Römerberg KAB feiert Jubiläum: Klare Kante in Glaube und Politik

Fahnenweihe Anfang des 20. Jahrhunderts: Damals war der Mechtersheimer Arbeiterverein erst wenige Jahre alt. Manfred Nuber hat s
Fahnenweihe Anfang des 20. Jahrhunderts: Damals war der Mechtersheimer Arbeiterverein erst wenige Jahre alt. Manfred Nuber hat seine Geschichte recherchiert.

Christlicher Glaube und soziales Gewissen – beides vereint in Mechtersheim seit 125 Jahren die Katholische Arbeiternehmer-Bewegung. Die Vorsitzende Anne Schlosser und ihr Mann Günter mögen mit ihren Ansichten nicht immer auf offizieller Kirchen-Linie liegen, trotzdem fühlen sie sich dort weiterhin genau an der richtigen Stelle.

„Wenn ich den Armen zu essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich frage, warum sie arm sind, schimpfen sie mich einen Kommunisten.“ In diesem Zitat des vor 25 Jahren verstorbenen brasilianischen Bischofs Hélder Câmara finden sich auch Anne und Günter Schlosser wieder. Die Vorsitzende des Mechtersheimer Ortsverbands der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) und ihr Mann vertreten das, was die meisten wohl als linke Politik bezeichnen würden – auch wenn Günter Schlosser die Einordnung in links und rechts eher „kontraproduktiv“ findet. Gleichzeitig sind beide gläubig und nehmen sich Jesus als Vorbild.

Mit ihrem aus christlichem Gedankengut gespeisten Engagement für die arbeitende Bevölkerung stehen die Schlossers und ihre Mitstreiter in der Tradition jener Männer und Frauen, die vor 125 Jahren den Katholischen Arbeiterverein in Mechtersheim aus der Taufe hoben. Recherchiert hat die Geschichte des Vereins KAB-Mitglied Manfred Nuber. Er hat sogar ein Bild von der Fahnenweihe 1903/04 gefunden. Zu diesem Anlass kamen seinerzeit 31 Männer, 26 Frauen sowie der Vorsitzende Peter Lutz im Gasthaus Pfälzer Hof zusammen. Die Gründungsmitglieder definierten als ihre Ziele „die Pflege der Religiosität und Sittlichkeit im engen Anschluss an die Kirche; die soziale Hebung des Arbeiterstandes und die Veredlung des geselligen Lebens“.

Engagiert: Anne und Günter Schlosser.
Engagiert: Anne und Günter Schlosser.

Für fairen Lohn

Damals lautete die offizielle Linie noch: „Politik ist ausgeschlossen“. Heute zeigen die katholischen Arbeitnehmer aus Mechtersheim in politischen Fragen durchaus klare Kante – auch wenn sie keine Parteipolitik betreiben. „Der Mensch muss im Vordergrund stehen“, lässt sich die Einstellung von Anne und Günter Schlosser auf den Punkt bringen. So setzen sie sich zum Beispiel gegen prekäre Arbeitsverhältnisse ein. „Der Mindestlohn sollte mindestens 15 Euro betragen“, findet Günter Schlosser. Auch sprechen er und seine Frau sich gegen eine Rentenversicherung auf Aktienbasis oder übermäßiges Profitstreben im Krankenhaussektor aus. „Wir unterstützen auch fairen Handel“, sagt Anne Schlosser. „Denn ein gerechter Lohn sorgt für ein gerechtes Leben.“ In der Kirche kämpfen sie für den Erhalt der Pfarrheime. Das Engagement gegen Rechtsextremismus ist ebenfalls ein wichtiges Anliegen der KAB Mechtersheim, die derzeit noch zirka 20 Mitglieder hat.

Wie viele Mitglieder der Verein anfangs zählte, hat Nuber trotz intensiven Nachforschens nicht herausfinden können. Sicher ist jedoch, dass alle in der Sterbe- und später auch in einer Krankenunterstützungskasse versichert waren. Vorträge sollten zur Bildung der Menschen beitragen. Nach dem Ersten Weltkrieg – in diesen Jahren war die Vereinstätigkeit stillgelegt – erhielten die Vereinsmitglieder die Möglichkeit, sich in Rechts- und Versicherungsfragen unentgeltlich beraten zu lassen. Die wirtschaftlichen Herausforderungen der 1920er-Jahre machten vor dem Arbeiterverein nicht halt, was sich unter anderem in Beitragserhöhungen niederschlug. 1923 verzichtete der Verein sogar auf seine Weihnachtsfeier. Später, während der NS-Diktatur, wurde der Arbeiterverein wie auch andere Vereine verboten. Die Sterbeversicherung indes wurde im Untergrund weitergeführt, wie Nuber festhält.

Das Gedankengut, welches im damaligen Regime vorherrschte, und das Menschenbild, das die Schlossers und ihre Mitstreiter heute vertreten, könnten kaum weiter voneinander entfernt sein. „Jesus hat klar gemacht, dass jeder Mensch gleich ist“, sagt Günter Schlosser. Er plädiert für Nächstenliebe statt für „Hass, wie wir ihn heute zu oft in der Gesellschaft erleben“. Der Mechtersheimer ist überzeugt: Wenn alle nach diesen Lehren Jesu handeln würden, wäre die Welt eine friedlichere und bessere.

Frieden nach sechs Jahren Krieg bedeuteten in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre auch eine Chance für die katholische Arbeiterschaft, sich neu zu organisieren – zunächst als Katholisches Werkvolk, später dann als Katholische Arbeitnehmer-Bewegung. Im Mechtersheimer KAB-Ortsverband wehte ab den 1970er Jahren ein frischer Wind: Auf Anregung von Paul Eichstetter und Christoph Macziol entstanden erste Arbeitskreise. 1984 kamen dann auch ehemalige Mitglieder der Christlichen Arbeiterjugend (CAJ) dazu, die unter der Federführung von Anne Schlosser und Karola Loewe einen weiteren Arbeitskreis bildeten, der sich mit Umwelt- und sozialen Fragen beschäftigte.

Günter Schlosser hat den Eindruck, dass die katholische Kirche heute aufgeschlossener ist für manche Ansichten, wie er und seine Mitstreiter sie vertreten. „Natürlich gibt es nicht immer ungeteilte Zustimmung aus der Kirche, das ist klar“, sagt er. „Aber es hat sich vieles zum Positiven geändert. Die Kirche ist offener geworden bei politischen Forderungen und wir finden mehr Unterstützung als früher.“ Auch wenn sie Positionen vertritt, die sich derzeit noch nicht mit jenen der offiziellen katholischen Kirche vereinbaren lassen – zum Beispiel die Abschaffung des Zölibats und die Zulassung von Frauen im Priesteramt – sieht sich Anne Schlosser in ihrer Kirche richtig aufgehoben. „Wenn ich sage, ich gehe weg, dann ändert sich nichts“, findet sie.

Sozial engagiert

Der Mechtersheimer KAB-Ortsverband bezieht Position zum Beispiel bei Maikundgebungen, bei denen er mit Infoständen vertreten ist. Außerdem wirken Mitglieder der Mechtersheimer KAB als ehrenamtliche Sozialrichter, als Vertreter der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung oder sind im Widerspruchsausschuss der Krankenkasse tätig. Auch sind etliche in kirchlichen Gremien vertreten. Darüber hinaus sammelte der Ortsverband schon Kleider für ein Sozialkaufhaus und half dort beim Verkauf mit. Nach den Gottesdiensten wurden fair gehandelte Waren angeboten; die Erlöse gingen an das Weltnotwerk der KAB und andere soziale Einrichtungen. Nicht zuletzt bereichern auch gemeinsame Feiern und gesellige Abende das Vereinsleben.

Termin

Die KAB Mechtersheim feiert ihr 125-jähriges Bestehen am Samstag, 19. Oktober, im katholischen Pfarrheim Mechtersheim. Die Jubiläumsfeier beginnt um 13.30 Uhr mit der Begrüßung. Es schließt sich um 14 Uhr der Gottesdienst mit Präses Pfarrer Peter Nirmaier an. Zum Programm gehören ein Rückblick auf 125 Jahre KAB Mechtersheim und Grußworte. Für die musikalische Unterhaltung sorgt die Band 21 Plus. Essen und Getränke werden ebenfalls angeboten.

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