Zweibrücken Alt trifft Jung: Was man aus dem Leben einer 84-Jährigen lernen kann

Mit 84 Jahren hat Christel Kern jede Menge Lebenserfahrung. Die 18-jährige Katharina Weckbecker hat mit ihr darüber gesprochen.
Mit 84 Jahren hat Christel Kern jede Menge Lebenserfahrung. Die 18-jährige Katharina Weckbecker hat mit ihr darüber gesprochen.

Die im Jahr 1940, also während des Zweiten Weltkriegs, geborene Christel Kern hat schon viel erlebt. Katharina Weckbecker hat mit ihren 18 Jahren noch viel vor sich. Mit der heute 84-jährigen Kern spricht sie über besondere Momente, die große Liebe und über den tiefen Wunsch nach Frieden.

Neben der 84-jährigen Christel Kern aus Niederauerbach liegt ein Oberteil mit einer Giraffe darauf, das sie für ihren Enkel gehäkelt hat. Außer Handarbeit hat sie auch viele weitere Hobbys. Trotz ihres Alters und ihrer Kindheit in Kriegsjahren genießt sie das Leben.

Frau Kern, was macht im Leben glücklich?
Wenn man zufrieden ist mit dem, was man hat, und daraus was machen kann. Und ich bin zufrieden. In jeder Hinsicht. Ich bin gesund, meine Familie ist gesund, das macht mich glücklich.

Macht es Sie auch stolz?
Ich bin stolz auf meine Familie und auf meine Kinder und Enkelkinder, weil die alle ziemlich das erreicht haben, was sie wollten – und darauf bin ich stolz. Man hat ja durch die Erziehung manches dazu beigetragen.

Gibt es da Ratschläge oder Tipps, die Sie teilen wollen?
Wenn ich von jungen Leuten gefragt werde, geb’ ich gerne Ratschläge, aber ich dränge mich niemandem auf, weil jeder seine eigene Meinung hat. Und jeder macht’s anders. Ratschläge kann ich nur von meinem Wissen her geben, wenn es jemand will. Wenn es niemand will, kann ich keinen geben. Das kommt nicht an. Man muss gefragt werden. Ich kann Dir den Ratschlag geben: Bleib dran und mach was aus Deinem Leben. Es ist nicht einfach, aber wir haben es geschafft und ihr schafft es auch. Das, was Du Dir wünschst, soll in Erfüllung gehen.

Was ist außer so viel Lebenserfahrung noch schön am Älterwerden?
Wenn man seine Gedanken noch zusammen hat, wenn man noch manches machen kann, noch Kontakt nach außen hat und sich nicht abkapselt. Jede Woche geh’ ich in einen Strickkreis mit vier Frauen. Die sind alle jünger, die könnten meine Töchter sein. Da wird immer viel gelacht. Und dass man mit dem, was man hat, zufrieden ist. Die Enkel und Urenkel erleben zu dürfen, das ist auch schön am Älterwerden. Wenn die kommen, das ist schön. Und ich bin ein sehr positiver Mensch, deswegen fällt mir das wahrscheinlich nicht so schwer. Ich finde das Altwerden dann auch schön. Spaß haben und lachen.

Haben Sie eine Lebensweisheit, die Ihnen dabei hilft?
Wenn ich zufrieden bin und glücklich bin und andere dadurch glücklich machen kann. Wenn ich anderen gegenüber respektvoll und freundlich bin, dann komm’ ich mit jedem gut aus. Das hab ich in meiner Lehrzeit gelernt. Auch wenn einer, wie man so schön sagt, pampig wird, dann soll man das übersehen und Freundlichkeit zurückgeben. Und dann lässt der das auch.

Sie haben Ihre Lehre erwähnt.
Ich habe Damenschneiderin gelernt, habe drei Jahre gelernt und meine Gesellenprüfung gemacht. Ich hätte auch gerne den Meister gemacht, aber dafür hatte meine Mutter kein Geld. Und ich profitiere heute noch von meinem Beruf. Da mach’ ich noch sehr viel, auch für die Kinder. Mein Beruf ist mein Hobby.

Würden Sie den Beruf heute auch noch wählen?
Der Beruf hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber wenn ich heute die Chance hätte, würde ich Floristin werden. Weil ich ein Gartenfan bin, das ist auch mein Hobby. Aber damals durften Mädchen das nicht lernen. Heute haben sie die große Chance, alles zu lernen. Das finde ich toll.

Das stimmt, da habe ich heute mehr Möglichkeiten. Haben Sie noch mehr Hobbys?
Ich hab furchtbar gern gesungen, heute geht’s nicht mehr so gut. 30 Jahre war ich im Volkschor Niederauerbach. Musik im großen Ganzen gehört zu meinen Hobbys. Ich höre auch gerne Musik. Das ist auch ein großes Hobby meines Mannes. Wir gehen immer zu Veranstaltungen in der Stadt – wie zum Konzert vom Polizeiorchester.

Ist Ihr Mann Ihre große Liebe, Frau Kern?
Ja. Ja, das kann ich voll mit Ja beantworten. Ich hab ihn bei der Musik kennengelernt und ein Leben lang mit der Musik und mit ihm zusammengelebt. Es war eine schöne Zeit und ist auch heute noch schön, dass er noch da ist.

Gab es in der Zeit etwas, was Sie als schönsten Moment Ihres Lebens bezeichnen würden?
Das ist schwer zu beantworten. Es gab so viele schöne Momente in meinem Leben. Aber mein schönster Moment war eigentlich, als ich vor 65 Jahren meinen Mann geheiratet hab’ und die Hochzeit und dann als der erste Sohn geboren wurde. Und die Tochter, da waren meine Söhne schon 15 und 16. Aber viele schöne Momente hab’ ich auch vor der Hochzeit erlebt. Mein Mann hat ja Musik gemacht. Da sind so viele schöne Momente, dass ich gar nicht den schönsten sagen kann.

Und einen traurigsten?
Als meine Mutter verstorben ist. Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihr.

Wollen Sie etwas aus Ihrer Kindheit erzählen?
Ich bin 1940 geboren. Mein Vater ist im Krieg gefallen, als ich zwei Jahre alt war. Ich kannte ihn nicht. Meine Schwester war fünf, nein, sieben. Meine Mutter war 34, ganz alleine und musste uns Kinder durchbringen. Das geht mir heute noch nach. Die Frau hatte kein Geld, ging von einem Haushalt in den anderen, um uns durchzubringen. Deshalb verstehe ich das heute mit den Kriegen nicht. Ich hatte eine schöne Kindheit, weil ich bei meinen Großeltern aufgewachsen bin, weil meine Mutter immer arbeiten musste. Mein Großvater hat mich alles gelehrt, was im Garten vorgeht, was in der Natur vorgeht. Das find’ ich toll. Ein Bilderbuchgroßvater. Das konnte nicht jedes Kind von sich sagen. Ich hatte Glück. (Sie holt sich ein Taschentuch, um die feuchten Augen zu trocknen, in denen sich bei dieser Antwort Tränen gesammelt haben. Bei der nächsten Frage kann sie wieder lachen).

Hatten Sie früher ein Lieblingsessen?
Das bleibt ewig die Kartoffel oder wie der Pfälzer sagt: die Grumbeer. Weil sie satt macht. Da gibt es so viele Gerichte, da kann man alles mögliche mit anfangen. Knödel, alles kann man damit machen.

Vermissen Sie etwas daran, jung zu sein?
Vermissen am Jungsein, hm. Es gibt nur einmal eine schöne Zeit, wenn man jung ist. Was soll ich da vermissen. Ich hab’ eine schöne Zeit erlebt und da zehrt man ein Leben lang dran. Man fängt immer mal wieder an zu erzählen, was alles war. Mit dem Chor haben wir viele schöne Stunden erlebt. Bei den Landfrauen war ich in jungen Jahren, in Mittelbach. Das war auch schön. Eine schöne Zeit. Viel gelernt, viel gelacht, viel verreist.

Viele haben ja Angst vor dem Alter. Was war das Schlimmste daran, älter zu werden?
Das Schlimmste ist, wenn dann so Wehwehchen kommen und man jemanden braucht. Gut, heutzutage bekommt man in jeder Hinsicht Hilfe. Ich hab’ auch schon Hilfe, weil ich Probleme hab’ mit meinen Beinen und ich diese Strümpfe trage, die ich nicht alleine anziehen kann. Aber die Hilfe, die man bekommt, ist sehr gut und man muss es annehmen. Es hat jeder Gebrechen. Der eine mehr, der andere weniger. Und deswegen bin ich mit dem, was wir beide haben, zufrieden. Wir können noch einiges unternehmen. Ich bin noch mit meinem Mann zusammen. Das Älterwerden ist nicht so schlimm, wenn man zu zweit ist und nicht ganz alleine. Hoffentlich bleibt’s noch.

Das ist schöner als so ganz alleine zu sein. So geht es meiner Oma. Meine vorletzte Frage ist: Haben Sie einen Wunsch für die Welt?
Frieden. Das ist der größte Wunsch. Weil: Was im Moment abgeht, das ist nicht mehr normal. Wenn man überlegt, was in Israel los ist. Wieso hören die Menschen, die Politiker da nicht auf? Wir werden immer dafür verantwortlich gemacht in Deutschland, was unsere Vorfahren gemacht haben. Und jetzt passiert wieder dasselbe. Kinder, die nichts dafür können. In Palästina können die Menschen nichts dafür, was die Hamas gemacht hat, und die müssen es jetzt ausbaden. Ich war Kind, ich hab’ den Krieg erlebt – mit Hunger und allem drum und dran. Und deshalb find’ ich das so schrecklich, dass man da nicht zur Einsicht kommt und aufhört. Ob das in der Ukraine ist, in Israel, in Palästina. Egal wo auf der Welt, es ist furchtbar.

Wollen Sie noch was sagen, das Ihnen wichtig ist?
Dass die Welt zur Vernunft kommt. Dass es so nicht weitergehen kann. Ob es mit der Natur ist, ob es mit den Kriegen ist, das kann man nicht akzeptieren. Alles geht kaputt und die Menschen werden egoistisch. Das wird immer krasser und Ihr, die Jugend, Ihr müsst es ausbaden. Das ist das Schlimme daran. Denn was mit Eurer Zukunft ist, das steht in den Sternen.

Über die Autorin

Katharina Weckbecker ist 18 Jahre alt, hat im März die Schule am Hofenfels Gymnasium abgeschlossen und braucht definitiv die Ratschläge einer alten Dame. Denn momentan hat sie mehr Ahnung von Gedichtinterpretationen als vom Leben.

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