Speyer Stadtgeschichte(n): Verkehrslärm vor mehr als 100 Jahren – mit Risiken und Nebenwirkungen

Ein Fuhrwerk um 1900 in Speyer.
Ein Fuhrwerk um 1900 in Speyer.

Verkehrslärm erregt nicht erst in jüngster Zeit die Gemüter. Er war auch schon Thema, als Fahrzeuge nicht alle motorisiert waren. Vor mehr als 100 Jahren erschreckten Fuhrleute Anwohner mit Peitschenknallen. Ein Motorwagen ließ Häuser „erzittern“ – mit Risiken und Nebenwirkungen.

Speyer galt um die Wende zum 20. Jahrhundert „vorbildlich für einen motorbetriebenen Personen-Linienverkehr“. Die erste unterhielt die „Speyerer Motorwagen-Gesellschaft“ zwischen 1899 und 1911 mit fünf Daimler-Omnibussen auf 17 Linien zu den umliegenden Dörfern, zum Hauptbahnhof, zum neuen Friedhof und zur Rheinhäuser Fähre. Start und Ziel war das Königliche Oberpostamt (heute Postgalerie) und vor dessen Einweihung 1901 die „Alte Münz“.

Die Omnibusse hatten 14 Sitzplätze und zogen bei Bedarf einen Anhänger mit 20 Sitzen. Stammbesetzung waren der Fahrer, ein Schaffner und ein Kartenkontrolleur. Die je 12.000 Mark teuren Motorwagen wogen 8000 Kilogramm. Ihr Benzin-Motor beschleunigte sie auf 14 Kilometer pro Stunde. Obwohl sie ab 1904 auf Vollgummi-Rädern statt auf Eisenreifen fuhren, beschwerten sich Anwohner über Lärm und Sachbeschädigungen.

44 Durchfahrten täglich

Anders als ihre Mitbürger war die städtische Speyerer Polizei offenbar nicht stolz auf den „Fortschritt im Straßenverkehr“, wie die „Linienbeförderung im Deutschen Reich“ gepriesen wurde. Den Ärger der Ordnungshüter macht ein „Polizeikommissär“ deutlich. Am 7. Juni 1905 informierte er das „Königliche Bezirksamt“ in der Kreishauptstadt der bayrischen Pfalz wie folgt: „Nach gepflogenen Erhebungen und den gemachten Wahrnehmungen sind die in hiesiger Stadt vorgebrachten Klagen nicht unbegründet. Der zu den Stadtfahrten benutzte Motorwagen durchläuft die Eisenbahn- und Maximilianstraße täglich. Für die Eisenbahnstraße (spätere Bahnhofstraße) kommen täglich noch drei Fahrten nach Waldsee-Otterstadt und zurück in Betracht, so dass sie täglich 44 Mal durchlaufen wird. Bei jeder Durchfahrt erzittern die Häuser, das Gerassel ist für die Anwohner unerträglich. Die Folgen der Erschütterungen zeigen sich an Häusern. Der Zahnarzt Detzner gibt an, das wegen des Gerassels und der Erschütterungen schon Narkosen verunglückt seien.“

Der eine oder andere Unfall ist in Dokumenten des Stadtarchivs zu finden. 1910 geriet demnach „ein rechtsgesteuerter Omnibus der Speyerer Motorwagen-Gesellschaft m. b. H und ein Fuhrwerk der Speyerer Roggenmühle auf der Landstraße nach Otterstadt und Waldsee aneinander“. Die Polizei stellte „einigen Materialschaden“ fest.

Deichselbruch und ein stürzendes Pferd

Verkehrsunfälle verursachten auch Fahrer von Kutschen und Fuhrwerken. Die „Speierer Zeitung“ meldete im Mai 1907: „Eine Hochzeitskutsche kam in scharfem Tempo aus der Rossmarktstraße heraus, um auf die Hauptstraße einzubiegen. Ein Pferd stürzte, die Deichsel brach, die Gesellschaft kam indes mit dem Schrecken davon.“

Überhaupt fielen „Fuhrleute wiederholt unangenehm auf“, wie es in der genannten Zeitung hieß. „Sie erschrecken Anwohner und Passanten mit lautem Peitschenknallen.“ Weiter heißt es: „Das Peitschenknallen und das fürchterliche Getöse schwer beladener Lastwagen und die Tatsache, dass schon ein allerdings leerer Leichenwagen in raschem Tempo über die Straßen eilte, ist nicht länger hinzunehmen.“

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