Zweibrücken 30 Jahre Frauennotruf: „Viele wollen heute das Unrecht anzeigen“

„Die Frauen, die zu mir kommen, haben Redebedarf, weil sie oft sonst niemanden haben, mit dem sie sprechen können“, sagt Birgit
»Die Frauen, die zu mir kommen, haben Redebedarf, weil sie oft sonst niemanden haben, mit dem sie sprechen können«, sagt Birgit Kerner (links, hier mit Kollegin Vivienne Laabs), die seit 27 Jahren für den Zweibrücker Frauennotruf arbeitet. Die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt wird 30 Jahre alt.

Der Zweibrücker Frauennotruf feiert 30. Geburtstag. Seit 27 Jahren arbeitet Birgit Kerner in der Beratungsstelle. RHEINPFALZ-Mitarbeiter Paul Helmut Kreiner hat sich mit ihr über die Bedeutung der Anlaufstelle in der Stadt unterhalten.

Frau Kerner, was sind die Kernaufgaben des Frauennotrufs?
Die Fachberatungsstelle gegen sexualisierter Gewalt hat nicht nur eine Bedeutung in Zweibrücken, sondern im gesamten Bundesgebiet. Frauen, die Hilfe brauchen, in ihrer Kindheit Gewalt erfahren haben und nicht darüber reden wollen, die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und anderes mehr erleben, oder ihre Vertrauenspersonen können sich an uns wenden.

Vertrauenspersonen sind etwa Freundinnen, die von der Gewalt gehört haben und sich an Sie wenden?
Korrekt, das ist der Grundgedanke: Wie kann ich meine Freundin unterstützen, damit sie den Weg hierher in die Beratungsstelle findet.

Wie viele Frauen kommen zu Ihnen in die Beratungsstelle? Sind die Zahlen konstant oder ist das ganz unterschiedlich?
Die Personenanzahl bleibt gleich, weil ich nicht mehr leisten kann. Im Jahr habe ich zwischen 70 und 90 Personen, die sich an mich wenden. Das hängt aber davon ab, wie intensiv die Beratungsarbeit ist. Wenn ich eine Frau habe, die eine Vergewaltigung angezeigt hat, dann gibt es zunächst ein Orientierungsgespräch, dann ein Überbrückungsgespräch, ehe es dann möglicherweise zum Vergewaltigungsprozess kommt. Dabei stabilisiere ich die Frau, unterstützte sie. Eine Frau, die von Vergewaltigung betroffen ist, begleite ich auch zur Polizei. Und falls Betroffene im Gefängnis sind, biete ich auch dort Beratungsgespräche an. Die Frauen, die zu mir kommen, haben Redebedarf, weil sie oft sonst niemanden haben, mit dem sie sprechen können.

Ist die Anzahl der Frauen, die sich an die Beratungsstelle wenden, über die Jahre gestiegen?
Am Anfang meiner Arbeit hatte ich viele Frauen, die in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch erlebt haben. Das Ganze blieb aber meist im Dunkeln und anonym. Heute kommen Frauen, die von ihren Erlebnisse erzählen, dann erkläre ich ihnen die Optionen. Wenn eine Anzeige möglich ist, begleite ich sie zur Polizei. Und das passiert in letzter Zeit häufiger, dass Frauen ihre Betroffenheit nicht für sich behalten, sondern dass sie das Unrecht anzeigen wollen.

Die Frauen müssen Ihnen zunächst vertrauen können, oder?
Ja, das muss ich mir erst erarbeiten. Das ist nicht sofort da. Im Gegenteil: Die Hemmschwelle, hierher zu kommen, ist sehr groß.

Dann empfinden Sie ein großes Verantwortungsgefühl?
Ich formuliere das anders: Für mich ist es eine große Ehre, wenn ich mir das Vertrauen von Frauen erarbeite, die ihr Leben lang mehr oder weniger unterdrückt und nie gesehen worden sind.

Kontakt

Die Beratungsstelle ist telefonisch unter der Rufnummer 06332 77778 oder zu den festen Sprechzeiten – Montag 9 bis 12 Uhr, Mittwoch 17 bis 19 Uhr und Freitag 10 bis 13 Uhr − in der Wallstraße 26 zu erreichen.

Interview: Paul Helmut Kreiner

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