Speyer Freundschaft zwischen verlorenen Seelen

„Das Herz eines Boxers“ ist eigentlich ein Theaterstück für Jugendliche. Am Freitagabend wollten es dennoch Erwachsene sehen. Als Kammerspiel führten es zwei Schauspieler der Frankenthaler Alten Werkstatt im Speyerer Zimmertheater auf.

Johanna „Jojo“ (Sina Weiß) hat eine Vespa gestohlen. Der Jugendrichter hat sie verurteilt, ein Zimmer in einem Altenheim zu streichen. Das von Leo (Werner Metzler). Ganze 20 Minuten dauert es, bis Leo redet. Jojo geht auch deshalb davon aus, dass ältere Menschen senil sind: „Was guckst du so, bin ich der erste Mensch, den du nach dem Krieg siehst?“ Über Leos Situation fällt sie ein scharfes Urteil: „Scheiße hier – ist wie im Knast.“ Und sie macht sich von der Leiter herab lustig über den alten Mann: „Ich streiche hier oben mal weiter, aber wenn ich den Russen sehe, gebe ich Bescheid.“ Leo begegnet dem Teenager mit Gelassenheit. Nach und nach erzählen sich beide ihre Lebensgeschichte: Jojo findet keinen Ausbildungsplatz, hat Liebeskummer und Probleme mit einem Mädchen in ihrer Clique. Dass Leo einst ein erfolgreicher Boxer war – er wurde „Roter Leo“ genannt – kommt ans Licht, als Jojo in einer Kiste ein paar rote Boxhandschuhe findet. Die Vergangenheit ruft Regisseur Jürgen Hellmann auch über die Akustik wach: Wumm, wumm, wumm – ein Herzschlag. Das Publikum wird mitgenommen in Leos Erinnerung: jubelnde Zuschauer, die den Ring säumen, die Stimme des Moderators, die Schritte der Boxer, das klatschende Geräusch der Handschuhe. Es ist der Sound der Vergangenheit eines menschlichen Lebens, fest verschlossen im Stundenglas. Wie alle Teenager ist auch Jojo sofort begeistert, wenn es um körperliche Überlegenheit geht. Leo erklärt sich bereit, sie zu trainieren, bremst sie aber auch aus, wenn es um die Glorifizierung einer Boxer-Existenz geht: „Es ist ein Beruf wie jeder andere auch. Man versucht, so schnell wie möglich Feierabend zu machen.“ Es gelingt den Schauspielern überzeugend darzustellen, dass diese beiden verlorenen Seelen Freunde werden. Und das in knapp 90 Minuten. Kitschig wird es dann, wenn sich Leo eigentlich umbringen will, ihm aber mit Jojos Hilfe die Flucht gelingt. Und zwar an einen Topos der Sehnsucht: Südfrankreich. „Das Herz eines Boxers“ entscheidet sich dann doch dafür, den Pfad des Realistischen zu verlassen. Der Schluss ist der einer Komödie.

x