Speyer Essen wie der Reformator

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Die Reformatoren, besser ihre Stellvertreter in der Gegenwart, haben in der Dreifaltigkeitskirche am Montagabend den Namensvettern und Namensbasen einen ausgegeben. Martin Bucer und Katharina Zell sowie der Protokollarius des Kaisers tischten Fastenspeisen auf. Namensgleichheit mit dem Vornamen genügte, geladen waren also alle Martins und Katharinas mit Begleitung, Verwandte oder Freunde.

„Ich wusste nicht, ob ich durfte. In der Zeitung hatte ich allein von Verwandten gelesen, und ich bin nur befreundet“, sagte eine der Nicht-Katharinas. Ein Anruf klärte die Sache. Eine lange Tafel war in der Kirche den Mittelgang hinunter gedeckt, quasi inmitten der Baustelle. Das gab dem Ganzen den Charme eines Picknicks, und die Möglichkeit, als „Vorspeise“ den Stand der Renovierungsarbeiten in Augenschein zu nehmen. Pfarrerin Christine Gölzer empfing in historischer Gewandung die Gäste. Dabei waren auch als Protokollarius des Reichstags zu Speyer, dicke Bündel von Protokollen am Gürtel befestigt, Pfarrer Ralph Gölzer, Matthias Folz als Bruder Michael – erster lutherischer Pfarrer in Speyer– und in echter elsässischer Tracht der Straßburger Pfarrer Rudi Popp als Martin Bucer, Reformator Straßburgs, und seine Frau Christine als Katharina Zell, tatkräftige Reformatorin und Fürsorgerin der Armen in Straßburg. In einer Spielszene unterhielten sie sich über die Ereignisse des Reichstags 1526. König Ferdinand von Böhmen, Bruder des Kaisers, hatte den Reichstag in dessen Vertretung geleitet und sich als strenger Katholik und Reformationsgegner im Gegensatz zu seinem Bruder unversöhnlich verhalten, was zu dem Protestationsschreiben von sechs Landesfürsten und 14 Reichsstädten an den Kaiser führte. Es gab eine Suppe – schließlich ist Fastenzeit – und Dampfnudeln. Abstinenz hielten die damaligen Reformatoren offenbar nicht für nötig, Fastenzeit hin oder er, also gab es nicht nur Wasser dazu, sondern auch Wein oder Bier. Fasten heißt auch nicht darben, so war die Gemüsesuppe dick und köstlich, und echte Dampfnudeln, selbstgemachte wie zu Hause, gehören eh zu den Pfälzer Leibspeisen. Verantwortlich für die leiblichen Genüsse waren Irmgard Meyer und Rudi Cesinger. „Die Suppe war nach einem authentischen alten Rezept. Es waren nur Sachen drin, die auch Anfang des 16. Jahrhunderts bereits in die Suppe kamen. Wir haben recherchiert, wie das mit Rosenkohl war – der kam erst kurz darauf auf – also nichts für die Suppe“, erklärte Irmgard Meyer. „Und wie war das mit Spargel?“ fragte eine Katharina. „Den gab es schon, sowohl grünen wie weißen“, wußte sie. Also durfte reichlich Spargel rein, außerdem Karotten, Lauch, Wirsing und einiges mehr, quer durch den Garten. Die Idee zum Essen der Martins und Katharinas hatte die Projektleiterin der Reformationsfeierlichkeiten der Landeskirche, Pfarrerin Mechthild Werner. Übrigens, die echten Martins und Katharinas waren an der Tafel in der Minderzahl – von den etwa 35 Gästen waren etwa sieben Katharinas und drei oder vier Martins, die andern waren Begleitpersonen.

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