Speyer „Ich bin da, um zu helfen“

Nachdem der Chefdirigent der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz Steffens, seine Teilnahme am Speyerer Beethovenfest kurzfristig abgesagt hat (wir berichteten ausführlich), springt sein Kollege Antonello Manacorda ein. Der Italiener leitet das Eröffnungskonzert am Donnerstag, 2. Juli, 19.30 Uhr, und das Abschlusskonzert am Sonntag, 5. Juli, 18 Uhr – beide in der Gedächtniskirche. Unsere Mitarbeiterin Anne Kirchberg hat mit Manacorda gesprochen.

Wann haben Sie die Anfrage erhalten, ob Sie die zwei Konzerte in Speyer dirigieren könnten?

Ich wurde vor etwa einer Woche freitags oder samstags von meiner Presseagentur angerufen, da die Solistin beim Abschlusskonzert, die Violinistin Isabelle Faust, und ich dieselbe Pressesprecherin haben und ich mit Isabelle vor etwa einem Monat gemeinsam ein Konzert hatte. Mir wurde zunächst berichtet, dass Karl-Heinz Steffens erkrankt sei und es sein könnte, dass ich die Anfrage erhalte, das Beethovenfest für ihn zu übernehmen. Kurz darauf kam dieser Anruf dann auch. Ihnen wurde in dem ersten Anruf gesagt, Karl-Heinz Steffens sei erkrankt, und nichts von Querelen zwischen ihm und dem rheinland-pfälzischen Kultur-Staatssekretär Walter Schumacher erzählt? Nein, davon habe ich keine Ahnung. Ich hatte nie persönlichen Kontakt mit Karl-Heinz Steffens. Wir wissen zwar gegenseitig, wer wir sind, aber direkt kennen wir uns nicht. Deshalb weiß ich von der ganzen Geschichte nichts, aber das ist vielleicht gut so. Ich bin da, um die Konzerte zu dirigieren und helfen zu können, weil so kurzfristig Ersatz gesucht wurde. Das ist meine Tätigkeit bei der Veranstaltung. Vielleicht ist darum auch besser, wenn ich diesbezüglich nicht nachfrage. Als Chefdirigent von zwei Orchestern kenne ich solche Situationen. Kleinere und manchmal größere Reibereien sind vollkommen normal. Haben Sie gleich zugesagt? Ja, weil ich ein großer Beethoven-Fan bin und seine Stücke schon sehr häufig dirigiert habe. Als ich nach dem Telefonat auflegte und alleine war, kam mir erst, wie viel ich dafür noch vorbereiten muss. Denn ich bin gerade in meiner freien Zeit, in der ich die Planung für die nächste Saison mache und viele Partituren lernen muss. Mir kamen Bedenken, ob ich beide Konzerte tatsächlich übernehmen kann oder vielleicht doch nur eines schaffe. Nachdem ich mit dem Orchester gesprochen hatte, war mir klar, dass wir das in vier Tagen Probezeit hinkriegen, und ich sagte definitiv zu. Wie vertraut sind Sie mit den Konzerten? Ich habe sehr viel Beethoven dirigiert, unter anderem zweimal seine kompletten Symphonien. Gerade im vergangenen Jahr veranstalteten wir in Potsdam solch einen viertätigen Marathon mit allen neun Symphonien. Ich kenne die Werke somit sehr gut. Trotzdem ist es immer dasselbe: Öffnet man eine Partitur, ist man verblüfft, wie viel man nicht weiß, obwohl man zahlreiche Aufführungen damit hatte. Deswegen öffnete ich die Partituren sofort nach dem Telefonat, und sie begleiteten mich die folgenden Tage auf meinen Reisen. Ich nutzte jede freie Minute, um einen Blick in die Partituren zu werfen. Können Sie in der Kürze der Zeit eigene Akzente bei den Aufführungen setzen? Selbstverständlich, sonst hätte man mich nicht gefragt. So etwas entsteht bei den Proben von alleine. Man könnte sogar in einer Probenzeit von nur fünf Minuten eigene Akzente setzen. Ich bin außerdem sehr gespannt, was mir das Orchester anzubieten hat. Mir ist es immer wichtig, dass ich nicht vor den Musikern stehe und ihnen sage, wie etwas zu sein hat. Ich lege viel Wert auf einen Dialog, und mit vier Probetagen bleibt uns ja nicht gerade wenig Zeit. Das Orchester hat diese bekannten Stücke wahrscheinlich ebenfalls in seinem Repertoire, jeder kennt diese Symphonien und Konzerte von Beethoven. Rein technisch sollte es also keine Probleme geben, und wir stoßen vielleicht höchstens auf ein paar Kleinigkeiten, die es zu ändern gilt. Aber wenn man die Partituren kennt, lassen sich schnell Akzente setzen. Wie gehen Sie an Ihre Arbeit heran, wenn Sie ein Orchester wie die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz gar nicht kennen? Bei mir herrscht zuvor stets eine große Spannung, und zwar bereits am Abend zuvor. Ich frage mich, wie die Leute wohl sein werden – denn obwohl solch eine Situation für uns alle zwar normal ist, ist es eine absurde Sache: Musik ist solch ein intimes und empfindliches Mittel. Es gibt kein direkteres Kommunikationsmittel, und man erweckt sie zum Leben mit Menschen, die man zuvor nicht kannte. Das ist sehr interessant. Normalerweise dirigiere ich zu Beginn einen Satz komplett, sodass man sich ein bisschen gegenseitig herantastet und ich verstehe, wo die Energiewellen des Ensembles liegen. Nur so weiß ich, womit ich arbeiten kann. Und die Musiker benötigen diesen Einstieg, um zu schauen, ob sie mich verstehen. In jedem Fall ist es eine spannende Angelegenheit. Freuen Sie sich also auf Ihren kurzfristigen Einsatz in Speyer? Total. Das sind zwei Programme mit außerordentlich tollen Konzerten, zudem darf ich mit Isabelle Faust, einer der weltweit besten Geigerinnen, zusammenarbeiten – was will man mehr? Die Veranstaltung wird sicher ein großer Publikumserfolg, denn Beethoven spricht jeden an, ob man will oder nicht. (akk)

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