Rhein-Pfalz Kreis Dichterische Seelenverwandte

Lyrischer Schlagabtausch: Kerstin Bachtler als Mascha Kaléko und Bodo Redner als Heinrich Heine.
Lyrischer Schlagabtausch: Kerstin Bachtler als Mascha Kaléko und Bodo Redner als Heinrich Heine.

«Limburgerhof.» Mit der Lyrette „Madame, ich liebe Sie!“ erklärten die SWR-Moderatorin Kerstin Bachtler und Schauspieler Bod Redner in der Gemeindebücherei in Limburgerhof in einer lyrische Beziehungskiste aus zwei Epochen die deutschen Dichtergrößen Heinrich Heine und Mascha Kaléko zu einem Liebespaar für einen Abend. Die Veranstaltung überzeugte mit Witz und Einfallsreichtum.

Wenn sich die beiden deutschen Dichtergrößen Mascha Kaléko und Heinrich Heine begegnet wären, hätten sie sich geliebt, ist sich die bekannte SWR Hörfunk- und Fernsehmoderatorin Kerstin Bachtler sicher. Im Konjunktiv spiegelt sich bereits die Unmöglichkeit dieser Wunschvorstellung, denn Kaléko und Heine sind keine Zeitgenossen – ja sie erblickten gar in zwei verschiedenen künstlerischen Schaffensepochen, die ein ganzes Jahrhundert trennte, das Licht der Welt. Für Bachtler und ihren langjährigen Bühnenpartner, Theaterregisseur und Schauspieler Bodo Redner, ist dieses winzige, aber entscheidende Detail jedoch kein Hinderungsgrund, die beiden „seelenverwandten“ Lyriker in einer ungewohnt frischen, humorvollen Lyrette aus dem Raum- und Zeitkontext ihrer Zeit sensibel herauszutrennen, um diese in einer surrealen Momentaufnahme auf der Bühne zusammenzubringen. Als wären sie ein Paar, das sich in schwelgerischen Liebesbezeugungen nacheinander verzehrt, miteinander streitet und wieder versöhnt. Bachtler und Redner schaffen es, dass sich Heine und Kaléko scheinbar tatsächlich begegnen, miteinander in Dialog treten – und das ausschließlich mit den Worten aus ihren Gedichten. Ihr lyrisches „Texttaxi“, wie sich ihr Bühnenprogramm nennt, verlässt die Normgrenzen der Gedichtrezitation und gesellt sich zu der Gattung Schauspiel. „Moment mal, das hatte ich doch gerade gelesen“, diese Gedanken kamen Bachtler während ihrer Studienzeit, als sie sich in Mascha Kalékos Werke einlas. Die studierte Literaturwissenschaftlerin erkannte Parallelen zu Heinrich Heine, der gleichsam bissig und witzig, aber auch nüchtern-melancholische Töne bei auffällig ähnlicher Themenwahl einschlägt wie die „Poetin des Alltags“ aus dem 20. Jahrhundert. Letzten Endes habe Kaléko selbst ein wenig bei der Idee nachgeholfen, denn sie hatte sich einst zum größten Fan von Heine erklärt, bemerkt Bachtler, die jedes Mal erfüllt ist, dass das lyrische Experiment der etwas anderen Art aufgeht. Und es geht in der Bücherei in Limburgerhof auf, wie die Beifalls- und Lobesbekundungen zum Abschluss offenbarten. Bachtler ist Kaléko für ganze 90 Minuten. Sie skizziert beim Rezitativ der Großstadtmärchen die ins New Yorker Exil gegangene Kaléko als mutig-selbstbewusste, bisweilen sarkastisch anklingende Frau des 20. Jahrhunderts. Bodo Redner ist Heinrich Heine auf Zeit. Mit Ausdruck in der Stimme mimt er einen teils frivolen, sich nach Liebe verzehrenden Heine, der sowohl elegische, aber auch humorvolle Momente durchblitzen lässt und sich dabei mitunter in luftigen Poesieschlössern verliert. Bachtler als Kaléko bringt diesen im lyrischen Gegenzug oft unsanft, aber angenehm nüchtern-reflektiert wieder zur Erde zurück. Es entwickelt sich ein lyrischer Liebesreigen, bei dem der puristische Darbietungs-Rahmen den Worten den Vortritt lässt. Die Worte verkünden von einer Liebe, die es einst hätte geben können und saugen das Publikum in eine perfid-genial konstruierte Scheinwelt, die dabei realer nicht sein könnte. Selbst die Loreley-Ballade fügt sich perfekt in den Kontext, als hätte sie Heine für Kaléko geschrieben. Bachtler und Redner verschmelzen mit ihren lyrischen Alter Egos, die einmal voneinander abgewandt und dann wieder von Angesicht zu Angesicht sich lyrisches Textwerk entgegenschleudern. Ein Kuss am Ende des ersten Teils ist handlungstechnisch gesehen der Höhepunkt, bevor die lyrischen Wettstreiter sich im zweiten Teil erneut entzweien, um sich im Happy-End wieder zu vereinen.

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