Rhein-Pfalz Kreis „Ein bisschen wie James Bond“

Seit dem Brexit-Votum im Juni 2016 sind im Kreis Bad Dürkheim 38, im Rhein-Pfalz-Kreis 36 Briten eingebürgert worden. Ein signifikanter Anstieg, denn in den zwei Jahren zuvor gab es in beiden Kreisen nur einen beziehungsweise zwei Fälle. Ende November 2018 habe das Amt für Migration und Integration etwa 60 Briten aus dem Landkreis angeschrieben, die die Voraussetzung zur Einbürgerung erfüllen, berichtet Sina Müller, Pressesprecherin im Dürkheimer Kreishaus. Daraufhin hätten bereits zwölf Menschen einen Antrag gestellt, der momentan bearbeitet werde. Im Rhein-Pfalz-Kreis gibt es nach Auskunft von Sprecherin Kornelia Barnewald aktuell 105 Briten und einen noch laufender Antrag auf Einbürgerung. Jessica Chochol von der VG Leiningerland berichtet: „In der Verbandsgemeinde leben derzeit 21 Doppelstaatler deutsch/britisch sowie 19 Briten.“ Vermehrte Zuzüge von Briten würden nicht registriert, jedoch seien von 2016 bis jetzt elf Einbürgerungen vorgenommen worden. Dabei werde die bisherige Staatsbürgerschaft als zweite neben der deutschen beibehalten. „Die Anzahl von Einbürgerungen britischer Staatsangehöriger, die im Gebiet leben, ist somit steigend.“ In der Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim wurden seit dem 1. Juni 2016 zwei britische Staatsbürger eingebürgert, damit liegt die Zahl der deutsch-britischen Doppelstaatler jetzt bei 28. Seit dem vergangenen Jahr hat der Musiker Ian Fullwood neben einem britischen auch einen deutschen Pass. Fullwood lebt mit Frau und zwei Kindern in Bad Dürkheim, er kam vor mehr als 20 Jahren nach Deutschland. „Am Flughafen komme ich mir jetzt ein bisschen wie James Bond vor mit den zwei Pässen“, scherzt der Saxofonist, der aus Nordengland stammt. Doch eigentlich ist ihm bei dem Thema nicht zum Lachen zu Mute. Im Fall eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union droht in Deutschland lebenden Briten der Verlust ihres Aufenthaltsstatus. Zwar könnten sie zumindest für eine dreimonatige Übergangsfrist im Land bleiben, verlören nach Angaben des Bundesinnenministeriums aber ihren Status als EU-Bürger. Innerhalb dieser Frist müssten Briten in diesem Fall einen neuen Aufenthaltstitel beantragen. Bis zu einer Entscheidung über den Antrag gelte ihr Aufenthalt in Deutschland sowie ihre Erwerbstätigkeit als erlaubt. Ob es dafür dann Einzelfallprüfungen gibt oder eine pauschale Regelung, ist noch unklar. Die Bundesregierung hat erklärt, sie werde britischen Staatsbürgern keine Hürden für den weiteren Verbleib in Deutschland in den Weg legen. Wäre am Dienstag der Brexit-Vertrag vom Unterhaus gebilligt worden, hätten Briten noch bis Ende der Übergangsfrist Ende 2020 ein Aufenthaltsrecht in der EU und Deutschland. Dieses Risiko wollte Fullwood jedoch nicht eingehen. Auch einige Freunde hätten einen deutschen Pass beantragt, berichtet er. Der Einbürgerungstest sei nicht einfach gewesen. Dass es überhaupt zum Brexit kommt, bedauert er und wünscht sich eine zweite Volksabstimmung. Mittlerweile seien vor allem die Jungen aufgewacht, glaubt er. Bis zuletzt habe er gehofft, dass sich alle Parteien noch einmal an einen Tisch setzen. „Alle europäischen Länder haben doch gute Ideen. Warum kann man nicht einfach nur die guten Sachen von jedem Land nehmen? Wie etwa Kreisel, die haben wir in Großbritannien ja auch aus Frankreich übernommen.“ Über die aktuelle Lage informiere er sich vor allem in der Zeitung „The Guardian“. „Aber ganz ehrlich: Ich habe aufgehört, diese Sachen zu lesen.“ Als unvernünftige Entscheidung und „vermeidbaren Schlamassel“ bezeichnet Norman Young aus Lambsheim das Referendum zum Austritt seines Heimatlands aus der Europäischen Union. Die Mehrheit seiner Landsleute habe auf „ideologisch verblendete Politiker“ wie Boris Johnson gehört. Der 75-Jährige versteht allerdings, wie es dazu kommen konnte. Denn Großbritannien habe in der EU nie konstruktiv mitgearbeitet, sei nur immer irgendwie dagegen gewesen. Die britische Murdoch-Presse habe Jahrzehnte lang „gebellt und geheult gegen Deutschland und Europa, das hat seine Spuren hinterlassen“. Hinzu komme, dass die EU zu schnell gewachsen sei und die Leute am Ende das Gefühl gehabt hätten, dass sie sich in jeden Teil ihres Lebens einmische. Sorge, nach dem Brexit nicht in Deutschland bleiben zu dürfen, hat der Rentner Norman Young nicht. Bei Berufstätigen, die Flexibilität, also Freizügigkeit bräuchten, sei das sicher etwas anderes. Young kam 1974 für das Unternehmen Procter & Gamble nach Deutschland und hat seitdem in recht vielen europäischen Orten gelebt, auch in Brüssel. Einen deutschen Pass will Young ebenso wenig, wie seine deutsche Frau den britischen wolle. „Die Frage hat sich mir nie gestellt, auch jetzt nicht“, sagt der Senior. Allerdings: Sollte es für ihn notwendig werden, als EU-Bürger zu gelten, könnte er die irische Staatsangehörigkeit annehmen. „Denn ich komme aus Nordirland“, erklärt er. „Mein Bruder hat das so gemacht, er hat jetzt zwei Pässe.“ Aber fürs Erste sei er trotz Brexits „zufrieden damit, ein Brite zu sein“. Dass durch den EU-Austritt Großbritanniens wieder eine sichtbare Grenze auf der irischen Insel entstehen könnte, ist die große Sorge von Eugen Mac Auliffe aus Dublin. Der 60-Jährige lebt mit seiner deutschen Frau Evelyn seit 26 Jahren in Erpolzheim. Der selbstständige Englischlehrer kennt zwei Kollegen, die kürzlich ihren britischen Pass in einen deutschen umgetauscht haben. Er selbst möchte aber Ire bleiben. Auch habe er keine Angst, dass seine Landleute es den Briten gleichtun könnten. „Die Iren sind gut in der EU verankert, da habe ich keine Bedenken. Die EU ist gut für Irland“, sagt Mac Auliffe. Für ihn ist der Nordirlandkonflikt noch sehr präsent. „Ich kann mich noch gut erinnern, als in den 70er-Jahren in Dublin eine Bombe der IRA explodiert ist, bei der viele Menschen ums Leben kamen“, erzählt der Erpolzheimer. Um so schöner sei die Erinnerung an das Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem der Konflikt zwischen irischen Katholiken und nordirischen Protestanten beendet werden konnte. Deshalb sei es für Irland eine erschreckende Vorstellung, dass zwischen beiden Teilen der Insel wieder eine richtige Grenzlinie entstehe. Die Grenzfrage war einer der strittigsten Punkte in den Brexit-Verhandlungen.

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