Speyer „Molemol“ mit Mutterwitz

„Das Leben auf der richtigen Rheinseite fühlt sich nach Zuhause an“, sagt Karin Bury. Vor zehn Wochen ist die 52-jährige Schwarzwälderin nach Schifferstadt gezogen. In Speyer ist sie seit fünf Jahren nahezu täglich. Bei der Lebenshilfe Speyer-Schifferstadt leitet die Künstlerin die Malgruppe „Molemol“.

Vor 32 Jahren habe sie den Schwarzwald für ihr Studium der Kunst und Kunstgeschichte verlassen, sagt Bury. „Aber meine Heimat ist er geblieben.“ Weder an der Werkkunstschule in Biberach noch an der Uni Heidelberg, wo die Kunsthistorikerin promoviert hat, sei sie richtig heimisch geworden. Erst die Liebe zu einem Pfälzer habe sie über den Rhein geführt. „Hier bin ich gerne hängengeblieben“, erklärt sie das Lebensgefühl, das die Schwarzwälderin mit den Pfälzern verbindet. Hinzu komme ihre Liebe zu Dialekten, in denen sie sich gerne versuche. Bessere Lehrmeister des Pfälzischen als die „Molemol“-Künstlerkollegen kann sie sich nicht vorstellen. Mit „Sach mol Brezelfest“ habe die Lektion begonnen, die ihr Pfälzisch mittlerweile ziemlich perfektioniert habe. „Molemol en Zwerg, molemol en Hund, molemol e Haus“, sei sie in jeder Malstunde gebeten worden, weist die Leiterin auf die natürliche Entstehung des Namens hin, mit dem sich sämtliche Teilnehmer voll und ganz identifizierten. „Molemol“ bestehe aus drei Gruppen, die sie donnerstags sechs Stunden anleite. Dienstage und Freitage im Lebenshilfe-Atelier seien seit Ende März hinzugekommen, zählt Bury ihre Aktivitäten bei der Lebenshilfe auf. Die Jugendkunstschule des Rhein-Pfalz-Kreises habe sie mit aufgebaut, biete VHS- und Ferienkurse für Erwachsene an, gehöre dem Kunst- und Kulturverein Römerberg an und arbeite hauptberuflich als freie Künstlerin. „Mein größtes Anliegen ist es, für die Kunst zu begeistern“, betont sie. Bei „Molemol“ hat das geklappt. Als ein Nachfolger für den Lebenshilfe-Malgruppengründer Theo Ofer (Harthausen) gesucht worden sei, habe sie sich beworben, beschreibt Bury ihren Weg zu Molemol. Zuvor habe sie bereits mit lernbehinderten und mit verhaltensauffälligen Jugendlichen sowie mit Senioren gearbeitet, mit geistig Behinderten noch nicht, spricht die Künstlerin von ihrer größten beruflichen Herausforderung. „Es macht ganz besonderen Spaß, mit besonderen Menschen zu malen“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen, die sie seit fünf Jahren in Speyer sammelt. Die bedingungslose Akzeptanz und die Bereitschaft der Malgruppe, sich auf Personen und Anforderungen einzulassen, habe sie sehr angerührt, sagt Bury. Anfangs habe sie ein Konzept für jede Malstunde mitgebracht, aber bald festgestellt, dass das die Teilnehmer nicht motiviert. „Sie lassen sich nicht vorschreiben, was sie zu malen haben.“ Schnell habe sie gelernt, sich darauf einzulassen: „Mit einer Lehrstunde in Toleranz hat das Abenteuer seinen Anfang genommen.“ Gegenseitiger Respekt werde groß geschrieben, längst nicht jedes Kunstwerk dürfe verkauft werden, wer nicht mitmachen wolle, müsse nicht, Spaß an der Sache sei das Wichtigste, macht Bury deutlich, was das Vertrauen ihrer Lebenshilfe-Künstlerkollegen in sie begründet. „Manches Talent haut mich um“, weist die Künstlerin auf außerordentliche Begabungen mancher Künstler hin, auf den Mutterwitz, der in den Ateliers an der Tagesordnung sei, auf viel Konzentration und Disziplin sowie auf die Vorliebe der meisten Molemol-Künstler für deutsche Schlager. „Wenn ich ihnen Jazz vorspiele, winken sie nur ab“, erzählt Bury vom vergeblichen Mühen um offene Ohren für ihre musikalischen Vorlieben. „Dafür ernte ich allenfalls Mitleid.“ Gemeinsam mit ihrem Spiele erfindenden Ehemann plant die Künstlerin, mit Molemol beispielsweise Logik-Legespiele anzufertigen und anschließend im Lebenshilfe-„Lädchen“ zu verkaufen. Besondere Keramik soll außerdem unter den Händen ihrer Kollegen in Speyer entstehen. „Bei unserer nächsten Ausstellung wird der erste Krabbelkäfer zu sehen sein“, kündigt die 52-Jährige an, für die ein Leben ohne Molemol inzwischen längst unvorstellbar geworden ist.

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