Speyer Resolute Energie und kluge Gestaltung

Gar nicht nach verstörender moderner Musik hat sich das zweite Konzert der Reihe „Kontrapunkte“ am Sonntagabend im Historischen Ratssaal Speyer auf weiten Strecken angehört. Die vielseitige und stimmstarke Sopranistin Hiltrud Kuhlmann kombinierte Gesänge des britischen Barockmeisters Henry Purcell mit feinstufigen Liedfolgen des 1929 geborenen Amerikaners George Crumb.

Hauptwerk war Crumbs halbstündige Folge „Apparitions“: Diese „Erscheinungen“ thematisierten mit kurzen Gedichten Herkunft, Nacht, Tod und Stille. Der Komponist will dabei an das Attentat auf Abraham Lincoln gedacht haben. Stimmungsvolle, ruhig abgeklärte, in sich geschlossene Bewegungen standen im Vordergrund. Kuhlmann ließ sie in sanft oszillierendem Schimmern und feinsinnigen Sentenzen aufklingen. Motorisch voran treibend und kraftvoll resolut gelang ihr das doppelbödige Freierin-Lied, bevor der Schlussgesang in feinen, wellenartigen Bewegungen verebbte. Als Zwischensätze gaben drei Vokalisen Muße zu emotionaler Distanz. Christine Rahn brachte sich am geöffneten Flügel mit hoher Tastenkraft, aber auch pointiertem Zupfen in die Saiten sehr klangplastisch ein. Die in Würzburg und Köln ausgebildete Sopranistin überzeugte mit breitem Ausdrucksspektrum. Ihr fülliges Volumen variierte sie von dramatischer Intensität bis zu sensitiven, feinsinnigen Ausklängen. Mit ihrer resoluten Energie und ihrer klug proportionierenden Gestaltungsfähigkeit empfahl sie sich für größere Aufgaben. In den Purcell-Nummern fand Kuhlmann mit leichtem Tonfall in die madrigalesken Gesänge. Höchste Höhen erstieg sie in der „Abendhymne“ mühelos. Die Schmerz-Lieder gelangen in expressiver Trauer. Höhepunkt war das Dido-Lamento, das die Sängerin in ausladendes Klagen und am Ende dann doch in fein gestufte Ergebenheit führte. Kristian Nyquist begleitete am Cembalo mit filigraner Feinheit, aber dennoch hoher Klangfarblichkeit. Drei frühe Lieder Crumbs griffen zwischen den Purcell-Gesängen ebenfalls elegische Bereiche um Nacht und Vergessen im zarten und schlichten Gestus auf. Schließlich hob Kuhlmann noch eine eingängige Nietzsche-Vertonung von Peter Heeren aus der Taufe. Der bei dieser Uraufführung seines zehnminütigen Strophenzyklus „Der geheimnisvolle Nachen“ anwesende Komponist brach in seiner anekdotischen Einführung sogar eine Lanze für die konventionelle tonale Basis. Seine vierstrophige Folge um Wachen und Schlaf ließ sich freitonal mit leichten Dissonanzen an und arbeitete traditionell klangsymbolisch: mit nervig-schnellen Wiederholungsfiguren für die Schlaflosigkeit und expressiven Aufwallungen für die Blut-Vision. Kuhlmann mobilisierte höchste Soprankraft, durfte die Vertonung dann aber in weicher Lyrik ausklingen lassen.

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