Speyer Zeugnis des Glaubens

Im Kaisersaal des Doms wird das Füßchen des gotischen Gnadenbildes beschrieben und bedacht: links der Domkustos, Domkapitular Pe
Im Kaisersaal des Doms wird das Füßchen des gotischen Gnadenbildes beschrieben und bedacht: links der Domkustos, Domkapitular Peter Schappert, rechts die Kunsthistorikerin Anke Elisabeth Sommer. Im Hintergrund ist auch die Mondsichel der im Kaisersaal ausgestellten barocken Nachbildung zu sehen.

War es am 19. Januar oder am 7. Februar? Die Quellen widersprechen sich. Jedenfalls war es in diesen Tagen vor 225 Jahren, als französische Revolutionsgruppen durch Speyer zogen und das ganze Inventar im Speyerer Dom zerstörten. Einschließlich des spätmittelalterlichen Gnadenbildes der Gottesmutter Maria. Nur ein 23,5 Zentimeter langer Unterschenkel mit Füßchen des Jesuskindes wurde damals gerettet (die RHEINPFALZ am SONNTAG berichtete).

Das Füßchen ist üblichweise an einem geheimen Ort sicher verschlossen, nun kehrte es in den Dom zurück, wo es wahrscheinlich rund 350 Jahre lang Teil eines vielfach verehrten Speyerer Gnadenbildes war. Der Domkustos, Domkapitular Peter Schappert, und die Kunsthistorikerin Anke Elisabeth Sommer erzählen im Kaisersaal die Geschichte des Gnadenbildes. In dem schon immer Maria geweihten Dom wird es wohl von Beginn an eine Marienstatue gegeben haben, von ihr ist allerdings nichts bekannt. Vor dieser hatte der heilige Bernhard von Clairvaux bei seinem Besuch in Speyer 1146 gebetet – und, glaubt man der Legende, die Statue auch sprechen gehört. Wahrscheinlich war es eine thronende Madonna und wahrscheinlich fiel sie dem Dombrand im Jahr 1450 zum Opfer. Denn das durch Kopien und Darstellungen bekannte Gnadenbild, das 1794 zerstört wurde, dürfte wegen seiner Bildsprache mit einem nackten Jesuskind erst nach 1400 entstanden sein, so Anke Sommer. Den Dombrand von 1689 überstand – wie zeitgenössische Berichte belegen – die Statue auf wunderbare Weise so gut wie unbeschadet. 105 Jahre später aber wurde sie dann aus dem Dom geholt und sollte mit dem anderen geistlichen Inventar der Kathedrale verbrannt werden. Da sie aber nicht brennen wollte, wurde sie – so die Überlieferung – zerhackt. Zuvor bereits aber gelang es zwei Dominikanerinnen von St. Magdalena, das Füßchen an sich zu nehmen und in der Folge wohl zu verwahren. So blieb es als einziges Relikt des Gnadenbildes bis in die Gegenwart erhalten. In den Speyerer Dom zurück kam das Füßchen erstmals wieder im Jahr 1930. Bischof Ludwig Sebastian erbat es sich von den Erben der Klosterfrauen, um es zum 900. Jahrestag der Domgründung zeigen zu können. Ebenfalls zu diesem Jubiläum wurde dann vom Münchner Bildhauer August Weckbecker ein neues Gnadenbild geschaffen, das von Papst Pius XI. geweiht und dem Dom geschenkt wurde. Es ist die heute im Dom zu sehende Marienstatue, die nun Ziel der Wallfahrten zur Patrona Spirensis ist. „Der materielle Wert des Füßchens ist gleich null“, sagt Domkapitular Peter Schappert, es sei auch kein verehrungswürdiger Gegenstand mehr, sondern ein historisches Zeugnis von musealer Art. „Aber es ist für uns von hohem Wert, da es zeigt, dass der Glauben weiter geht. Trotz der zeitweisen Säkularisierung des Doms und der Auflösung des Bistums gibt es die Diözese und den Dom immer noch. Und ein neues Gnadenbild steht heute im Dom und vermag eine Beziehung zwischen den Gläubigen und Gott herzustellen.“ Die französischen Revolutionäre hätten, so Schappert, im Namen der Vernunft den Glauben und all seine Zeugnisse mit einem Schlag tilgen wollen, doch der Glaube habe überlebt. Der Domkustos erinnert in dem Zusammenhang an den Bibelvers aus Matthäus, Kapitel 16, Vers 18, wo Jesus zu Petrus sagt: „Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“

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