon mal das richtige Stichwort: Apfel. Darin vermuten bodenständige Landredakteure nämlich das Wurmloch – und nicht etwa in den unendlichen Weiten des Weltraums.

Dass Würmer Äpfel löchern und somit Landwirten Probleme bereiten, ist allerdings nur noch relativ selten der Fall. Und diese Relativitätstheorie haben wir nicht von Albert Einstein. Die haben wir von Michael Engel. Ganz exklusiv. „Gegen den Apfelwickler können wir unser Obst heutzutage ganz gut schützen“, sagte uns der Landwirt vom Obsthof Engel in Böhl-Iggelheim auf unsere Nachfrage. Der Apfelwickler ist ein Schmetterling und war zumindest einmal einer der bedeutendsten Obstschädlinge in Europa. „Heute sind Pilzkrankheiten schlimmer“, sagte Michael Engel. Was nicht heißt, dass der Apfelwickler nicht doch noch da und dort auftaucht. Und auch Michael Engel muss zur Apfelernte den einen oder anderen Apfel aussortieren.

Manche Löcher wurmen einen. Schaden um den Apfel
Manche Löcher wurmen einen. Schaden um den Apfel

Wovor Bösewichte in Schauernheim sich fürchteten

Wir lernen an dieser Stelle bereits, es gibt gewollte und ungewollte Löcher. Zumindest aus menschlicher Sicht. Zu den eher ungewollten Löchern gehört sicher das in Schauernheim. Unbeliebt ist vielleicht das bessere Adjektiv. Unbeliebt aus Perspektive von Ganoven und Bösewichten. Die älteren unter unseren Leser kennen vielleicht noch den Spruch: „Wenn du net brav bischt, werscht im Gascho oigelocht.“ Jüngere lässt er wahrscheinlich ratlos zurück. Dabei gibt es im Rhein-Pfalz-Kreis, eben in Schauernheim, tatsächlich noch ein „Gascho“, was natürlich richtig Cachot heißt und das französische Wort für „Kerker“ ist. Ins Loch kommt da aber niemand mehr. Hoffentlich.

Besagtes Cachot steht schmuck und schön hergerichtet in Schauernheim im Dorfzentrum, wo Ober-, Unter- und Hintergasse zusammentreffen. Das alte Wachhäuschen, an dem ein Schild auf die frühere Nutzung als kleine Haftanstalt hinweist, als „Loch“ zu bezeichnen, ist da eigentlich fast despektierlich. Und doch wurden hier einst Menschen eingelocht. Nur wer, wie viele und warum – das ist nicht mehr nachzuvollziehen. Haltbares findet sich in den Archiven jedenfalls nicht. Laut Denkmaltopografie ist das Alte Wachhaus in den 1820er- oder 1830er-Jahren erbaut worden. Wie lange es als Cachot diente, steht auch dort nicht. Jedoch heben die Denkmalpfleger hervor, dass das kleine Gebäude einer der letzten Bauten seiner Art im Landkreis ist. Und das mit einer sehr wechselhaften Geschichte. Denn, daran erinnern sich noch viele Schauernheimer, das Gebäude war einst Spritzenhaus der Feuerwehr. Außerdem diente es zwischendurch als Dorfwaage. Später waren hier ein Schreibwarengeschäft, eine Poststelle, ein Reisebüro ... dann ein Übungsraum der Musikschule und der Band Oldies.

Das Wachäusel in Schauernheim in der Untergasse .
Das Wachäusel in Schauernheim in der Untergasse .

Der Inbegriff der Gießkanne und französische Modelle

Kein Loch, kein Wasser. Und deshalb kommt man ohne Gießkanne eigentlich nicht durch den Sommer. Ein paar Pflanzen hat doch schließlich fast jeder – und wenn es auch nur ein Basilikumtöpfchen oder eine Schale mit Geranien auf dem Balkon ist. Gießen hat etwas Meditatives. Wenn das Wasser im leichten Bogen leise auf Blätter und Blüten regnet. Regnet. Und regnet. Bis die Kanne leer ist. Oder plötzlich die alarmierende Frage auftaucht: Ist eine Gießkanne eigentlich genormt? Farbe, Form, Tülle, Brausemund. Alles gleich? Bei jeder Kanne? Ein Blick über den Gartenzaun reicht, um zu erkennen: Eine Gießkanne muss nicht grün sein. Obwohl der Kollege aus Limburgerhof sagt, grün sei DIE Gießkannenfarbe. Bei der Kollegin aus Rödersheim-Gronau ist sie das ebenfalls. Die Freundin nutzt ein gelbes Modell. Der Nachbar ein blaues. Aus Plastik. Eine Kanne kann aber auch aus Kupfer oder Zink sein.

Die bekannteste Metall-Kanne ist wohl die Gießkanne der Stuttgarter Firma Schneider, unter Kannen-Kennern auch einfach Schneiderkanne genannt. Sie gilt unter Gartenfans als Inbegriff einer Gießkanne. 1876 wurden die ersten Modelle gefertigt – 1989 wurde die Produktion eingestellt, zu groß war inzwischen die Konkurrenz der sehr viel billigeren Plastikkannen in grün, blau und gelb. Wer sich zu Recherchezwecken in die Welt der Gießkannen begibt, verliert sich jedoch nicht nur in Farben, sondern auch in Formen. Den meisten Kannen lassen sich zwei Grundformen zuordnen: Modelle mit der englischen Form haben einen runden Korpus und Querbügel, die französische Form fällt durch die ovalen Kannenkonturen und den durchgehenden Längsbügel auf. Die klassische Friedhofsgießkanne ist quasi eine Französin. Die des Nachbarn auch. Eine blaue Französin. Obendrein gibt es Spezialformen wie Rosen-, Gewächshaus- oder Hängebrettkannen. Sie unterscheiden sich in der Länge der Tülle, so nennen Experten das Ausgussrohr, und der Beschaffenheit der Brause. Es gibt zum Beispiel Löffelbrausen mit einem haarfeinen Sieb für haarfeine Tröpfchen.

Loch und Löcher – wir sind beim Thema. Denn ohne Loch kein Gießkannenregen. Und ohne Gießkannenregen keine bunten Blumen, grünen Kräuter und meditativen Sommermomente. Dabei ist Loch nicht gleich Loch. Überdies haben im Loch- und Löcher-Sommer 2019 großangelegte Gießkannen-Recherchen ergeben, dass Gießkannenbrausen unterschiedlich viele Löcher besitzen können. Wir hatten selbst gezählt. 168 Löcher hat die blaue des Nachbarn. 198 Löcher die gelbe der Freundin. Die Gießkannen auf dem Friedhof haben nur eins. Ein großes. Ihnen fehlt die Zott oder Schnulle, wie die Brausenköpfe auch noch genannt werden. Vielleicht, weil sie immer abhanden kamen? Allerdings ist hinter so manchem Grabstein ein löchriger Gießkannen-Aufsatz versteckt. Damit beim Gießen das Wasser nicht so hart auf die Blumen platscht.

Loch und Löcher spielen auch dahingehend eine Rolle, was wie stark und zu welchem Zweck gegossen werden soll. Wer etwa den Boden gut durchfeuchten will, sollte darauf achten, dass die Brause eher groblöchrig ist. Samen und kleine Keimlinge goutieren dagegen eine sanfte Berieselung – ein harter Strahl könnte sie schließlich gnadenlos aus dem Beet schwemmen. Ach so, noch etwas zur Technik: Die Brause sollte immer mit der gelöcherten Seite nach oben auf die Kanne gesteckt werden. Dann kommt das Gießwasser im Bogen heraus, der Boden vermatscht weniger – und: Der Meditationseffekt ist besser. Aber das ist mehr so eine Nebenwirkung. In Gartenforen und Gärtnerhandbüchern wird der Wellness-Charakter des Gießens jedenfalls noch nicht thematisiert.

Beim Knoddelclub wird nicht nur das Sommerloch gestopft

Um noch mal auf die Sache mit den ungewollten Löchern zurückzukommen – auf unbeliebte, gar lästige Löcher: Dazu gehört auf jeden Fall das Loch im Socken. Um dem Problem entgegenzutreten, und um nicht nur das Sommerloch zu stopfen, haben wir in einem Sommer den Schifferstadter Knoddelclub besucht. Ob allerdings das Sockenstopfen nach dem Crashkurs bei den netten Damen in den Kanon der regelmäßig zu vollziehenden Hausarbeiten aufgenommen wurde, wird hier nicht verraten. Nur so viel: Es fehlt ja immer ein wenig an Zeit. Und Geduld. Ach so. Tja, mit Geschick, zumindest handarbeitlichem, sieht es ebenfalls mau aus. Aber faszinierend ist es doch, wie mit einem Faden und ein paar Stichen ein Loch im Socken plötzlich verschwindet.

Doris Mößner zeigt mit weißem Faden auf schwarzem Socken wie das Stopfen funktioniert.
Doris Mößner zeigt mit weißem Faden auf schwarzem Socken wie das Stopfen funktioniert.

Wir spulen sieben Sommer zurück und suchen Doris Mößners Stopfei. Sie ist unter den Knoddelclubdamen die erkorene Stopf-Trainerin. Das Ei braucht man für die Rundungen – damit man nicht zu „platt“ näht. Die Löcher bohren sich ja meist in die Ferse oder in die Spitze der Socken. Und dahinein schiebt man das Ei. Wenn man es denn hat. Doris Mößner hat ein Ei. Eigentlich. Aber das macht wohl gerade einen auf Ostern und ist nicht aufzufinden. Knoddelclub-Chefin Hildegard Weißenmayer kann zum Glück einspringen. Ihr Stopfei liegt immer brav im Nähkasten. Allerdings ein bisschen vernachlässigt. „So oft benutzt man es ja nicht mehr“, sagt die Schifferstadterin. Wie jetzt? Stopfen ist sogar bei Knoddelclubmitgliedern out? Auch Doris Mößner gibt zu, nur noch selten Löcher in Socken zu flicken. Als sie dann lossticht, sieht das aber immer noch sehr professionell aus. „Gelernt ist halt gelernt“, sagt sie und grinst. Zick, zack geht der Faden hin und her. Und schneller als man gucken kann, ist das Loch im Socken verschwunden.

Moment mal. So geht das nicht. Wir brauchen ein neues Loch und dann bitte noch mal von vorne und gaaaanz langsam. Zum Mitschreiben und Mitdenken. „Also, das ist eine Stopfnadel. Eine Stopfnadel hat eine abgerundete Spitze und hinten ein größeres Öhr, damit auch das etwas dickere Stopfgarn durchpasst“, erklärt Doris Mößner jetzt im Sendung-mit-der-Maus-Tonfall. Damit noch deutlicher wird, was sie gleich macht, hat sie eine prima Idee. Sie nimmt weißes Garn, um ein Loch im schwarzen Socken zu stopfen. Dann zieht sie den Socken über das Stopfei. „Und jetzt ziehe ich den Faden ein, etwas entfernt von der Stelle, an der ich anfangen möchte. Damit das Fadenende nicht zu sehen ist, wird es unter dem Gewebe entlang geführt und später vernäht.“ Anschließend zieht die Stopf-Trainerin Längsfäden, die sogenannten Kettfäden. Wie viele das werden, hängt von der Größe des Lochs ab. Ist das erledigt, wird quergeschossen: Doris Mößner führt die Nadel abwechselnd unter und über die Längsfäden. Auf dem Rückweg dreht sie die Reihenfolge um. „Das ist nichts anderes als weben“, sagt sie. Daher nennt man die Querverbindungen auch Schussfäden. Sie geben dem Gewebe Füllung und Griff. Und sie schließen letztlich das Loch. Mission erfüllt. Film Ende. Wir reisen zurück in die Zukunft und lassen den Selbstversuch aus. Das nächste Loch bitte!

Das Loch im Löffel aus früheren Zeiten

Es sind oft diese hölzernen Rührlöffel, in denen das Loch klafft. Das Loch. Von dem eigentlich keiner weiß, warum es da ist, wo es ist. Eigentlich. Denn es gibt ja Gudrun Hauck-Reiss, Löffel-Loch-Expertin aus Rödersheim-Gronau. Natürlich ist Gudrun Hauck-Reiss nicht wirklich geprüfte Löffel-Loch-Expertin oder so was. Aber sie kennt sich als ehemalige hauswirtschaftliche Betriebsleiterin mit Küchen und allem, was darin hängt und steht, sehr gut aus. Die Rödersheim-Gronauerin hat schon oft hauswirtschaftlichen Unterricht gegeben und Kochkurse geleitet. Und das, bevor Köchinnen den Löffel (mit oder ohne Loch) abgaben und Vollkochautomaten das Zepter in der Küche übernahmen. Kurzum: Gudrun Hauck-Reiss kann noch etwas mit analogen Küchenhilfen anfangen, und damit wurde sie im Sommer 2018 eben doch zur Löffel-Loch-Expertin für uns. „Ja, wer weiß das schon noch“, sagte sie und lachte herzlich, als sie die Frage hörte. „Also, warum das Loch im Löffel ist, kann ich Ihnen sagen. Es stammt noch aus ganz frühen Zeiten. Man hat die Rührlöffel mit Loch dazu benutzt, um Eischnee oder geschlagene Sahne unterzuheben“, erklärt die Rödersheim-Gronauerin, die im Übrigen eine engagierte Landfrau ist. „Eischnee und Sahne sind empfindliche Massen, mit denen behutsam umgegangen werden muss.“

Küchenutensilien, die sich bewährt haben. Dazu gehört unbedingt der Löffel mit Loch.
Küchenutensilien, die sich bewährt haben. Dazu gehört unbedingt der Löffel mit Loch.

Eischnee wird zum Beispiel gebraucht, wenn ein Kuchen besonders locker werden soll. Für Soufflés ist das geschlagene Eiweiß gar unverzichtbar. In Kochbüchern stehen für diese fluffigen Aufläufe, die gar nicht so einfach zu machen sind, dann solche Profi-Tipps: „Beim klassischen Soufflé muss die Luft des Eischnees mit wenig Verlusten in die Masse übergehen. Dazu wird zunächst ein Drittel des Schnees eingerührt, um die Grundsubstanz geschmeidiger zu machen, der Rest wird mit wenigen Zügen locker untergehoben – am besten geht das mit einem Kochlöffel mit einem Loch darin.“

Gudrun Hauck-Reiss hat noch Löffel mit Loch. „Ich finde die einfach super. Die meisten sind aus Holz und unverwüstlich.“ Wer bei sich zu Hause mal in der Küchenschublade stöbert, findet sicher auch ein Exemplar. „Fast jeder hat einen Loch-Löffel“, meinte die Küchenexpertin. Und wie im Sommer 2018 beginnt das Kruschteln in Schubladen und Küchenschränken vielleicht wieder von vorne – der Kochlöffel mit Loch wird aus seinen Verstecken geholt und erlebt eine Renaissance. Wie rührend.

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