Speyer Eine eigene Welt aus schwarzem Samt

Eine Frau, die in ihrer eigenen Welt lebt – einer Welt aus schwarzem Samt: Diesen Eindruck vermittelte die kanadische Rocksängerin Alannah Myles bei ihrem Konzert am 20. September 2008 in der Speyerer Halle 101. Myles bot große Stimme im kleinen Kreis: Nur rund 150 Zuschauer sahen ihren Auftritt unter dem Motto ihres größten Hits „Black Velvet“.

Der größte Erfolg kam an diesem Samstag vor fast genau zehn Jahren als einzige Zugabe des rund eineinhalbstündigen Konzerts: Da sang die am ersten Weihnachtsfeiertag 1958 in Toronto geborene Musikerin das Lied, mit dem sie 1989 bekannt geworden war. Myles streckte „Black Velvet“, eine Bluesrock-Hommage an Elvis Presley, in der Halle 101 auf das Doppelte seiner ursprünglichen Länge. Es schien, als fühle sie sich nur bei ihrem großen Hit wirklich ganz daheim und wolle dieses wohlige Gefühl noch etwas länger als gewöhnlich auskosten. Zuvor hatte die Kanadierin auf der Bühne unter anderem erklärt, keine Plattenfirma wisse so genau, was sie mit ihr anfangen solle, und auf die Erfolgszahlen von „Black Velvet“ verwiesen. Dieses offenkundige und beinahe verzweifelte Klammern an das fraglos sehr gelungene Lied – es hatte schon einen ansatzweise tragischen Zug: So trugen nicht nur Myles’ damaliges Album und die ganze Tournee diesen Titel. Das Konzertplakat schmückte zudem ein Bild der jungen Alannah Myles, die 19 Jahre vorher ins Rampenlicht getreten war. Im Grunde ein Etikettenschwindel, denn viel Jugendliches hatte die Künstlerin ehrlicherweise nicht mehr an sich. Mehr noch: Die schlanke Frau, die da mit nur angedeuteten Tanzschritten und seltsam nach unten gerichtetem Blick die Bühne in Speyer betrat, erinnerte mit ihren angegrauten Strähnen im dunklen Lockenkopf nur von fern an die Alannah Myles zu Beginn ihrer Laufbahn. Die Erklärung: Sie war krank an diesem Abend. Die Nachwirkungen eines Schleudertraumas im Nacken schränkten ihre Beweglichkeit extrem ein. Zudem musste sie wegen einer starken Erkältung weit häufiger zu Taschentüchern als zum bereit liegenden Tamburin greifen. Diese Erkenntnis konnte unterschwelliges Befremden über Myles’ Vergangenheitsbeschwörung am Ende doch deutlich relativieren. Schließlich lieferte sie trotz widriger Umstände eine starke Leistung ab: Die Kanadierin sang großartig, mit enormer Wandlungsfähigkeit und Intensität in hohen wie tiefen Lagen. Ihr gut aufgebautes Konzertprogramm bot bekanntere Stücken von damals an den richtigen Stellen: den Rocker „Love Is“ zu Beginn und die Ballade „Lover Of Mine“ vor der Zugabe. Dazwischen lag eine gelungene Mischung aus Rock, Pop, Blues und Soul - mit einem klaren Höhepunkt: dem orchestralen und berührenden „Song Instead Of A Kiss“. Ihn präsentierte Alannah Myles mit Klavier- und Cellobegleitung, bevor sie souverän wieder zum Rock zurückkehrte. Dass ihre angeschlagene körperliche Gesundheit womöglich auch seelische Spuren hinterlassen hatte, hatte sich schon ein paar Tage vor dem Konzert in einem RHEINPFALZ-Interview angedeutet. Stellenweise dünnhäutig und sich in Sarkasmus flüchtend hatte Alannah Myles da auf Nachfragen zu „Black Velvet“ reagiert. Sie habe den Song neu aufnehmen wollen, aber eine Klausel in ihrem Plattenvertrag habe sie zwölf Jahre lang darin gehindert, hatte sie gesagt. Auch das Thema „One-Hit-Wonder“ war ihr erkennbar unangenehm: „Einen riesigen, mit dem ,Grammy’ ausgezeichneten, mehrere Millionen Mal verkauften, fünf Millionen Mal gespielten, unabänderlich beliebten Hit zu haben, ist so ein schwieriges Problem“, hatte sie mit beißendem Sarkasmus entgegnet, als müsse sie ihr Lied gegen ungerechtfertigte Angriffe verteidigen. Selbst auf die Frage nach einer eigentlich harmlosen Anekdote hatte Myles allergisch reagiert: Es heißt, sie habe die Originalfassung von „Black Velvet“ im Badeanzug aufgenommen, weil es zu der Zeit in Kanada extrem heiß gewesen sei und auch im Songtext eine „heatwave“ (deutsch: Hitzewelle) vorkommt. Kontakt —Jetzt sind Sie gefragt, liebe Leser: Waren Sie bei diesem Konzert dabei? Verbinden Sie eine Erinnerung mit Alannah Myles? Und wer sollte Ihrer Meinung nach unbedingt einmal (oder vielleicht auch noch einmal) in Speyer auftreten? —Schreiben Sie uns doch mal unter der E-Mail-Adresse redspe@rheinpfalz.de unter dem Betreff „Rock’n’Roll“ oder auf Facebook. Die spannendsten Beiträge greifen wir im Laufe unserer Serie auf.

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