Zweibrücken Hochgewachsen und fingerfertig

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Alter Falter – voll das Mittelalter! Am Wochenende trafen sich auf dem ehemaligen Sportplatz hinter der Festhalle Menschen, denen das Leben im Hier und Jetzt zu eintönig ist. Der Mittelalter-Markt bot an beiden Tagen die Möglichkeit, in eine Zeit abzutauchen, die im allgemeinen Sprachgebrauch als „finster“ bezeichnet wird. Echte Fans der Epoche zwischen dem Ende der Antike und dem Beginn der Neuzeit sehen das freilich anders, sie pflegen Lagerleben, Gaukelei und mittelalterliches Handwerk.

Schon am frühen Samstagnachmittag konnte man sich von der Atmosphäre auf dem Festplatz einfangen, im Idealfall verzaubern lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn mit „Kalibo dem Zauberer“ trat ein hochgewachsener Mensch vors Publikum, der seine Fingerfertigkeit schon in Sendungen des Saarländischen und Bayerischen Rundfunks und auf Kreuzfahrtschiffen bewiesen hat. „Ich komme ursprünglich von der Straßenzauberei“, erklärte er kurz vorm ersten Seiltrick und verriet seinen richtigen Namen: „Kai Borchers“. Der Mann aus Saarbrücken („Ich bin Saarländer, vielen Dank für die mitfühlende Gleichgültigkeit.“) lieferte eine laute, marktschreierische Zauber-Schau ab, so wie man sich das fürs Mittelalter vorstellt. Passend dazu: Der Pestkarren, den zwei gewandete Gesellen am verzauberten Volk vorbeischoben: „Bringt euere Toten raus“. Wesentlich poetischer die Stimmung in der „Traumholzerey“. Hier am Stand des Gunzenhauseners Wolfgang Hauke konnte man Schmuck aus Holz und Mineralien erstehen. Der Händler legt nach eigener Aussage viel Wert auf Authentizität, verwendet zur Herstellung seiner filigranen Anhänger und Ringe aber moderne Maschinen. „Das geht nicht anders.“ Hauke – lange Haare, voller Bart, knöchellanges Gewand – ist freilich nicht als Mittelaltermarkt-Beschicker auf die Welt gekommen. Sein Geld hat er früher anders verdient: „als Autoverkäufer“. Mittlerweile sehe er sich als Überlebenskünstler. Neben seinen schmückenden Artikeln hatte der Händler auch unzählige kleine Baumscheiben dabei. Damit will er Kindern etwas über die verschiedenen Baumarten beibringen. „Die wissen heutzutage, was ein Laptop ist, aber nicht, welcher Baum vor ihrer Haustür steht. Das da beispielsweise sind alles Platanen“, erklärte Hauke richtig und zeigte auf das Stück Zweibrücker Allee, das von seinem Stand aus zu sehen war. 100 Meter Luftlinie weiter hielt jemand aus Winterbach-Niederhausen seine Waren bereit, mit selbsthergestellten Holz-Puzzles wollte Elke Alexander die Markt-Besucher überzeugen. „Ich hab′ schon welche für den Reichling gemacht“, erinnerte sie an den ehemaligen Zweibrücker Oberbürgermeister. Alexander bastelt Holz-Puzzles mit den Stadtsymbolen Rose und Ross drauf, außerdem welche mit Trecker-Motiv. Passend zum Anlass hatte sie diesmal Ritter-Motive dabei. Der Verkauf am Samstag lief jedoch schleppend. Der zweitägige Mittelalter-Markt hinter der Festhalle bot auch den Epochen-Mix, den man auf solchen Veranstaltungen erwartet. Hünenhafte Highlander und Kreuzritter kamen nicht immer um die Benutzung von Mobiltelefonen herum. Hochmoderne Ketchup- und Senfflaschen an einer Verpflegungsstation, die „Grillschwein im Brötchen mit Röstzwiebeln“ anbot, rissen einen ins Hier und Jetzt zurück. (bun)

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