Zweibrücken Hier gibt es die etwas andere Wohnanlage zu entdecken

Im Hintergrund sind die große Treppe und das Mittelgebäude mit dem Türmchen zu sehen.
Im Hintergrund sind die große Treppe und das Mittelgebäude mit dem Türmchen zu sehen.

Fast unbemerkt vollzieht sich derzeit ein Jubiläum: Mit der Mannlichsiedlung wird ein ganz besonderes Zweibrücker Stadtquartier 100 Jahre alt.

Fährt man von Niederauerbach her in Richtung Innenstadt, fallen rechts der Hofenfelsstraße der barocke weiße Wittelsbacher-Brunnen und direkt dahinter ein Ensemble aus Mehrfamilienhäusern auf, die so ganz anders aussehen als die in Zweibrücken sonst übliche Wohnbebauung. Bei diesem Quartier gegenüber der Zufahrt zum Pfingstmarkt-Festplatz handelt es sich um die Mannlichsiedlung, die ab 1920 angelegt wurde. Die Jahreszahl 1924 auf der linken Giebelseite am Mannlichplatz sowie am großen Tordurchgang in der dahinter verlaufenden Sundahlstraße lässt auf die Vollendung der Bauten in jenem Jahr schließen. Allerdings besagen alte Protokolle aus dem Zweibrücker Stadtrat, dass die Stadtväter erst im Mai 1924 die Rohbauarbeiten für die Gebäudeteile rechts vom Mannlichplatz vergeben hatten. Was bedeutet, dass die endgültige Fertigstellung erst später erfolgt sein kann.

Sternförmige Muster und zackige Verzierungen etwa im Giebel des Mittelgebäudes oberhalb der Treppe stechen ebenso ins Auge wie das eigenartige Türmchen, das ebenjenes Bauwerk krönt. Irgendwie mag dieser ausgefallene Baustil überhaupt nicht mit dem barock wirkenden Brunnen zusammenpassen, der inmitten des Ensembles den Mannlichplatz beherrscht.

Brunnen gehört auf den Schlossplatz

Kein Wunder: Der 1906 geschaffene Wittelsbacher-Brunnen gehört ja eigentlich auf den Schlossplatz, von dem er erst 1939 an seinen heutigen Standort versetzt wurde. Ob die damaligen Nazi-Machthaber auf diese Weise das eigenwillige Erscheinungsbild und den Charakter der umgebenden Wohnanlage am Mannlichplatz torpedieren wollten?

Die beiden Figuren am Wittelsbacher-Brunnen von 1906 sollen den Westrich (links) und die Vorderpfalz (vorne rechts) symbolisiere
Die beiden Figuren am Wittelsbacher-Brunnen von 1906 sollen den Westrich (links) und die Vorderpfalz (vorne rechts) symbolisieren.

Denn bei dieser handelt es sich um ein markantes Zeugnis aus der kurzen Phase des Expressionismus als Baustil: Um 1920 hatten Architekten damit begonnen, bizarre expressionistische Formen, wie sie damals aus der modernen Malerei und aus Spielfilmen wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ bekannt waren, in ihre Gebäudekonzepte aufzunehmen. Doch schon von 2025 an wurde dieser Baustil von der eher nüchternen Architektur des Bauhauses zurückgedrängt, wie der Baustatiker und Kommunalpolitiker Fritz Stauch im April 2007 in einem Vortrag beim Historischen Verein Zweibrücken dargelegt hat. Damals richtete Fritz Stauch die Aufmerksamkeit auf Besonderheiten der jahrzehntelang verkannten Mannlichsiedlung. Merkmale wie „reiche Gliederung der Baumassen, breite Freitreppen, durch Risalite differenzierte Baukörper, hervorgehobene Giebelaufbauten, Dreiecksmotiv, Turm als besonderes Merkmal expressionistischen Baustils, von drei Seiten gehbare Freitreppen“ zählte er in seinem Vortrag auf, der die textliche Grundlage für den Bildband „Expressionismus in Zweibrücken und Umgebung“ lieferte, den Stauch 2021 zusammen mit der Denkmalschützerin Roswitha Chéret im Verlag Conrad & Bothner herausgegeben hat.

Ein Fest zur Würdigung?

Als verantwortlichen Architekten jener Zeit würdigen Stauch und Chéret den Stadtbaumeister Gustl Groß (1886 - 1962), der in engem Austausch mit seinem Kollegen Hermann Hussong (1881 - 1960) stand, der vor allem in Kaiserslautern mit expressionistischen Bauten Furore machte.

Die Mannlichsiedlung: Beispiel für expressionistisches Bauen in den 1920er-Jahren.
Die Mannlichsiedlung: Beispiel für expressionistisches Bauen in den 1920er-Jahren.

Das Jubiläum 100 Jahre Mannlichplatz, so hat Roswitha Chéret im Bildband geschrieben, sollte allemal Gelegenheit bieten, „ihn als das anzuerkennen und zu schätzen, was er darstellt: ein architektonisches Juwel“. Eine städtische Feier oder ein Fest an Ort und Stelle würde sich anbieten.

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