Speyer Der Traum vom Fliegen und die Liebe zu Oldtimern

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Alles war wie gehabt – Rahmen, Wortgottesdienst, Fanfarenzug Rot-Weiß, Volkstanzgruppe, Schulkinder, Theater, Ausstellung, Musikgruppen, Kindernachmittag, Autos, Motorräder, durchwachsenes Wetter – und doch auch etwas anders beim Tabakdorffest: Ein neues Stück, andalusisches Flair, die ungewöhnliche Menschendarstellung im Tabakschuppen, ein Dutzend andere Oldtimer und ein Doppeldecker über Harthausen.

Vor Ortsbürgermeister Harald Löffler (CDU) und dem Ortskartell-Vorsitzenden Gerald Fischer lud am Freitagabend bei der Eröffnung Pastoralreferentin Sabine Alschner die „Alteingesessenen, Gäste, Neubürger, ob Flüchtling, Asylant, Zugezogener ein, zusammen in geselliger und froher Runde zu feiern“. Pfarrer Johannes Werle zitierte „einen der schönsten Sätze“ der Bergpredigt: „Behandelt die Menschen so, wie ihr behandelt werden wollt.“ Was mancher für das Wochenende auch auf die Anzahl der spendierten Schoppen bezog. Theater-Autor Andreas Heck stieß bei der Stoffsuche auf eine historische Notiz: Georg Steiger, Harthäuser, Flieger, Soldat, starb 1917 im Ersten Weltkrieg in Flandern. Er wurde 21 Jahre alt. Heck: „Die näheren Umstände seines Todes sind nicht überliefert. Vielleicht saß er in einer Maschine der Pfalz-Flugzeugwerke.“ Die wurden 1913 in Speyer gegründet, produzierten ab Juli 1914, vornehmlich für den Kriegseinsatz. Heck: „Es könnte sein, dass die ersten in Speyer montierten und Harthausen überquerenden Flugzeuge Steigers Traum vom Fliegen geweckt haben.“ Hecks Geschichte „Der Flieger“ in Stichworten: Philipp (Robert Knebel) und Georg (Moritz Fischer) erörtern die Möglichkeit des Fliegens. Philipp: „Niemals!“ Georg: „Aber ...“ Elisabeth (Conny Knebel) schlichtet den Streit philosophisch: „Du fährst doch auch mit dem Pfefferminzbähnel, obwohl dir der Herrgott keine Räder gegeben hat.“ Prompt donnerte am Freitag ein Doppeldecker über den Uchizy-Platz und „stürzt hinner de Kärsch“ ab. Frauen und Männer bergen den tapferen Piloten, bringen ihn mit der Mistkarre ins Dorf, reden, streiten sich, verdächtigen einen Franzosen der Spionage, gedenken Prinzregent Luitpold. Das Ende: Philipp hilft beim Abflug, bleibt am Propeller hängen, fällt vom Himmel in Kellers Mistgrube, wurde so der erste Flieger von Harthausen. Vor „Schuckeria“ – Samstag spielte „Anton aus Tirol“, Sonntag die Swingband, Montag die Blütenweg Jazzer – in den Tabakschuppen, die „Andalusischen Impressionen“ von Angelika Brückner angucken. Aus altem Holz sind die Skulpturen und Menschen von Rudolf Sichling, die ebenfalls im Tabakschuppen zu sehen sind. Material, Form suggerieren Bewegung, die Maserung erzählt von Lebensspuren. Aus der großen Bandbreite der motorisierten Attraktionen am Sonntagmorgen zwei „Franzosen“: Der „Amilcar CGSs“ und „Salmson S 4“, auch Rivalen auf den Rennstrecken. Den rechtslenkenden Amilcar mit Kompressor steuerte Walter Henigin von Rheinzabern nach Harthausen. Gebaut wurde der schmale, enge, „nur mit den Zehenspitzen zu fahrende“ Wagen in den Jahren 1924 bis 1939. Die Stückzahl schätzt er auf etwa 240. Erworben hat er ihn „im Großen und Ganzen gut erhalten“ vor 14 Jahren in England. In Deutschland seien noch zehn zugelassen. Geschätzter Liebhaberpreis rund 100.000 Euro. Besonderheit des Salmson, Baujahr 1939 (die Produktion wurde 1957 eingestellt), sind die zwei obenliegenden Nockenwellen und die Königswelle. Reiner Link aus Kapellen-Drusweiler fand ihn „zerlegt“ in einer französischen Fachzeitschrift, schraubte ein Jahr daran. Seines Wissens existieren von dem Modell in Deutschland noch drei. (län)

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