Zweibrücken Erotik und Nostalgie

Harmonisch (von links): Grazina Zubik und Aleksandra Czajor vom Airis Quartett begleiteten Daniel Bollinger im Herzogsaal.
Harmonisch (von links): Grazina Zubik und Aleksandra Czajor vom Airis Quartett begleiteten Daniel Bollinger im Herzogsaal.

„Mozart trifft Piazzolla“ nannten das Airis-Quartett aus Polen und Klarinettist Daniel Bollinger aus dem Saarland ihr Zweibrücker Matineekonzert am Sonntag. Zu diesem Abschluss der polnischen Kulturtage waren knapp 100 Besucher in den Herzogsaal gekommen.

Hohe Gestaltungskunst, Virtuosität und Ausdruckskraft zeichneten die Interpretation von Mozarts Klarinetten-Quintetts KV 581 aus. Das Klangbild war leicht und durchsichtig. Es zeichnete sich durch Farbenreichtum aus – und durch ein Gespür für den dramatischen Aufbau. All das zusammen machte den Reiz aus. Das langsame Larghetto bezauberte durch die weichen Melodiebögen von Daniel Bollinger, unterstützt von einem breiten, doch transparenten Klangteppich des Airis-Streichquartetts. Innige Wehmut und Nostalgie klangen aus diesen Themen, die mit ihren warmen Farben bezauberten. Die Ausdrucksvielfalt des Werks betonten Bollinger und das Airis-Quartett reflektiert und gefühlvoll zugleich. Den tänzerischen Menuettsatz prägten kraftvolle punktierte Rhythmen, während der Schlusssatz heiter-neckische Unbeschwertheit atmete. In facettenreichem Spiel ließen die Künstler die kammermusikalische Intimität und bewegende Eindringlichkeit der Musik lebendig werden. Mit einer kurzen, aber umso schwungvolleren Kadenz klang das Klarinetten-Quintett in dieser fesselnden Interpretation aus. Der Mittelteil des Programms bildete einen Kontrast zu diesem Werk. Ein dichtes und doch transparentes Klangbild mit plastisch hervortretenden Themen zeichnete das Airis-Quartett im „Langsamen Satz“ für Streichquartett von Anton Webern (1883-1945). Die Musik, die sich zwischen Disharmonie und harmonischer Spätromantik bewegte, steigerte sich zu höchster Eindringlichkeit: Die Interpretation überzeugte sowohl in dramatischen Prozessen als auch bei verinnerlichten Stimmungen. Eine Hommage an die Heimat des Airis-Quartetts waren die „Fünf Volksweisen“ von Witold Lutoslawski (1913-1994). Abrupte Stimmungswechsel waren charakteristisch für die folkloristisch inspirierten Stücke. Lutoslawski galt zwar als Klassiker der Moderne in Polen und arbeitete mit schrägen Tönen und seriellen Kompositionstechniken. Er schlug aber vor allem in seinen frühen Werken auch eine Brücke zur Volksmusik. Temperament, Dramatik und Effekte wie das Zupfen und Schlagen der Saiten mit der Holzseite des Bogens prägten die Werke des Argentiniers Astor Piazzolla (1921-1992), der den Tango salonfähig machte. Erregende Spannung und dramatische Akzente formten Bollinger und das Airis-Quartett in „La Muerte del Angel“. Lautmalerische Stimmungen bildeten einen packenden Kontrast. Die laszive Erotik von „Oblivion“ zeigte sich in den melodischen Weisen der Klarinette. In Bollingers differenziertem Spiel entfalteten sich schillernde Klangfarben, die das Airis-Quartett nuancenreich ausschattierte. Die Künstler schienen sich selbst der Verführung dieser Musik hinzugeben, sich in ihr zu verlieren. Größte Spannung und atmosphärische Dichte zeichneten die Interpretation aus, sie prägten selbst den leise-verführerischen Ausklang. Einen starken Kontrast dazu bildete „Night Club“, auch für Streichquartett und Klarinette. Kurzgliedrige Motive fielen sich immer wieder ins Wort in diesem hektisch-erregten Kosmos. Auch in langsamen Passagen schuf das Flirren der Streicher eine allgegenwärtige, vibrierende Spannung. In der Pause dieses außergewöhnlichen Kammerkonzertes konnten die Besucher die beiden Kunstausstellungen der polnischen Kulturtage besichtigen.

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