Speyer Der Panther

In der Winkeldruckery: Abi Shek.
In der Winkeldruckery: Abi Shek.

Der Stuttgarter Künstler Abi Shek war am Wochenende zu Gast beim Druckerwochenende in der Winkeldruckerey Speyer. Er schuf vor Ort ein neues Werk. Die Besucher nahmen interessiert Anteil an seiner Arbeit.

Kunstinteressierte in größerer Zahl haben am Sonntag die Winkeldruckerey Speyer im Kulturhof Flachsgasse aufgesucht. Am vierten Druckerwochenende der Saison gastierte der Stuttgarter Künstler Abi Shek. Seine neueste Schöpfung: Einen Holzschnittdruck mit einem Panther als Motiv zierte auch eine mit Tusche gezeichnete Knoblauchknolle. Obwohl sich zahlreiche Besucher für seine Arbeit interessierten, nutzte Shek die Gunst der Stunde, um sich ein wenig abseits in Ruhe seinem Werk zu widmen. Der tiefschwarze Panther strahlte Kraft und Energie aus. Er schien mit der Pfote nach der Knolle zu haschen. Der Künstler hingegen wirkte unbeeindruckt von dem Trubel, konzentrierte sich ganz auf seine Arbeit.

Die Stars in Sheks Werken sind die Tiere: Rinder, Vögel oder Schlangen begegnen dem Betrachter mit Intensität. Die Schwarz-Weiß-Drucke, oft ergänzt um blaue Tuscheelemente, wirken hypnotisch. Der Farbkontrast erzeugt klare Linien, während die Form oft individuell ist. Tiere in Bewegung, Szenen, die Natürlichkeit suggerieren: hier lebt etwas. Die animalische Kraft bewegt und weckt Assoziationen. So verwundert es nicht, dass Shek seine Inspiration aus seiner Kindheit, aus der natürlichen Umgebung der Wüste schöpft. Er wuchs im Kibbuz in Israel auf, war umgeben von Tieren. Und auch, dass er Hobby-Archäologe ist, passt dazu. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit, mit der Natur ist fast all seinen Arbeiten anzumerken.

Werke werden selbstständig

Wie Shek erzählt, seien seine Werke für ihn „wie Kinder“. Er erschaffe sie, „aber dann haben sie ihr eigenes Leben“. Der Kreative wolle keinen Einfluss nehmen auf die Entwicklung der Arbeiten oder darauf, wie sie gesehen werden: „Sie sind dann selbständig.“ So lässt sich beispielsweise die Knoblauchknolle mit der Natur assoziieren: Der „König der Gewürze“ heißt wissenschaftlich „Allium sativum“ und breitete sich vor circa 5.000 Jahren von Südwestasien kommend aus. Heute ist er weltweit als Kulturpflanze gefragt. Der Panther hingegen spiegelt Wildheit und Ursprünglichkeit. Dies passt zu Sheks innerer Verbindung mit dem Expressionismus der „Brücke“-Künstler. Diese suchten angesichts des heraufdämmernden Maschinenzeitalters einen Weg zurück zur Natur, gar zur Primitivität.

Abi Shek aus Stuttgart wurde 1965 als Sohn eines Bildhauers und einer Goldschmiedin in Israel geboren. 1990 kam er nach Deutschland, um Bildhauerei zu studieren. Zum Holzschnitt kam er über Umwege: Als Kind hat er einmal Holzschnittabbildungen der „Brücke“-Künstler aus einem Katalog von 1910 gesehen. Die Klarheit und Kraft der Schnitte ließen ihn nicht mehr los. Was lag also näher, als in Deutschland zu studieren, dem Land, in dem vor 500 Jahren die bedeutendste Holzschnitt-Tradition Europas entstanden ist? Seitdem hat sich Shek immer wieder mit Holzschnitten beschäftigt, oft ergänzt um Tuschezeichnungen. ie Winkeldruckerey ist am Wochenende gut besucht. Immer wieder geben sich Kunstinteressierte die Klinke in die Hand. Die beiden Ehrenamtlichen Johannes Doerr und Remo Krembel, die die Winkeldruckerey betreiben, haben alle Hände voll zu tun. So sammeln sich Interessierte an der größeren der beiden Pressen, an der Krembel den Kunstdruck „im großen Stil“ demonstriert.

Die Stärke der Druckplatte

Am Sonntag werden hier Bilder von Knoblauchknollen produziert: Statt mit Tusche strahlt ihr Blau hier auch auf kleinen Drucken. Dabei wichtig: Die Stärke der Druckplatte. Eine zusätzliche Holzplatte unterlegt den aus Stuttgart mitgebrachten kleinen Holzschnitt von Abi Shek. Auf einer Blattgröße von bis zu 25 mal 35 Zentimeter sei an dieser Presse ein Druck möglich, erklärt Krembel. Bei Bedarf würden bis zu 100 Farben in entsprechenden Druckgängen aufgetragen. Übrigens: Statt Holz nutze man auch Metall oder Linol, um Druckplatten herzustellen.

Die Maschine beginnt zu drucken: mit schmatzenden und schlürfenden Geräuschen werden die Blätter angesaugt, bedruckt und ausgespuckt. Unter Stampfen entsteht Kunst. Die Besucher beugen sich wissbegierig über die Presse. Aber Vorsicht: „Nicht zu nah rangehen!“, warnt Krembel. Allzu neugierige Interessenten hält ein Schutzbügel zurück.

Dom in bunten Farben

Die Besucher erfahren an diesem Tag Allerlei über den künstlerischen Handpressendruck. Auch, dass noch Ersatzwalzen vorhanden seien, „für den Fall der Fälle“. Dass Krembel und Doerr echte Profis sind, stellte sich im vergangenen Jahr heraus: Da ein eingeladener Künstler an einem Druckerwochendende kurzfristig ausfiel, hätten die Beiden kurzerhand ein eigenes Motiv verwirklicht. Natürlich habe man sich für ein Speyerer Thema entschieden: den Dom in bunten Farben, erklärt Doerr augenzwinkernd.

Das Panthermotiv wurde bereits am ersten Tag des Druckerwochenendes nicht über die große Maschine, sondern über eine zweite, kleinere Presse gedruckt. Mit ihr ließe sich vierfarbig drucken, so Doerr, doch Shek hat sich für ein sattes Schwarz entschieden. Seine Vision druckte er mit einer Auflage von 30 Stück. Die Vorlage, den Holzschnitt, habe er ebenfalls aus Stuttgart mitgebracht, so der Künstler. Die Profis legten den jeweiligen Schnitt in die Presse ein, dann ziehe man eine mit Farbe versehene Walze darüber, erklärt der Ehrenamtliche Doerr. Ruckzuck ist der Druck fertig, aber an dieser kleinen Presse wird immer nur ein Blatt auf einmal hergestellt.

Am zweiten Tag veredelte Shek die Drucke nun mit dem Tuschepinsel. An einem kleinen Tisch hat er seine Utensilien bereitgelegt: Stifte, den Pinsel sowie die vorbereiteten Blätter. Shek hält es nicht auf seinem Platz. Immer wieder kommt und geht der Künstler, widmet sich dann wieder konzentriert seiner Arbeit. Zunächst erstellte Shek ein fertiges Muster, um dann die Knolle von Hand auf die Druckblätter zu kopieren. Die Tusche wurde als letzter Arbeitsgang aufgetragen. Die Kombination aus Schwarz und Blau erzeugte einen spannenden Gegensatz.

Kraft des Holzschnitts

Das Wochenende in der Winkeldruckerey krönte Sheks bis Sonntagin der Städtischen Galerie gezeigte Ausstellung „Von der Kraft des Holzschnitts“. Die Vielseitigkeit des Künstlers spürte man auch in den dort gezeigten Werken. Neben den Tieren spielte hier auch das zweite Motiv Sheks, die Weizenähren, eine tragende Rolle. 20 der prall gefüllten Halme aus Blech waren inmitten seiner Bilder aufgestellt wie ein Weizenfeld. Und auch in der Ausstellung war er zu finden, der Panther als Motiv. Hier mit einer Schlange, mit der er zu spielen scheint.

Zurück in der Winkeldruckerey: Ist es nur Zufall, dass zwischen den Drucken ein kleines Blatt mit Poesie herausspitzelt? Auch wenn Shek das Blatt „nicht dort hingelegt“ habe, das Gedicht „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke scheint zu passen: Im Wortlaut des Gedichts ist von „geschmeidig starken Schritten“, von „Kraft“ die Rede. Eine Energie, die definitiv auch in Sheks Bildern zu finden ist.

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