Rhein-Pfalz Kreis Knallerei im Wingert nervt Anwohner

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Großniedesheim/Kleinniedesheim. Karl-Heinz Blum aus Großniedesheim hat sich in Sachen Vogelabwehr schon vor Jahren über den Konflikt zwischen den Interessen der Winzer und denen der Anwohner kundig gemacht. Denn der Betrieb von wohnortnahen Schussapparaten ist zwar genehmigungspflichtig, aber den Grad der Lärmbelästigung durch die Geräte exakt zu bestimmen, ist kaum möglich. Topografische Gegebenheiten, wechselnde Schussrichtungen, Windverhältnisse und Lufttemperatur sind einige der Faktoren, die beeinflussen, ob ein Dorfbewohner die Knallerei als erträglich oder inakzeptabel empfindet. Zudem gelten je nach Klassifizierung des Wohngebiets unterschiedliche Grenzwerte. Blum verweist auf eine Arbeitshilfe des Gemeinde- und Städtebunds Rheinland-Pfalz, die auch dem Ordnungsamt der VG Lambsheim-Heßheim vorliegt. Denn dort ist er kürzlich vorstellig geworden mit der Bitte um Beachtung der Expertenmeinung. In der Handreichung sind unter anderem Abstandsrichtwerte in Bezug auf die maximale Schusszahl festgehalten. Zum Beispiel: Werden nahe eines allgemeinen Wohngebiets täglich bis zu 40 Schüsse abgegeben, sollte der Apparat mindestens 500 Meter von der Bebauung entfernt stehen. Oder: In einem reinen Wohngebiet soll das Gerät 1000 Meter weit weg sein, wenn aus ihm 41 bis 100 Schüsse pro Tag abgefeuert werden. Wirken benachbarte Anlagen auf das gleiche Gebiet ein, müssen deren Schusszahlen für die Ermittlung des Mindestabstands addiert werden. Bei mehr als 100 Schüssen muss für jede Art von Wohngebiet der Einzelfall geprüft werden. Geprüft wurde im vergangenen Jahr in der Verbandsgemeinde offenbar gar nichts. Ordnungsamtsleiter Thomas Bauer, erst seit einem Jahr im Amt, räumt ein, dass „das nicht gut gelaufen“ sei. Deshalb kann er auch nichts Genaues über die verwendeten Anlagen, die Abstände oder Schussintervalle sagen. Karl-Heinz Blum dagegen schon. Er hat auf Basis einer Luftaufnahme von Groß- und Kleinniedesheim die Standorte der drei Geräte markiert, Entfernungen zu drei Wohngebieten gemessen und Knallgeräusche gezählt. Sein Ergebnis: Auf alle drei Quartiere wirkten im vergangenen Jahr sage und schreibe 930 Schüsse pro Tag ein. „Hinzu kommt“, sagt Blum, „dass Großniedesheim von vier weiteren Apparaten aus der Gemarkung Heuchelheim beschallt wurde.“ Er verlangt, dass sich die Betreiber an die Richtlinie halten und die VG-Verwaltung sie überwacht, was Thomas Bauer auch verspricht. In einer Dienstbesprechung der Bürgermeister wurde das Thema anlässlich der Hinweise von Blum kürzlich besprochen. In Kleinniedesheim übernimmt die Ortsgemeinde die Weinbergshut und legt die Kosten auf die Winzer um. Seit keine Rentner mehr bereit seien, sich als Wingertsschützen zu betätigen, müsse man halt auf die Schuss- und Vogelstimmenautomaten zurückgreifen, sagt Ortsbürgermeister Ewald Merkel (FWG). Doch muss man das wirklich? Nicht alle Weinbauern schließen sich der Meinung des Bürgermeisters an. Andreas Merkel beispielsweise hält die Knallerei im vergangenen Jahr für übertrieben, wenn nicht gar sinnlos. „Es gibt Jahre, in denen die Vögel so gut wie kein Problem sind“, sagt der Kleinniedesheimer Weingutsinhaber. „In solchen Jahren muss man also auch nicht durchgehend von morgens bis abends Schreckschussanlagen betreiben. Zumal die Wirkung verloren geht, wenn es so viel knallt und sich die Vögel daran gewöhnen.“ Andreas Merkel plädiert für den flexiblen und zielgerichteten Einsatz von Weinbergsschützen: Sie können Schussapparate aus der Ferne steuern oder nach Absolvierung einer Sachkundeprüfung mit Handwaffen schießen. Der Winzer fragt sich, wieso es dafür Minijobber braucht. Die Aufgabe könne auch ein Gemeindearbeiter übernehmen. Schließlich kämen die Winzer für die Kosten auf. Er selber meint, auf organisierte Weinbergshut komplett verzichten zu können. Noch Fragen? Die „Arbeitshilfe zur immissionsschutzrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb akustischer Geräte zur Vogelabwehr“ findet sich im Internet unter www.mueef.rlp.de.

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