Speyer Stolpersteine: Ein Messingstein für die „Eiserne Jungfrau“ des Eisenwarenhandels

Siedelten Anfang der 90er-Jahre des 19. Jahrhunderts nach Speyer um: Eugenie und Moritz Blum, hier wohl Mitte der 1870er-Jahre.
Siedelten Anfang der 90er-Jahre des 19. Jahrhunderts nach Speyer um: Eugenie und Moritz Blum, hier wohl Mitte der 1870er-Jahre.

Am Dienstag, 22. Oktober, werden Stolpersteine vor sechs Anwesen in der Speyerer Kernstadt verlegt. Sie erinnern an die Schicksale jüdischer Opfer des Nationalsozialismus, die einst in diesen Häusern lebten. Die ehrenamtliche Stolperstein-Initiative hat diese recherchiert und aufgeschrieben. Heute geht es um Betty und Eugenie Blum aus der Landauer Straße 60.

Ein Ehepaar baut sich ein Geschäft auf, zieht nach Speyer um, unterstützt die Bildung seiner Söhne und Töchter und akzeptiert die nicht-jüdische Partnerwahl sowie die Umzugs- und Auswanderungspläne ihrer vier Kinder. Während der Zeit des Nationalsozialismus aber erlebt die Familie Entrechtung, Demütigung, brutale Gewalt und Enteignung. Es sind einschüchternde Zäsuren im Lebenslauf, begleitet von Hoffnung und Verzweiflung.

Betty Blum wird am 6. März 1882 in Niederkirchen bei Kaiserslautern geboren. Ihre Eltern Moritz Blum (1850-1919) und Eugenie, geborene Fischel (1857-1934), betreiben dort eine Eisenwarenhandlung, die von den Großeltern Isac und Marianne Felsenthal gegründet worden war. Eugenie arbeitet im Geschäft ihres Mannes mit. Sie ist ebenso wie ihr Mann auf dem jüdischen Friedhof beerdigt.

Zeit in London

Betty wächst mit ihrer älteren Schwester Martha (geboren 1878), der jüngeren Lisa (1885) und ihrem Bruder Eugen (1879) auf. Sie ist neun Jahre alt, als die Familie nach Speyer übersiedelt, wo die Eltern das Geschäft in der Wormser Straße 8 eröffnen. Zunächst wohnen die Blums im Geschäftshaus, bis Betty und ihre Mutter 1931 zur Miete in die Villa am Rosensteiner Hang ziehen.

Nach Abschluss der höheren Töchterschule in der Hagedornsgasse zieht es Betty nach England. In London bringt sie den Kindern des Konsuls von Nicaragua Fremdsprachen bei und gibt ihnen Klavierstunden. Nach Speyer zurückgekehrt, übernimmt sie aushilfsweise eine Lehrerstelle in ihrer ehemaligen Schule für Englisch, Französisch, Rechnen, Geschichte und Erdkunde.

1919 stirbt ihr Vater und Betty übernimmt die Leitung der Eisenwarenhandlung, die sie äußerst erfolgreich führt. Sie verschafft sich Respekt und wird in der Speyerer Gesellschaft scherzhaft die „Eiserne Jungfrau“ genannt. Vielseitig interessiert und sportlich, engagiert sich die Zigarrenraucherin auch in der Kommunalpolitik. Auf dem Foto schaut uns eine selbstbewusste und etwas skeptisch blickende Dame an, die weiß, was sie will. Im Gegensatz zu ihren Geschwistern, die christliche Ehepartner geheiratet hatten, bleibt Betty ledig.

Nach Operation gestorben

Am 1. Januar 1936 wird das Geschäft „arisiert“. Daraufhin fasst sie den Entschluss, zu ihrer Schwester Lisa nach Ostafrika auszuwandern. Der Reisepass war zwar schon ausgestellt, zur Ausreise kommt es aber nicht mehr, da Betty Blum an den Folgen einer Operation am 18. April 1936 im jüdischen Krankenhaus in Mannheim stirbt.

Bettys Schwester Martha, die den Katholiken Josef Fendrich geheiratet hat, bekommt zwei Söhne: Walter (1906) und Ernst (1908). Von Ludwigshafen aus wird sie im Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt in Böhmen verschleppt. Sie überlebt die Shoah, stirbt 1960. 2009 wurde für sie in Ludwigshafen ein Stolperstein verlegt. Am kommenden Dienstag werden nun auch für Eugenie Blum und ihre Tochter Betty zwei Stolpersteine vor dem Haus Landauer Straße 60 verlegt.

Die Serie

Die RHEINPFALZ dokumentiert die Schicksale Speyerer Juden, zu deren Ehren am Dienstag Stolpersteine verlegt werden, mit Texten der Speyerer Stolperstein-Initiative.

Prächtig: die Villa der Blums an der Landauer Straße/Am Rosensteiner Hang in Speyer.
Prächtig: die Villa der Blums an der Landauer Straße/Am Rosensteiner Hang in Speyer.
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