Speyer Die Monster sind los

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Römerberg

. Irgendwas stimmte nicht. Vor ein paar Wochen war Britta Gronbach mal wieder mit ihrem Hund unterwegs, als sie vor ihrem Haus in der Berghäuser Straße, direkt neben dem Zehnthaus, auf ungewohnte Hindernisse traf. „Ich musste plötzlich Slalom um Jugendliche laufen, die alle auf ihre Smartphones starrten. Ich wusste gar nicht, was los war.“ Los waren, wie im Rest von Deutschland, die Pokémon. Der Hype begann, als das amerikanische Unternehmen Niantic Labs am 13. Juli das Spiel Pokémon Go in Deutschland veröffentlichte. Durch GPS und Mobilfunkortung ermittelt das Spiel die Standortdaten des Spielers und positioniert ihn virtuell auf einer Landkarte, die auf dem Kartenmaterial von Google Maps basiert. Aus Sehenswürdigkeiten, Wahrzeichen und auffälligen Objekten wird eine virtuellen Spielwelt gestaltet. Gespielt wird in der Regel im Freien. Mit seinem Smartphone streift der Spieler durch die Straßen und sucht Pokémon, die per Zufallsprinzip in die virtuelle Landkarte des Spiels projiziert werden. Die kleinen Monster kann man dann fangen, trainieren und in virtuelle Kämpfe gegen andere Pokémon schicken. Aber warum treffen sich all die Spieler in Römerberg immer wieder vor dem Haus von Britta Gronbach? Ganz einfach: Direkt gegenüber, am Denkmal für die Toten der Weltkriege, findet sich eine sogenannte Arena, in der die Spieler ihre gesammelten Pokémon gegeneinander antreten lassen können. Während Nachbarn von Gronbach abends schon mal genervt aus dem Fenster riefen, dass jetzt endlich mal Ruhe sein solle, freut sich die junge Mutter über die aktiven Jugendlichen und Kinder. „Ich bin positiv überrascht, wie viele man plötzlich wieder draußen sieht, die sonst nur daheimsaßen“, sagt sie. „Sie schauen zwar noch aufs Handy, aber trotzdem sind sie an der frischen Luft.“ Ihr zehnjähriger Sohn sei vor kurzem mit einem Freund zehn Kilometer Fahrrad gefahren, weil das nötig war, um bei Pokémon Go ein Ei zum Platzen zu bringen. Findet man in den Straßen eines kleinen Ortes wie Römerberg aber überhaupt Pokémon, oder verstecken die Monster sich lieber in der Stadt? Zeit für einen Selbstversuch. Los geht es am Ortseingang von Heiligenstein, nach wenigen Metern schlägt das Smartphone Alarm: Direkt an der Kreuzung von Berghäuser und Germersheimer Straße lauert ein „Rattfratz“ im Gebüsch, die lila Ratte zeigt ihre Zähne. Ich wische über meinen Bildschirm und schmeiße einen Pokéball auf das Monster. Der Ball öffnet sich, saugt das Rattfratz ein und fügt es meiner Sammlung aus bisher sehr wenigen Pokémon hinzu. Weiter geht’s. Erst mal herrscht Leere auf den Straßen, ein Auto fährt vorüber, Monster sind keine zu sehen. Dann, gegenüber der Arena am Denkmal für die Toten der Weltkriege, flattert ein „Taubsi“ vor dem Brunnen auf und ab. Ich werfe mit Pokébällen um mich, der kleine Vogel will sich aber einfach nicht fangen lassen. Irgendwann klappt es dann doch, nur wenige Meter weiter geht mir noch ein Rattfratz ins Netz. Die nächste Arena ist gar nicht weit entfernt, am Alten Steinkreuz kann man seine Pokémon in den Kampf schicken. Arenen befinden sich nach Aussage von John Hanke, Geschäftsführer von Niantic, überall auf der Welt, auch an abgelegenen Orten wie dem Nordpol oder der Antarktis. Leider bin ich erst in Level drei, ab Level fünf darf ich zu den Wettkämpfen antreten, erklärt mir mein Handy. Ich muss also weiter fleißig sammeln. Weil die Straßen schon wieder leer gefegt sind, greife ich zu einem Trick, den Pokémon Go-Spieler anwenden können, die in einer Gegend mit geringem Pokémon-Vorkommen auf der Jagd sind: Ich aktiviere Rauch, mit dem man 30 Minuten lang wilde Pokémon anlocken kann. Jeder neue Spieler in Pokémon Go besitzt am Anfang zwei Rauchbomben. Ich zünde eine, prompt poppt ein „Sterndu“ auf dem Bildschirm auf, ein Wisch, und es gehört mir. Wenig später kann ich noch ein „Traumato“ und ein „Hornilu“ zu meiner Sammlung hinzufügen. Gerne würde ich meine Monster jetzt mal gegen andere Pokémon antreten lassen, aber noch immer bin ich in Level drei. Es dauert wohl noch eine Weile, bis ich mich das erste Mal bei Britta Gronbach vor die Haustür setzen kann, um mich mit anderen zu messen. Auch Gronbachs Sohn wird bald öfter vor die Tür gehen. Bisher hat der Zehnjährige das Spiel noch nicht auf dem Smartphone, sein Modell ist nicht modern genug. „Aber er hat bald Geburtstag“, sagt Gronbach. „Dann sind wir auch dabei.“

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