Stolpersteine (1) Stolperstein-Verlegung: Das Schicksal des Speyerer Juden Ernst Mayer

Prägnante Häuserreihe in der Schützenstraße: Vor der Hausnummer 7 ganz rechts wird ein Stolperstein für Ernst Mayer verlegt. In
Prägnante Häuserreihe in der Schützenstraße: Vor der Hausnummer 7 ganz rechts wird ein Stolperstein für Ernst Mayer verlegt. In den 1960er-Jahren war auf ihm noch die Aufschrift von Mayers Firmennachfolger Philipp Back erkennbar.

Seit 2018 werden in Speyer Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Am 22. Oktober kommen 16 Steine vor sechs Häusern hinzu. Die RHEINPFALZ stellt in dieser Serie die Biografien der auf diese Weise Geehrten vor, die die Stolperstein-Initiative Speyer recherchiert und aufgeschrieben hat. Zum Auftakt: Firmenchef Ernst Mayer.

Der spätere Speyerer Kaufmann Ernst Mayer wird am 1. November 1875 in Niederhochstadt in der Pfalz als drittes von fünf Kindern des Kaufmanns Sigmund Mayer geboren. Er hat einen Halbbruder, Ludwig, 1869 geboren in der ersten Ehe des Vaters, und eine Halbschwester, Hermine (genannt Irma), geboren im Jahr 1874. Ein weiterer Bruder, Otto, wird 1877 und eine Schwester, Julie, 1878 geboren. Letztere stirbt mit 19 Jahren an Lungentuberkulose und ist auf dem Speyerer Jüdischen Friedhof beigesetzt.

Sigmund Mayer, geboren 1843, etabliert sich in Speyer mit der Firma „Alex Mayer, Weinhandlung, Branntweinbrennerei, Liqueur- und Essigfabrik“ in der Schützenstraße 7, benannt nach seinem Vater Alexander Mayer, der bereits in Niederhochstadt eine Brennerei gegründet hatte. Als Kaufmann, Gründer und Ehrenvorsitzender des Pfälzischen Spirituosenverbands dürfte Sigmund Mayer großes Ansehen genossen haben, auch erwarb er Verdienste in der jüdischen Fürsorgepflege. Aus Erzählungen von Zeitgenossen ist der Name „Schnaps-Mayer“ überliefert, unter dem der Geschäftsmann in der Stadt bekannt gewesen ist. Er stirbt mit 82 Jahren und wird ebenso wie seine zweite Ehefrau Bertha, geborene Scharff (1849-1924) auf dem Speyerer Friedhof beerdigt.

Söhne führen Firma weiter

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1926 übernimmt Ernst Mayer zusammen mit seinem Bruder Otto das Geschäft. Es wird in der Folge als „Alex Mayer Sohn, Dampfbranntweinbrennerei, Likör- und Essigfabrik“ bezeichnet. Am 19. Oktober 1929 tritt Otto Mayer per Vertrag aus dem Unternehmen aus; der bisherige Kontorist Philipp Back wird Mitinhaber. Otto folgt mit seiner Frau Mina, geborene Feitel, dem bereits vorher ausgewanderten älteren Halbbruder Ludwig (1869-1930) in die USA, wo er 1965 stirbt. Beide Brüder sind in Eunice, Louisiana, beerdigt.

1933 übergibt Ernst Mayer die Firma an seinen Geschäftspartner Philipp Back und scheidet mit sofortiger Wirkung aus. Das Anwesen in der Schützenstraße bleibt Eigentum von Ernst Mayer, wird dem neuen Inhaber gegen eine jährliche „Entschädigungszahlung“ überlassen und per Vertrag vererbt. Seiner Halbschwester Irma, die 1897 den Basler Bankprokuristen Raphael Zivi geheiratet hatte und nach dem frühen Tod ihres Ehemannes 1920 nach Speyer zurückgekehrt war, wird ein lebenslanges Wohnrecht im zweiten Stockwerk garantiert. Sie wohnt dort bis zu ihrer Emigration nach Basel im Juni 1933.

In Dachau interniert

Ernst Mayer lebt nach 1933 an dieser Adresse als „Privatier“. In Familienerzählungen wird er als freundlicher und vor allem den Kindern im Haus zugewandter älterer Herr beschrieben. Im November 1938 werden in der Reichspogromnacht Juden aus ihren Häusern getrieben und misshandelt. Ernst Mayer wird vom 12. bis zum 28. November im Konzentrationslager Dachau interniert. Am 30. November 1938 stellt er bei der Polizei Speyer einen Antrag auf einen Reisepass, um nach Basel in die Schweiz ausreisen zu können.

Die rechtzeitige Ausreise, vermutlich zu der Halbschwester Irma, glückt offensichtlich nicht. Am 22. Oktober 1940 wird er im Zuge der „Wagner-Bürckel-Aktion“ nach Südfrankreich in das Lager Gurs deportiert und von dort im Frühjahr 1941 ins Internierungslager Récébédou verlegt. Dort stirbt er am 7. Februar 1942 und wird auf dem Friedhof Portet-sur-Garonne bei Toulouse beerdigt. Eine Gedenktafel auf dem jüdischen Friedhof Speyer erinnert an ihn.

Termin

Für die diesjährige Verlegung der Stolpersteine in Speyer wurde mit dem 22. Oktober ein symbolträchtiges Datum gewählt. Es ist der Jahrestag der Deportation der pfälzischen Juden nach Gurs 1940. Stolperstein-Initiator Gunter Demnig kann diesmal terminlichen Gründen nicht dabei sein. Die ehrenamtliche Stolperstein-Initiative, Schüler des Edith-Stein-Gymnasiums und des Gymnasiums am Kaiserdom sowie städtische Vertreter verlegen die glänzenden Würfel mit den Lebensdaten der Opfer auf den Bürgersteigen vor deren letzten Wohnadressen in Speyer. Geladene Gäste treffen sich zuvor für einen Empfang im Rathaus, die öffentliche Verlegung beginnt gegen 10.50 Uhr vor der Maximilianstraße 96. Der weitere Zeitplan (jeweils mit geschätzten Anfangszeiten): 11.40 Uhr Maximilianstraße 78, 12.05 Uhr Wormser Straße 8, 12.40 Uhr Schützenstraße 7, 13.40 Uhr Landauer Straße 60, 13.50 Uhr Burgstraße 11. Aus der Feder der Stolperstein-Initiative mit Cornelia Benz, Renate Herrling, Katrin Hopstock, Jutta Hornung, Ingrid Kolbinger und Kerstin Scholl stammen die Texte für diese Serie.

Stolpersteine in Speyer: siebte Verlegung.
Stolpersteine in Speyer: siebte Verlegung.
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