Zweibrücken Der Rhythmus ist das Ding, das „Schockorange“ leben lässt

Ist der Dow Jones zusammengebrochen? Wen juckt’s schon, dass der Gewinner-Rhythmus von Rocco Dilletanto seine Magie verloren hat? „Schockorange“ lebt! Bei den Müllmännern unter der Brücke, wo man die Wertlos-Papiere in die Tonne tritt und mit Ex-Börsenhai Millionski einen groovt. Nichts weniger als grandios, fabulös, fantastisch war die Aufführung des Rhythmicals „Schockorange“ von Peter Schindler und Babette Dietrich unter der Leitung von Maurice Croissant am Sonntag beim Festival Euroclassic in der gut besetzten Pirmasenser Festhalle.

Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts! „Schockorange“ stellt diese zynische Einsicht auf den Kopf: „Der Rhythmus ist das Ding“, so heißt einer der Songs, und darum geht’s: um Groove, Menschlichkeit, Kameradschaft, Freunde, egal, ob man Müllmann ist oder Blumenverkäuferin, Putzfrau oder Disco-Tusse. Die Verlierer sind die, die es verdient haben, Zocker, Gierhälse und leider auch Journalistinnen. Der Rollentausch von Müllmann Rocco Dilletanto und Banker Richard Arthur Millionski scheitert nicht wirklich, denn am Ende ist alles moralisch besenrein. Maurice Croissant und Volker Christ haben ihre Akteure wirklich bestens präpariert. Die Musik ist erstklassig, das Zusammenspiel, ob musikalisch oder schauspielerisch, so präzise wie wirkungsvoll, das Bühnenbild ganz liebevoll und mit viel Sinn fürs Detail gestaltet. Die Darsteller gehen dabei vollständig in ihren Rollen auf, und man vergisst ganz, dass da ja immer noch Kinder auf der Bühne stehen. Mit Richard Salisch, der den Rocco spielte, wächst gar ein echtes Show-Talent heran, eine originäre Rampensau mit Chuzpe und Timing. „Britain’s Got Talent“, heißt eine auf der Insel populäre Casting-Show. Aber dort werden Talente gesucht, in Pirmasens sind die Talente da, und Croissant und Christ gehören prominent zu denen, die die Titanenarbeit auf sich nehmen, diesen Schatz zu heben und aus musikalischen Rohdiamanten funkelnde Preziosen zu schleifen. Das machen sie seit Jahren und spätestens jetzt – wenn nicht schon beim Zirkus Furioso, der letztes Jahr im Rahmen von Euroclassic über die Bühne ging – scheint die kritische Masse für eine kreative Explosion erreicht. Viel mehr noch zählt aber, dass durch solche – nach allen Maßstäben der Bühnenkunst gelungene Aufführungen – jungen Menschen Selbstbewusstsein mitgegeben wird. Ein Selbstbewusstsein, das die in Pirmasens notorisch gewordene mäklerische Verzagtheit überwinden kann. Noch mal: Die Aufführung von „Schockorange“ war zuallererst eine künstlerisch außergewöhnliche Leistung, die allen Lobes wert ist. Musikalisch ist es alles andere als Kinderkram, darstellerisch eine Herausforderung. Dazu war es ein großer Spaß für das Publikum jeden Alters, das sich vom Bühnengeschehen mitreißen ließ. Von diesem Ende her gedacht, ist es aber die größte Leistung, dass so viele junge Leute und ihre Unterstützer in Elternhaus und Freundeskreis ein halbes Jahr lang bei der Stange geblieben sind, Kraft und Zeit in die Proben investiert haben, diszipliniert blieben, ihre Freunde nicht hängen gelassen haben, auch wenn pubertäre Wechselfälle der Gefühle gedroht haben mögen. Womit wir wieder bei der Moral von „Schockorange“ wären: Geld haben ist nicht wichtig, kein Geld haben ist schlimm, aber was wirklich zählt, sind Vitalität und Freundschaft: Die geben den wahren Gewinner-Rhythmus vor.

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