Speyer Lustiger Weltschmerz

„Hallelujah“: Das Programm der Oldenburger Musik-Kabarettisten Simon und Jan hat die Besucher der ausverkauften Speyerer Heiliggeistkirche restlos begeistert. Mit akustischen Gitarren, einigen elektronischen Effekten und selbst geschriebenen Texten haben die diesjährigen Anwärter auf den internationalen Radio-Kabarett-Preis „Salzburger Stier“ einen Glanzpunkt im Kulturbeutel-Festival gesetzt.

Sie hätten damit gerechnet, dass die Konzertbesucher in der Überzahl seien, sagte Jan. „Aber so deutlich?“ Seine köstlich gemimte Verzweiflung zog sich durch den Abend voller leiser Töne und bitterbösem Spott. Das Lied des Duos über gescheiterte Künstler bestand aus einer Zeile: „Andy war hohl.“ Und über Kunst, die weg kann, fiel Simon und Jan spontan ein Name ein: Helene Fischer. Statt Kunst gegen Nazis einzusetzen, empfahlen sie, mit ihnen zu batiken. „Eine Mutter kann nicht helfen bei so vielen lockeren Schrauben“, so die Beschreibung aktueller politischer Ereignisse. Schräge Verse, schonungslos, aber nie mit dem erhobenen Zeige- oder gestreckten Mittelfinger, souveräne Stilwechsel und Gitarren-Arrangements auf höchstem musikalischem Niveau zu zweistimmiger Gesang-Harmonie – Simon Eickhoff und Jan Trajan erwiesen sich als Ausnahmekünstler der Extraklasse. Die Oldenburger scheuten sich nicht, auch große Gefühle auf die Bühne zu bringen. Selbstironisch und – wie ihre berührende Leonard-Cohen-Hallelujah-Interpretation – ganz ernst. Der Tod des berühmten kanadischen Singer-Songwriters habe sie auf ihrer Tour getroffen, erzählte Trajan. Dem Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart setzten Simon und Jan ein Denkmal mit der Schilderung einer Kindheit voller elterlicher Zwänge, unterbrochen vom Thema des Rondo alla turca aus KV 331, das das Duo mit seinen Gitarren grandios präsentierte. Instrumente, die sie nicht dabei hatten, erzeugte Eickhoff mit Loopstation und Beatbox selbst. „Vergesst bitte nie, wo ihr herkommt. Ihr müsst immer an Eure Wurzeln denken.“ Dieser Satz habe sie seit Beginn ihrer Karriere begleitet, sagte Trajan. „Wir haben uns gedacht: Was soll denn das? Oldenburg?“ Jans Rührseligkeit kam gut an. Seine misanthropische Schonungslosigkeit, manchmal kurz unter wunderschönen Harmonien versteckt, auch. „Mein Leben ist ein Ponyhof. Aber leider find ich Ponys doof“, sang er voller umwerfend komischer Larmoyanz. Und Simon begleitete den Weltschmerz seines Freundes auch hier mit Gitarre und Bariton-Zweitstimme. Viel Nebel rundete das Bühnenbild ab. Bayerns CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder, für Simon und Jan der letzte Kreuzritter, widmeten die Musik-Kabarettisten ein Lied, in dem es hieß: „Jesus schmeckt nach Esspapier.“ Die Auseinandersetzung mit Religion und Logik und die musikalische Frage, was die Hormone eigentlich zwischen Pubertät und Midlife-Crisis machten, brachte dem Duo mehrfachen Zwischenapplaus ein. „Leider geil.“ Der „Deichkind“-Hit, den Simon und Jan in einer großartigen Akustik-Version präsentierten, überschrieb das Konzert trefflich. In vielen Zugaben teilte das Duo seinen über allem schwebenden Weltschmerz mit dem gerne am Zusatzprogramm mitwirkenden Publikum. „Ach Mensch“, sangen Simon und Jan. „Ach Mensch, schon zu Ende“, bedauerten ihre alten und neuen Fans.

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