Zweibrücken Dem Schutzengel sei Dank

Eine Zugabe: schön. Sechs, nein über 20, sogar ein ganzes Konzert: klasse. Was Wolfgang Niedecken und seine Mitstreiter von Bap am Samstagabend bei der „Zieht den Stecker“-Tour in Neunkirchen auf die Bühne zauberten, war ein grandioses Unplugged-Konzert.

Das mit der Konzert-Zugabe darf man wörtlich verstehen: Denn dass der Leadsänger der Kölsch-Rock-Band nach seinem Schlaganfall im November 2011 wieder mit seiner Band auf der Bühne steht, ist nicht selbstverständlich. „Die Tour ist die Gelegenheit, mich ausführlich bei meinem Schutzengel zu bedanken“, machte Niedecken deutlich. Musikalisch bedankt hatte sich der 63-Jährige schon zuvor mit seinem neuen Album „Zosamme alt“ – eine Auswahl an Liedern, die er im Lauf der Jahre für seine Frau geschrieben hatte. Die „Zosamme alt“-Songs – ein Spruch, der auch unschwer erkennbar auf das Gros des Neunkircher Publikums zutraf – bilden das Gerüst der jetzigen Bap-Tour. Daneben gab’s, wie von Niedecken anfangs versprochen, für alle etwas: „Für die Spezialisten die Exotensachen und für Lieschen Müller die zwei, drei Sachen, die jeder kennt.“ Also einerseits „Neppes, Ihrefeld un Kreuzberg“ in überarbeiteter Version (Niedecken: „Das haben wir ordentlich durch unseren Tüv gejagt)“, und natürlich „Verdamp lang her“. Den rund 1000 Fans in der neuen Gebläsehalle ging es dabei wie „Jupp“ im gleichnamigen Song: „Om Projramm steht Weltreis“. Niedecken und seine Band-Mitglieder legten eine tolle Performance mit viel Spiellaune auf der sparsam, nicht übertrieben ausgeleuchteten Bühne hin. Zur gedanklichen Weltreise trugen die klasse Gastmusiker ihren Teil bei, die Niedeckens Aufforderung, bei den Proben zur Tour mal alles an Instrumenten mitzubringen, was zu Hause rumsteht, wörtlich genommen hatten. So versetzte Percussionist Rhani Krija die Zuhörer im Song „Magdalena“ mühelos nach Marokko, in „Gulu“ ging’s weiter nach Zentralafrika, Keyboarder Michael Nass sorgte mit dem Akkordeon bei „Shoeshine“, das in Costa Rica spielt, für den spanischen Einfluss. Und Gitarrist Ulrich Rode, der für Helmut Krumminga bei der Tour eingesprungen war, verlieh einigen Songs wie „Zosamme alt“ mit der Steelguitar auf den Knien einen tollen, neuen Klang. Jürgen Zoller am Schlagzeug und Werner Kopal mit dem Kontrabass von der Bap-Stammbesetzung setzten lässig den Grundrhythmus. Der größte Gewinn der Tour-Besetzung zu Niedeckens Reibeisenstimme vom Barhocker ist aber ohne Zweifel Bap-Dauergast Anne de Wolff, Rodes Ehefrau. Violine, Mandoline, Cello, das gute alte Xylophon oder indisches Harmonium und Posaune in dem Song „Ich wünsch mir, du wöhrs he“, dazu Gesang: Die Multi-Instrumentalistin bereitete den Fans fast am meisten Spaß. Kein Wunder, dass die der Band für die entspannten Versionen auch echter Rock-Klassiker wie „Rääts un links vum Bahndamm“ oder „Et Levve ess en Autobahn“ und eben „Verdamp lang her“ nach fast dreieinhalb Stunden Unplugged-Musik in bester Akustik stehend Applaus zollten. Ganz vereinzelt waren beim obligatorischen Liebeslied „Do kanns zaubre“ sogar noch Feuerzeuge zu sehen. Manche Bap-Lieder scheinen geradezu für die reduzierte Version geschrieben zu sein. Ein anderer deutscher Liedermacher lobte mal ein „Stück Musik von Hand gemacht“. Die Tour, bei der Bap die Instrumente „ussstöpselt“, läuft noch bis September. Wenn Sie auf ehrliche Rock-Musik im einfachen Gewand stehen: Scheuen Sie keinen noch so weiten Weg, gehen Sie hin, es lohnt sich! Maat et joot, bess demnähx, Sendeschluss!

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