Rhein-Pfalz Kreis In Tschechien erwischt

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Schifferstadt. Wie lässt man einen kompletten Sattelschlepper mit Auflieger verschwinden? Dieser Frage ist das Amtsgericht Speyer gestern nachgegangen. Ein 37-Jähriger war angeklagt, eine solche Tat Ende März bei Schifferstadt begangen zu haben – als Dieb oder gescheiterter Hehler. Verurteilt wurde der Mann am Ende wegen Begünstigung, und zwar zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung.

Ob es sich bei der Tat um vollendeten Diebstahl oder eine versuchte Hehlerei handelte, da war sich die Staatsanwaltschaft nicht sicher und brachte in der Anklageschrift daher beide Straftatbestände aufs Tapet. In den ersten Stunden des 29. März brachte der 37-jährige Angeklagte demnach in der Nähe von Schifferstadt einen Sattelschlepper mitsamt Auflieger im Gesamtwert von etwa 80.000 Euro in seinen Besitz, um ihn anschließend ins Ausland zu schaffen. Ob er das Gefährt danach selbst behalten – Diebstahl – oder es an einen Dritten weitergeben – Hehlerei – wollte, ließ sich unter anderem wegen der schnellen und erfolgreichen Ermittlungsarbeit der Schifferstadter Polizei nicht sagen. Die führte nämlich noch in der Nacht der Entwendung zu einem Zugriff in der Nähe von Prag. Doch der Reihe nach: Nicht lange nach Mitternacht begab sich ein Lkw-Fahrer am 29. März auf einen Parkplatz nahe Schifferstadt, um den Volvo-Sattelschlepper samt Auflieger einer Frankenthaler Firma, der genau dort stehen sollte, zu übernehmen und in einer Nachtfahrt zu seinem Bestimmungsort zu bringen. Der Sattelschlepper war jedoch verschwunden und konnte, wie schnell festgestellt wurde, nur gestohlen worden sein. Lkw sind heute stets mit GPS ausgestattet, so dass eine Speditionsfirma deren Wege verfolgen kann. Im Fall des Volvo-Sattelschleppers war zudem auch der Auflieger mit GPS ausgestattet, was sich als Glücksfall erwies: Anhand der GPS-Daten konnte die Polizei nämlich feststellen, dass das GPS der Zugmaschine zwar abgestellt oder zerstört, das des Aufliegers der Aufmerksamkeit des Diebs aber entgangen war. Es sendete also munter weiter, so dass sich der Weg des Fahrzeugs ohne Schwierigkeit verfolgen ließ. Es war in Richtung Tschechien unterwegs. Die Schifferstadter Polizei nahm daher Verbindung mit den tschechischen Kollegen auf, die konnten den Sattelschlepper bei Prag stoppen und den Fahrer und heutigen Angeklagten festnehmen – alles noch vor Sonnenaufgang. Gute Polizeiarbeit und Koordination wurden im Verfahren von allen Seiten gelobt und der Angeklagte nach einem Auslieferungsantrag nach Deutschland überführt. Der Fahrer sitzt seit April in Untersuchungshaft und wollte im Gerichtsverfahren nicht aussagen. Er war zuvor jedoch zweimal von der Polizei vernommen worden, und diese Aussagen wurden verlesen. Der Mann hatte behauptet, von seinem flüchtigen Bekannten gebeten worden zu sein, den Sattelschlepper als Krankheitsvertretung für den eigentlichen Fahrer nach Prag zu bringen. Die Papiere – es waren litauische – seien ihm ebenso wie die Schlüssel am vereinbarten Treffpunkt übergeben worden. Für die Fahrt sollte er paar Hundert Euro bekommen. Angeblich fiel ihm gar nicht auf, dass auf dem litauischen Führerschein, der ihm ebenfalls übergeben worden war, ein anderer Name stand. Ebenso habe ihn der Zustand der Fahrerkabine – verschiedene heraushängende Kabel, eine Beifahrertür, die sich nicht öffnen ließ – nicht weiter misstrauisch gemacht. Auch dass sein Bekannter mit dem Pkw vor ihm her fuhr und ihn bis zur tschechischen Grenze lotste, dort dann aber verschwand, will er nicht verdächtig gefunden haben. Die Staatsanwältin sah die Anklage als erwiesen an und beantragte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten. Verteidiger André Morio hingegen meinte, dass weder Diebstahl noch Versuch der Hehlerei erwiesen seien. Verurteilt wurde der Angeklagte schließlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung – und zwar wegen Begünstigung. Auch wenn ihm Diebstahl oder Hehlerei nicht nachzuweisen seien, habe er dem Dieb geholfen, sich die Vorteile der Tat zu sichern, befand das Gericht.

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