Speyer „Neue“ Müllabfuhr in der Altstadt: Bürger sind stinkig

Von Bewohnern ungeliebt: Mülltonnen-Sammelpunkte wie diesen in der Schöngasse. Bürger müssen die Gefäße dort hinbringen.
Von Bewohnern ungeliebt: Mülltonnen-Sammelpunkte wie diesen in der Schöngasse. Bürger müssen die Gefäße dort hinbringen.

Der Saal im Obergeschoss des Hauses Trinitatis in der Johannesstraße ist übervoll am Dienstagabend. Um die 150 Personen haben sich eingefunden. Sie wollen hören, was Stadtwerke (SWS) und Stadtverwaltung zum Thema Abfallentsorgung in der Altstadt zu sagen haben. Seit einigen Wochen werden Tonnen und Säcke in bestimmten Straßen nicht mehr vor dem Haus abgeholt. Jetzt sollen Sammelpunkte die Lösung sein. Die Anwohner sind stinkig.

Viele Bürger sind vorbereitet, haben Notizen oder ausgedruckte Unterlagen dabei. Verärgert sind sie nicht nur über die Änderungen, sondern auch über die nicht funktionierende Technik im Saal und über die Tatsache, dass Stadtwerke-Chef Wolfgang Bühring den Termin nicht wahrnehmen kann. Peter Nebel (Teamleiter Entsorgung der SWS) übernimmt die Rolle des Erklärers. „Suboptimal gelaufen“ sei der Einstieg in eine veränderte Abfuhr, lenkt Dezernentin Stefanie Seiler (SPD) ein. Das gelte auch dafür, dass vergessen wurde, die Anwohner im Halben Dach für die Versammlung am Dienstag einzuladen. Informiert sind sie dennoch, wie die Anwesenheit einiger Anlieger zeigt. Seiler wiederholt, was zu der Einführung der Sammelpunkte geführt hat (wir berichteten), verweist auf Veränderungen durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), die zu Recht von den Müllwerkern eingefordert worden seien. Ein Anwohner aus der Widdergasse meldet sich später zu Wort und rückt zurecht, dass die im Anschreiben an die Bürger als „neu“ deklarierte Regelung bereits seit 2012 gelte. Seiler spricht von einem bekannten Problem, von zugedrückten Augen, von nicht langfristig praktikablen Testläufen, bei denen die Tonnen als Vollservice von den Müllwerkern einzeln aus den Gassen geholt wurden und bei denen ein Kleinfahrzeug getestet wurde. Die Anwohner bleiben unzufrieden. Auch SWS-Teamleiter Nebel kann sie nicht beruhigen. Er bestätigt, dass seit mehr als 30 Jahren 27 Straßen laut Abfallsatzung eigentlich von der Befahrung durch Müllwagen ausgenommen sind. „Es wird schon irgendwie gehen“, habe das Motto gelautet. Die Empfehlungen der DGUV seien aber weitreichender geworden, hätten 2018 das Rückwärtsfahren als Widrigkeit deklariert und die Stadtwerke hätten – nach erneuter Prüfung – 26 Straßen als zu gefährlich eingestuft. Betroffen seien 528 Haushalte. Das Raunen im Saal wird lauter. „Das Thema ist so lange bekannt, dass ich nicht nachvollziehen kann, dass wir innerhalb von einer Woche vor vollendete Tatsachen gestellt werden“, kritisiert ein Anwohner. Etliche stimmen laut zu. Norbert Herbel, wohnhaft im Halben Dach, hat sich mit der gesetzlichen Lage auseinandergesetzt, präsentiert Fotos von Engstellen, Messungen und Auszüge aus Regelwerken. Seine Quintessenz: „Es gibt auch kleinere Fahrzeuge.“ Die Stadt Erlangen habe damit gute Erfahrungen gemacht. Wissen haben auch andere: „Landau bietet den Vollservice“, heißt es. Wie das finanziell und personell geregelt wird, ist nicht bekannt. „Wir werden uns im Werkausschuss über mögliche Maßnahmen unterhalten“, wirft Seiler ein. Eine Umstrukturierung müsse finanziert werden. „Und das“, fügt sie an, „funktioniert nur über den Gebührenhaushalt.“ Das Geld ist Hauptthema bei Nebel. Sieben Umsetzungsideen führt er an. Vollservice mit Umlegung der Kosten auf die direkten Anwohner bedeute 159 Euro mehr pro Haushalt und Jahr. Er erntet höhnisches Gelächter. Der Einsatz von Kleinst- und Kleinfahrzeugen bedeute mehr Arbeitsstunden und finanziellen Mehraufwand von mehreren 10.000 Euro, sagt Nebel. Sammelpunktstellen nennt er als bevorzugte Variante. Wer einen Behindertenausweis mit der Kennzeichnung „G“ vorlege, erhalte Vollservice. Dann bringt Nebel eine neuen Stein ins Rollen: „Wir prüfen mittelfristig die Einrichtung eines Zonenhalteverbots in der ganzen Altstadt. Das würde alle Straßen wieder befahrbar machen.“ Geruchs- und Lärmbelästigung, Brandgefahren sowie Rattenproblematik sind die Hauptpunkte der Anwohner – abgesehen vom Aufwand für den Transport der Tonne zum Sammelpunkt. „Der Zustand der Stübergasse ist katastrophal – sie wird im Winter nicht geräumt“, schildert eine Frau Probleme beim Hinaufziehen der Mülltonne. Seiler kündigt an, zu jedem Straßenzug vor Ort zu kommen. Fragebogen soll es geben. „Wir können weder ein Fahrzeug, noch mehr Personal für Vollservice aus dem Ärmel schütteln“, betont sie. Sammelpunkte sollen nicht an Häuserfronten entstehen, sichert sie zu und ergänzt: „Die Diskussion ist mit heute nicht abgeschlossen.“ Die Anspannung im Saal lässt das vermuten.

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