Rhein-Pfalz Kreis Bittere Einsicht, süße Schokolade

Unbequeme Themen und Belohnung des Publikums mit Schokolade fürs Mitmachen: Anny Hartmann in der VfB-Halle.
Unbequeme Themen und Belohnung des Publikums mit Schokolade fürs Mitmachen: Anny Hartmann in der VfB-Halle.

«Böhl-Iggelheim». „Brave Mädchen kommen in den Himmel. Böse Mädchen überall hin – sogar bis nach Böhl-Iggelheim.“ So hat der Kulturverein DorfArt die Kabarettistin Anny Hartmann auf der Bühne der Vereinshalle des VfB Iggelheim begrüßt. Am Samstag ließ sie mit ihrem Programm „Schwamm drüber“ das vergangene Jahr in Politik und Weltgeschehen Revue passieren und machte auch vor unangenehmen Themen keinen Halt.

Das neue Jahr hat gerade erst begonnen. Zeit also, sich noch einmal mit den politischen Skandalen, Fehlern und Affären des Jahres 2018 auseinanderzusetzen. Kabarettistin und Comedian Anny Hartmann führt durch diesen Informationsdschungel. Schließlich weiß die 49-Jährige Diplom-Volkswirtin, wovon sie spricht. Im vergangenen Jahr gewann sie für ihr Programm den Thüringer Kleinkunstpreis. Bereits vor fünf Jahren hat die Frau mit den feuerroten Haaren und dem flotten Mundwerk das Publikum in Böhl-Iggelheim begeistert. „Wir sind deshalb nicht überrascht, dass sich im Vorfeld über 120 Leute für die Veranstaltung angemeldet haben“, meint Günter Handwerker, der Vorsitzende des Kulturvereins DorfArt. Neben einem „Was bisher geschah“-Rap, mit dem sie das politische Jahr 2018 zusammenfasst, begeistert Hartmann auch mit einem Zitat-Rätsel und „bösen Quickies“, in denen sie den verantwortlichen Politikern klipp und klar die Meinung sagt. Zum VW-Abgas-Skandal und den damit verbunden Tests an Affen gibt es deshalb den Quickie: „Das waren Tests an Affen, von Affen, für Affen, liebe VW!“ Wer dann besonders pfiffige Kommentare in den Raum ruft oder die Zitate (meist von FDP-Politiker Christian Lindner) errät, bekommt von der Kabarettistin ein Stück Schokolade zugeworfen. „So geht Belohnung im Kapitalismus“, ruft sie dabei ins Publikum. Und auch Themen wie die Flüchtlingsdebatte und Abschiebung finden bei Hartmann ihren Weg auf die Bühne. Bei ihrem Appell zu mehr Nächstenliebe, Moral und „Fremdenfreundlichkeit“ herrscht dann auch mal betretene Stille im Publikum. In der Pause liegen im hinteren Teil der Halle Postkarten mit Anny Hartmanns Logo, ein Briefkasten und natürlich Kugelschreiber bereit. Die Zuschauer können hier Postkarten schreiben und sie sogar abschicken. „Die Briefmarken gehen auf mich“, meint die Kabarettistin. Schließlich gebe es doch nichts Schöneres, als neben all den Rechnungen und Prospekten mal wieder eine Postkarte in seinem Briefkasten zu finden. „Und wenn es dann auch noch Werbung von mir und meinem Programm ist – haben wir alle was davon“, lacht die quirlige Rothaarige. Dieses Angebot wird dankend angenommen. Das Ehepaar Kissel schreibt begeistert drauf los. „Wir gehen normalerweise immer mit Freunden ins Kabarett. Diesmal schicken wir ihnen eben einen Gruß von hier“, erzählt Nicole Kissel. „So eine klasse Idee – das haben selbst wir noch nirgendwo gesehen“, meint auch ihr Mann Mike begeistert. Und auch Vereinsvorsitzender Günter Handwerker schreibt fleißig. „Anny hat mich nachdenklich gemacht. Ich finde, man sollte das Grundgesetz umformulieren. An wen ich diese Vorschläge schicken soll, weiß ich allerdings noch nicht“, sagt er mit breitem Grinsen. Nicht nur Handwerker hat das Programm nachdenklich gestimmt. Ein Ehepaar unterhält sich angeregt in der Pause mit seinen Begleitern: „Dieser Rückblick gefällt uns sehr gut. Es ist wirklich alles drin – auch das Unbequeme“. Ein gutes politisches Kabarett braucht eben auch brisante Themen.

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