Rhein-Pfalz Kreis War das alles halb so wild?

«Speyer/Schifferstadt.» Sieben versuchte gefährliche Körperverletzungen und Nötigungen, ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis – wegen all dem musste sich ein 23-jähriger Frankfurter vor dem Amtsgericht Speyer verantworten. Er soll im Juli 2018 versucht haben, mit seinem Auto in eine Menschengruppe zu fahren. Nur, war das wirklich ein Drama, wie es in der Anklage steht?

Manchmal, da wollen die Gedanken nicht mehr so. Was war gleich noch? Wo steht was? Und wer ist eigentlich ...? Dass jedoch schon in jungen Jahren zwischen 18 und 24 und gleich bei drei Brüdern auf einmal die Erinnerung nicht mehr so will, ja, das ist ungewöhnlich. Denn wenn man den drei Schifferstadtern Glauben schenkt, war der 24. Juli 2018 ein viel harmloserer und entspannterer Tag, als die Staatsanwaltschaft meint. Der Angeklagte äußerte sich vor Gericht zunächst nicht zum Tatvorwurf. Die drei Brüder wurden nacheinander als Zeugen vernommen. Und alle drei litten nicht nur unter Gedächtnisschwund, sondern traten auch mit erstaunlicher Arroganz auf. Es war ein Dienstag, als die drei Brüder in Schifferstadt Besuch von dem 23-jährigen Frankfurter bekommen haben. Streit soll es zwischen dem angeklagten Frankfurter und dem mittleren Bruder gegeben haben. Es sei laut geworden, man ging nach draußen, stritt dort weiter. Soweit waren die Zeugenaussagen widerspruchsfrei. Doch laut Anklage war noch mehr passiert: In der Zwischenzeit hatten sich sieben Personen vor dem Haus versammelt. Und dann sei der Frankfurter in seinen Wagen eingestiegen, mit erhöhter Geschwindigkeit in den Kreisel vorm Haus ein- und auf die Personengruppe zugefahren. Die Menschen mussten beiseite springen. Kurz, bevor der Frankfurter sie erreicht hat, sei er abgebogen. Das habe er ein paar Mal wiederholt. Dann kam die Polizei. Dem 23-Jährigen wurde in der Nacht eine Blutprobe entnommen. Das Ergebnis: Er hatte Alkohol und vor allem Cannabis konsumiert. Dass er noch unter einem Fahrverbot stand, habe er gar nicht gewusst, sagte er. Er sei in Frankfurt obdachlos gewesen, habe seine Post über die Streetworker bekommen und die nur gelegentlich abgeholt. So sei ihm das Fahrverbot entgangen. Das war nachvollziehbar fürs Gericht, es stellte daher diesen Anklagepunkt ein. Zurück zum Streit und den Erinnerungen: Der älteste Bruder meinte, ein geplanter Urlaub sei Grundlage des Streits gewesen. Der Bruder habe einen Kumpel dabei haben wollen, den der Angeklagte nicht mochte. Er, der Zeuge, habe erfolglos beruhigen wollen und sei den beiden deshalb nach draußen gefolgt, wo der Streit mit Beleidigungen und Schubsereien weitergegangen sei. Es sei hin und her gegangen, aber eigentlich sei es nicht schlimm gewesen. Ein Streit unter Freunden halt. Auch die Aktion mit dem Auto – alles gar nicht so schlimm. Einmal sei der Angeklagte auf die Gruppe zugefahren, habe zurückgesetzt und sei noch mal auf sie zu gefahren. Na ja, vielleicht auch zweimal. Er sei beiseite gesprungen. Eine automatische Reaktion. Dann habe er gegen das Auto getreten und sich dabei leicht verletzt. Der mittlere Bruder konnte sich derweil nicht mehr erinnern. Er wisse gar nichts. Es habe eine kleine Auseinandersetzung gegeben, der Angeklagte sei ins Auto gestiegen, etwas zu schnell in den Kreisel eingebogen und weggefahren. Richterin Alexandra Umealo-Wells hielt ihm seine Polizei-Aussage vor. Da hatte er die Geschichte sehr detailliert wie in der Anklage beschrieben. Er log so offensichtlich, dass sie ihm die Vereidigung androhte und der Staatsanwalt die Anzeige. Auch das Gedächtnis des jüngsten Bruders wollte nicht so recht. Er sei auf seinem Zimmer gewesen, hätte kurz aus dem Fenster geschaut, als es vorm Haus laut geworden sei. Das war’s. Später musste er, ins Verhör genommen, zugeben, dass auch er vors Haus getreten war und mehr gesehen hatte. Der Angeklagte machte dem Treiben ein Ende, als er nach einem Gespräch mit seinem Anwalt Roman Schweitzer ein Geständnis ablegte. Er wurde zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt und muss 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

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