RHEINPFALZ-Podcast Als die Speyerer ihren Bischof verjagten
Am 7. August 1106 starb Heinrich IV., einer der umstrittensten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, in Lüttich. Sein Tod beendete nicht nur das bewegte Leben eines Herrschers, der fast drei Jahrzehnte lang das Reich regierte, sondern setzte auch ein bemerkenswertes Nachspiel in Gang, das den Machtkampf zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt verdeutlichte und die politische Landschaft des Reiches nachhaltig prägte.
Zunächst bekam Heinrich eine prunkvolle Bestattung im Lütticher Dom. Doch der erbitterte Investiturstreit, den er jahrelang mit Papst Gregor VII. führte, würde das bald wieder ändern. Beim Investiturstreit ging es darum, wer Bischöfe einsetzen darf. Kaiser und Papst beanspruchten beide das Recht für sich. Nach dem berühmten „Gang nach Canossa“, bei dem Heinrich IV: offiziell Buße tat, wurde er kurzzeitig vom Bann befreit – worauf er den Speyerer Dom großzügig ausbauen ließ. Doch nachdem seine Gegner unter den Fürsten einen Gegenkönig wählten und der Papst nicht einschritt, setzte Heinrich einen Gegenpapst ein. Dieser krönte ihn zwar zum Kaiser, doch Papst Gregor VII., der noch viele Unterstützer hatte, exkommunizierte Heinrich erneut.
Die Reichsfürsten, angeführt von seinen kirchlichen und politischen Gegnern, protestierten, worauf Heinrich in einer noch ungeweihten Kapelle außerhalb Lüttichs begraben wurde. Doch auch diese Ruhestätte sollte nicht von Dauer sein.
Die dritte Beisetzung
Nach seiner zweiten Bestattung wurde der Leichnam Heinrichs wieder exhumiert. Heinrichs Sohn, Heinrich V., der sich nach der Abdankung seines Vaters 1105 die Krone gesichert hatte, versuchte, seinem Vater eine angemessene Grabstätte zu verschaffen. Er wollte Heinrich IV. in der Saliergrablege im Speyerer Dom beisetzen – einer Kirche, die wie keine andere die Herrschaft der Salier symbolisierte.
Doch die Bevölkerung von Lüttich, die Heinrich IV. trotz seines Schicksals treu geblieben war, protestierte heftig. Die Lütticher Bürger fürchteten nicht nur den Verlust der Ehre, den der Abtransport der sterblichen Überreste ihres Kaisers mit sich brachte, sondern auch die wirtschaftlichen Folgen. Die Vorstellung, dass mit dem Tod Heinrichs auch eine Phase des Wohlstands und der Stabilität zu Ende gehen könnte, ließ sie zu drastischen Mitteln greifen: Pilger strömten zur Bahre des Kaisers und versuchten symbolisch, den Leichnam mit ihrem Boden zu vermischen, indem sie Erde und Saatkörner auf die Bahre warfen, um so zu verhindern, dass er die Stadt verließ. Doch es half nichts.
Der Konflikt in Speyer
In Speyer angekommen, wartete bereits der nächste Konflikt: Der Bischof von Speyer, Gebhard von Urach, war ein erbitterter Gegner Heinrichs IV. gewesen. Gebhard, ein Anhänger der sogenannten Hirsauer Reformen, die eine Erneuerung der Kirche und die Entflechtung weltlicher Einflüsse von kirchlichen Ämtern anstrebten, hatte Heinrich IV. in der Vergangenheit gefangen genommen und zur Abdankung gezwungen. Aus dieser Vorgeschichte heraus verweigerte Gebhard die Bestattung Heinrichs im Speyerer Dom – eine weitere Demütigung für den einst mächtigen Kaiser.
Als Kompromiss wurde Heinrich IV. in der Afrakapelle beigesetzt, die zu diesem Zeitpunkt noch ungeweiht war. Diese kleine Kapelle, die der Heiligen Afra von Augsburg gewidmet war, war ein symbolischer Ort für den Kaiser, da sowohl der Gedenktag der Heiligen als auch der Todestag Heinrichs auf den 7. August fielen.
Trotz des Verbots des Bischofs, Heinrich im Deom zu begraben, zeigte sich bald, dass Heinrich IV. in Speyer mehr Unterstützung fand, als Gebhard wohl erwartet hatte. Die Bürger der Stadt begannen, Heinrich wie einen Heiligen zu verehren, und pilgerten zur Afrakapelle, um ihm zu gedenken. Der Bischof, der zunehmend den Rückhalt der Stadtbevölkerung verlor, sah sich schließlich gezwungen, Speyer zu verlassen. Er flüchtete nach Bruchsal. Speyer sah er nie wieder, denn wenige Monate später starb er.
Privilegien für die Stadt
Die Ereignisse rund um die Bestattung seines Vaters boten Heinrich V. die Gelegenheit, sich als Verbündeter der Speyerer zu präsentieren. Den Konflikt mit dem Bischof und die Sympathie der Stadtbevölkerung für Heinrich IV. nutze der neue Kaiser. Im Jahr 1111, nur wenige Jahre nach dem Tod seines Vaters, gewährte Heinrich V. den Bürgern von Speyer ein weitreichendes Freiheitsprivileg. Diese Privilegien, die unter anderem in einer Inschrift über dem Portal des Speyerer Doms festgehalten wurden, stärkten die Rechte der Bürger und förderten den städtischen Wohlstand.
Das Freiheitsprivileg erhielten sie jedoch nicht ohne Gegenleistung: Heinrich V. verpflichtete die Bürger von Speyer zur Teilnahme an Feierlichkeiten zum Todestag seines Vaters, der bis heute jährlich im Dom begangen wird.
Die endgültige Bestattung
Nachdem Heinrich IV. schließlich 1111 aus dem Kirchenbann gelöst worden war, fand die feierliche Bestattung im Speyerer Dom statt. Diese letzte Ruhe des Kaisers symbolisierte nicht nur das Ende einer Ära, sondern auch einen Wandel in der salischen Erinnerungskultur: Während zu Lebzeiten Heinrichs IV. der Konflikt zwischen weltlicher und kirchlicher Macht im Vordergrund gestanden hatte, trat nach seinem Tod zunehmend der dynastische Gedanke in den Vordergrund.
Die feierliche Beisetzung Heinrichs IV. und das Freiheitsprivileg für die Speyerer Bürger markierten einen Wendepunkt. Die salische Dynastie stärkte durch diese Maßnahmen ihre Position, während die religiöse Legitimation der Herrschaft, die durch die Exkommunikation Heinrichs IV. erschüttert worden war, in den Hintergrund trat.