Speyer „Ich darf nicht spekulieren“

Dass der Gaspreis am Weltmarkt zuletzt in den Keller gerauscht ist, wirkt sich nicht eins zu eins auf die Versorgungstarife der Stadtwerke Speyer aus. Geschäftsführer Wolfgang Bühring erklärt im Gespräch mit Patrick Seiler die Gründe und spricht über die Zukunft des Lokalversorgers.

Herr Bühring, der Ölpreis fällt und fällt, und der Gaspreis ist teilweise daran gekoppelt. Wann werden die Stadtwerke den Gaspreis senken?

Bei der Grundversorgung haben wir zuletzt am 1. Oktober 2013 die Preise gesenkt, die Sondervertragskunden konnten sich im Oktober 2014 zum zweiten Mal in Folge über Treueboni freuen. Das wollen wir auch in diesem Jahr wieder bieten, wenn der Aufsichtsrat zustimmt. Nun sind die Preise aber seit Oktober weiter gefallen … Richtig. Man kann zwar grundsätzlich nicht mehr wie früher von einer Kopplung der Gas- an die Ölpreise sprechen, da gibt es etwa seit 2010 eine eigenständige Marktentwicklung. Aber tatsächlich sind beide Kurven gerade im Dezember deutlich nach unten gegangen – parallel, warum auch immer. Wir haben allerdings die Eindeckung mit Gas für ganz 2015 im Oktober nahezu abgeschlossen. Wir sprechen wöchentlich mit unseren Handelspartnern über unsere Einkaufsstrategie, aber dieser Preisverfall war noch vor zwei Monaten so nicht absehbar. Außerdem sind wir verpflichtet, rechtzeitig für unsere Vertragskunden einzukaufen. Ich darf gar nicht auf fallende Preise spekulieren. Wenn das schiefginge, müsste mich mein Aufsichtsrat rauswerfen. Sehen die Kunden solche Erklärungen ein? Ganz überwiegend, zuletzt sind nicht allzu viele Nachfragen gekommen. Wir spüren großes Vertrauen, auch weil wir dafür etwas tun: Wir betreuen gut, gehören zu den günstigsten Versorgern und weisen auf die jeweils günstigsten Möglichkeiten hin. Wir haben Sonderverträge nicht nur für den Fall in der Schublade, dass preissensible Kunden kommen. Wir werden uns in diesem Jahr ganz genau ansehen, wie wir flexibel auf die Preissituation reagieren können. Denkbar ist zum Beispiel, dass es bei Bedarf einen neuen Festpreistarif gibt, mit dem Kunden etwa für zwei Jahre das günstige Preisniveau mitnehmen können. Welche Entwicklung ist bei den Strompreisen zu erwarten? Die Strompreisbildung ist sehr komplex geworden. Nur 23,3 Prozent sind über Beschaffung und Vertrieb direkt von uns beeinflussbar. Dazu vertreten wir zwei Drittel der Netzentgelte, aber ein Drittel davon gehört zu vorgelagerten Netzen und ist zuletzt erhöht worden. Wir müssen seit Jahren steigende Abgaben kompensieren und mussten zuletzt auf Gewinnmarge verzichten, um das zu schaffen. Anfang 2014 gab es eine deutliche Steigerung aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, Anfang 2015 in Sonderverträgen eine leichte Preissenkung. Wie preissensibel sind die Speyerer mehr als ein Jahrzehnt nach der Liberalisierung des Energiemarktes? Der Wettbewerb ist enorm, und die Kunden sind schon preissensibel geworden. Wir wollen günstige Preise für die Speyerer und bessere Pakete als reine Online-Dienstleister bieten. So hat sich das Haushaltssegment stabilisiert: Beim Strom gibt es weniger als sechs Prozent, beim Gas weniger als fünf Prozent Wechselkunden. Da sind andere kommunale Versorger deutlich schlechter dran. Kann man diese Abwanderung kompensieren? Durchaus. 25 Prozent unseres Haushaltsgeschäfts machen wir mittlerweile außerhalb Speyers. Wir haben dort 7000 Strom- und 1500 Gaskunden und weitere gut 2000 Lieferstellen in Wohnungsbaugesellschaften außerhalb Speyers. Im Gewerbe- sowie Industriegeschäft machen Kunden außerhalb der Stadt für uns inzwischen 30 bis 40 Prozent aus. Wir haben Firmen wie Marché Mövenpick, Odenwald-Früchte und Rübezahl-Schokoladen als Kunden. Mehr Konkurrenz, geringere Margen – was bedeutet das für die Ertragssituation der Stadtwerke? Wir hatten zuletzt sehr gute Ergebnisse, wissen aber, dass das künftig wohl weniger werden wird. Zuletzt 4,9 Millionen Euro Gewinn bei 87 Millionen Euro Bilanzsumme waren außergewöhnlich, künftig werden drei Millionen realistischer sein. Es wird einen Mengen- und Margenverlust geben und auch weitere Investitionskosten, um die mit der Klimaleitlinie des Stadtrats gesetzten Ziele zu erfüllen. Wir wollen das nicht einfach passiv hinnehmen, sondern aktiv am Markt auftreten. Mit welchen Maßnahmen? Wir wissen, dass das klassische Vertriebsgeschäft an Bedeutung verliert, und wollen daher zum Systemdienstleister werden. Wir helfen Kunden, Energie einzusparen und mit uns zusammen selbst Energie zu produzieren, etwa über Mini-Blockheizkraftwerke. Wir machen Angebote wie den Heizungseinbau und die technische Betreuung für Kunden, wir wollen ihnen das Pachten von Photovoltaikanlagen anbieten. Die Klimaziele der Stadt sind auch Ursache dafür, dass Sie in Windkraftanlagen investieren. Dafür sind aber 2015 weniger Investitionen vorgesehen als 2014. Woran liegt das? In diesem Jahr konkret an Genehmigungsverfahren. Wir haben in Hatzenbühl den Zuschlag für fünf Anlagen erhalten und waren davon ausgegangen, sie alle schon 2015 bauen zu können. Jetzt ist der Vorlauf länger als erwartet, und für den fünften Standort sind weitere Vogelschutzgutachten erforderlich, weil es dort einen brütenden Kiebitz gibt. Auch in Langwieden haben wir ein Baufenster, sind aber im Rechtsstreit, weil uns ein anderer Projektierer rausdrängen will. Wir können die geplanten Investitionen mit Zustimmung des Aufsichtsrates bei Bedarf aber zügig erhöhen. Die Windkraftaktivitäten bündeln wir in einer separaten Tochtergesellschaft. Für weitere Windkraft-Projekte prüfen wir auch die Möglichkeit, zusammen mit anderen Stadtwerken als Gruppe am Markt aufzutreten. Und was macht das geplante Windrad zwischen Dudenhofen und Römerberg? Dudenhofen will das nicht, und wir wollen eine gute nachbarschaftliche Beziehung. Das treiben wir nicht mehr voran, es sei denn die Gemeinden würden später selbst einmal Interesse bekunden.

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