Zweibrücken Ein Schaffer, der halb Zweibrücken kennt

Redet gerne Tacheles: Atilla Eren, hier auf dem Exe.
Redet gerne Tacheles: Atilla Eren, hier auf dem Exe.

Wer mit Atilla Eren eine Stunde vorm Café Pastis sitzt, begegnet dabei ganz nebenbei einem bunten Querschnitt durch die Zweibrücker Einwohnerschaft. Eine weißhaarige Rentnerin, ein unterm Auge Tätowierter, ein dunkelhäutiger Hutträger, eine junge Frau mit Kinderwagen, Autofahrer, die an der Ampel halten und aus dem Fenster rufen. „Hey Atilla, unn, wie?!“ Atilla Eren kennt sie alle, grüßt sie alle, plaudert mit allen. Früher, ja, da habe er auch mal die Fäuste sprechen lassen. Heute spreche er nur noch, oft, viel und mit jedem, ohne Ausnahme. „Mir ist egal, wie einer aussieht. Ich will wissen, was die Leute denken.“ Die Offenheit rührt von der eigenen Geschichte her. Wurde er wegen seiner Herkunft diskriminiert? „Wieso, weil ich aus Contwig bin? Nö.“ Eren lacht. Und wird wieder ernst. Er wolle keine Geschichte vom armen Türkenjungen erzählen, aber ausländerfeindliche Sprüche höre er seit seiner Kindheit. „Ich bin in Contwig in den katholischen Kindergarten gegangen, hatte dort und später fast nur deutsche Freunde.“ Er sei Deutscher, Pfälzer, Zweibrücker. Aber für manche eben immer noch: der Türke. „Heute prallt das an mir ab, aber als Kind und Jugendlicher hat es mich getroffen.“ Manchmal habe er aggressiv reagiert. Mittlerweile hat er ein anderes Ventil: „Ich spreche die Leute an. Ich werde oft falsch eingeschätzt, auch wegen meines Aussehens. Wenn die Leute mich dann kennen lernen, wird es besser.“ Mit dieser Taktik will er es auch ins Rathaus schaffen. „Ich höre zu, interessiere mich, ziehe aus allen Vorschlägen und Ideen das Beste raus und mache mich dann an die Arbeit.“ Arbeit, Arbeitsmoral, das sind wichtige Themen für Eren, der sich selbst einen „Schaffer“ nennt. „Ich höre auf, wenn die Arbeit erledigt ist, nicht, weil es vier Uhr ist und Feierabend.“ Einige Zweibrücker hätten Vorurteile wegen seiner Vergangenheit. „Die fragen allen Ernstes, ob ein Ex-Türsteher ohne Studium Oberbürgermeister werden kann. Ja, warum denn nicht?!“ Er habe zwei Berufe vorzuweisen plus 50 Jahre Lebenserfahrung, „und dazu gehört auch die Zeit als Türsteher“. Damals wie heute habe er sehr viel mit Menschen zu tun gehabt und gelernt, mit den unterschiedlichsten Charakteren umzugehen. „Und das ist im Rathaus auch von Vorteil.“ Überdies könne er sehr gut delegieren und sei absolut kritikfähig. „Ich schätze eine ehrliche Meinung sehr, auch wenn sie nicht schmeichelhaft für mich ist.“ Neulich habe ein Berater zu ihm gesagt: „Atilla, dei Rhetorik is scheiße.“ Das habe er sich zu Herzen genommen und arbeite daran. Komplett verstellen will er sich aber nicht. „Ich bin, wer ich bin, und dazu gehört, dass ich ungefiltert rede.“ Ist Atilla Eren ein Großmaul und Aufzieher, wie Kritiker meinen? Die Antwort kommt prompt. „Ja, schon. Aber ich kündige nichts an, von dem ich nicht überzeugt bin, dass ich es umsetzen kann.“ Wer die Wähler erreichen will, kann das nicht still und leise tun, laute die Devise. Und an sich selbst glauben müsse ein OB-Kandidat schon. Klappern, so Eren, gehöre zum Handwerk. Wer die Wähler erreichen will, muss aber auch sagen, was er als Oberbürgermeister in Angriff nehmen würde. „Ich würde mich mehr um die Kleinunternehmer kümmern, aktuell etwa die Mieter des Brauereigeländes. Es ist ja positiv, dass es einen Käufer gibt, aber was ist mit den Betrieben dort? Die sind allen egal.“ Er würde gerne die Bearbeitung von Bauanträgen beschleunigen. „Da ist das Zweibrücker Bauamt zu stur und unflexibel.“ Bei manchen Projekten müsse die Stadt auch mehr hintendran sein, Beispiel Haus Bickenalb. „Da könnte die Stadt schon mal ein bisschen mehr Druck machen, dass das mit dem Pflegezentrum vorangeht.“ Was die knappen Zweibrücker Finanzen angeht, so würde Eren alles auf den Prüfstand stellen. „Es heißt immer, wir können nichts mehr sparen, aber das glaube ich nicht. Es wurde nur noch nicht alles angeschaut und umgewälzt.“ Noch 18 Tage sind es bis zur Oberbürgermeister-Wahl. Mit wie viel Prozent rechnet Atilla Eren? „Da sage ich doch mal gewohnt großmaulig: 30 Prozent.“ Seite 4

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