Rhein-Pfalz Kreis Engelsblume, Kolibri und Notenschlüssel

Viel nackte Haut ist in diesen Hochsommerwochen in Schwimmbädern und an Badeweihern zu sehen. Und auf so manchem Rücken, Arm oder Bein prangt eine Tätowierung. Die Motive sind meist nicht nur Körperschmuck, sondern auch Erinnerung oder Lebensmotto. Wir haben uns am Roxheimer Silbersee einige Tattoo-Geschichten erzählen lassen.

 Sich rankende Lilien zieren die rechte Körperseite von Jessica Knobloch (30) aus Kirchheimbolanden. Das Motiv hat sie aus einem bestimmten Grund gewählt: „Ich habe das Tattoo meinem Opa gewidmet, bei dem bin ich aufgewachsen, er hat Lilien gezüchtet.“ Lilien seien Engelsblumen, erläutert die junge Frau, deshalb werden sie bei ihr von einem Engel beschützt, der am rechten Rippenbogen schwebt. Die Fee am rechten Oberschenkel dagegen hat keinen bedeutsamen Hintergrund. „Die hat gut reingepasst“, sagt Knobloch. Zehn Stunden habe das Tätowieren in einem Studio im rheinhessischen Framersheim gedauert. „Der Schmerz war am Anfang groß, aber man gewöhnt sich daran.“ Durch das Tattoo fühlt Jessica Knobloch sich mit ihrem Großvater über dessen Tod hinaus verbunden. Sein Geburtsdatum hat sie sich ebenfalls stechen lassen. Das andere Datum auf ihrem Körper ist der Geburtstag ihres Sohnes. „Ich trage meine beiden Töchter nicht nur im Herzen, sondern auch auf meinem Körper.“ stolz zeigt Thorsten Smolin die Schriftzüge „Celine“ und „Nunia“. Den beiden Mädchen, acht und vier Jahre alt, gefällt’s. Zum ersten Mal hat sich der 37-jährige Freinsheimer mit 16 in Frankenthal etwas stechen lassen: ein verschlungenes Fantasy-Emblem, in der Fachsprache Tribal genannt. Da Tätowierungen erst ab 18 Jahren erlaubt seien, war ein Kumpel dabei – „als großer Bruder, der hat das gemanagt“. Seine Tätowierungen auf Brust und Oberarmen sieht Thorsten Smolin als Kunst und „ein Stück Leben auf meinem Körper“. Rund 2000 Euro hat der Freinsheimer bis dato investiert, im Bewusstsein, dass Tattoos für die Ewigkeit angelegt sind: „Man muss grundlegend dazu stehen.“ Die Innenseite seines rechten Oberarms zieren vier rotblaue Sterne: „Das sind die vier WM-Titel unserer Nationalmannschaft.“ Kunterbunt geht es zu auf dem Rücken von Miriam Weber. Dort flirtet ein Kolibri mit einer opulenten Blüte, irgendetwas zwischen Hibiskus und Orchidee. Neugierig blickt ein exotischer Rotaugenfrosch in Giftgrün dem Betrachter entgegen. „Das ist mein kleines Paradies, das ich immer bei mir trage“, erklärt die 23-jährige Wormserin den Sinn ihrer Rückendekoration. Ein Lampertheimer Tattookünstler habe das Motiv nach einem Bild entwickelt, das eine Freundin gemalt hat. „Beim Stechen musste ich die Zähne zusammenbeißen, aber ich habe es nicht bereut.“ Ihr Fantasie-Tableau möchte sie gerne erweitern, und weil sich Miriam Weber gerne auf Reisen – unter anderem nach Neuseeland – von traditionellen Motiven inspirieren lässt, sind weitere Tattoo-Projekte geplant. Ein Arm von Nuammer Sakalli (29) erinnert an die neuseeländischen Maori-Krieger. Drei traditionelle Symbole (Maori, Samoi, Makisa) sind kalligrafisch verzahnt. Sie stehen für Respekt, Toleranz, Offenheit und sind damit so etwas wie das Lebensmotto des Lambsheimers: Leben und leben lassen. Gestochen habe das großflächige Motiv ein privat arbeitender Tätowierer in Studernheim, berichtet Nuammer Sakalli. Für ihn ist das Tattoo nicht nur Schmuck, sondern auch „Motivation, etwas für meinen Körper zu tun und regelmäßig zu trainieren“. Vor allem die Arbeit an den Innenseiten der Arme sei schmerzhaft gewesen. Und was sagt der Koran dazu? In der islamischen Welt sind Tätowierungen erlaubt, es gibt sie unter anderem bei Berbervölkern in Nordafrika und bei den Ghawazee, den ägyptischen Straßentänzerinnen. „Nichts spricht dagegen, solange man sich vor dem Gebet mit Wasser reinigt“, weiß Nuammer Sakalli und plant bereits die Erweiterung seines Körperschmucks. Am Anfang war der Stern hinterm rechten Ohr, zu Ehren ihrer verstorbenen Tante. Beim Stechen habe es nur gekribbelt. „Es war ein angenehmes Gefühl“, erinnert sich Angelina Gansert. Damals war sie 18. Mittlerweile trägt die 23-Jährige aus Haßloch sieben Tattoos, die alle etwas über ihr Leben erzählen: Der Schmetterling auf einem Schulterblatt ist für ihre Mama, der Notenschlüssel am linken Fuß steht für ihre Liebe zur Musik, und um die rechte Fessel ringelt sich ein Fußkettchen mit den Initialen ihrer Geschwister. Dass der indianische Traumfänger am rechten Oberarm schlechte Träume auffangen und gute wahr werden lassen kann, will Angelina Gansert bereits erlebt haben. Die Ranken um ihren Namensanfangsbuchstaben A auf dem Bauch möchte sie noch in Richtung Rücken wachsen lassen und dort auch die Initialen ihrer Großeltern verewigen. Besonders ins Auge fallen eine Krone und ein Diamant auf dem linken Unterarm, eine Erinnerung an 2013/14, als Angelina Gansert Fasnachtsprinzessin war. Fast versteckt trägt Bennie Klippel sein Tattoo: Der 36-jährige Frankenthaler ließ sich das Tribal-Ornament in Blau-Schwarz an einer besonderen Stelle stechen, auf der Innenseite des linken Oberarms. „Diese Stelle zu tätowieren war vor 13 Jahren noch selten“, sagt er. Die Haut ist dort sehr empfindlich. Ganze drei Monate habe er damals auf einen Termin beim Tätowierer warten müssen. In Landau im Studio Hautnah habe er schließlich einen bekommen. Zwei Stunden habe das Vorzeichnen der Konturen gedauert, die eine Woche später flächig ausgemalt wurden. Würde er sich das heute noch mal tätowieren lassen? „Wahrscheinlich nicht, aber ich steh’ dazu und bereue es nicht.“ Das halbversteckte Tribal wird vielleicht ein Einzelstück bleiben, vielleicht auch nicht. Bennie Klippel wird im August Vater. Seine Tochter soll Liz heißen. Vielleicht wird er sich ihre Initialen und die ihres Bruders Phil (21 Monate) stechen lassen.

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