Zweibrücken In Zweibrücken geht eine 500 Jahre alte Tradition zu Ende

Der Schlachthof Zweibrücken wurde im Jahr 1900 in Betrieb genommen.
Der Schlachthof Zweibrücken wurde im Jahr 1900 in Betrieb genommen.

Seit August 2023 werden im Zweibrücker Schlachthof keine Tiere mehr geschlachtet. Damit geht eine über 500 Jahre alte Tradition in Zweibrücken zu Ende.

Das älteste Schlachthaus der Stadt Zweibrücken fußt auf den Metzgerzünften Herzog Ludwigs I. aus dem Jahre 1464. Es stand im Zentrum der Stadt neben dem Rathaus. Da es marode war, ließ Herzog Christian IV. 1757 nach den Plänen von Gottfried Sundahl vor der Stadt ein neues Schlachthaus, die Metzgerhalle, am heutigen Hallplatz bauen.

Der Schlachthof sollte zunächst woanders stehen

Die Metzgerhalle war mit der Zeit zu klein und genügte nicht mehr den Anforderungen der Zeit. So regte das königliche Bezirksamt 1888 einen Neubau an. 1894 stellte der damalige Bezirkstierarzt an das Bürgermeisteramt den Antrag auf Erbauung eines zeitgemäßen Schlachthauses. 1895 kaufte die Stadt ein 3800 Quadratmeter großes Gelände links des Hornbachs in der Bubenhauser Straße. Die Hospitalwiese wurde von den Metzgern aber wegen der weiten Entfernung, des Schienenübergangs und der Überschwemmungsgefahr abgelehnt. Die Alternative, die Stegwiesen, wo sich heutzutage das John-Deere-Werk befindet, schied wegen der hohen Kosten aus. So beschloss der Stadtrat Ende 1896, ein doppelt so großes Gelände zwischen Hornbach und Ixheimer Straße mit möglichem Bahnanschluss zu erwerben.

Der kommunale Schlachthof Zweibrücken wurde am 28. Mai 1900 feierlich eingeweiht und unmittelbar in Betrieb genommen. In der Festschrift zum Jägerfest in Zweibrücken vom 28. bis 30. Juli 1900 steht zu lesen: „Oberhalb des Bahneinschnittes erheben sich in majestätischer Einfachheit die in den Jahren 1893 und 1896 erbauten Infanterie-Kasernen, während rechts der Ixheimer Straße der neue, in diesem Jahr vollendete Schlachthof gelegen ist, welcher mit Rücksicht auf seine der Neuzeit voll und ganz entsprechende Einrichtung zum Besuche empfohlen wird.“

Der Schlachthofdirektor war bekannter als die Bürgermeister

Schlachthofdirektor Jakob Semmler gehörte zu den Honoratioren der Stadt und war bekannter als die Bürgermeister. War doch damals wie heute die Landwirtschaft systemrelevant. In Adressbüchern von Zweibrücken zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind ein Verein der Schlachtvieh- und Fleischbeschauer und ein Schlachtviehversicherungsverein nachgewiesen, der Metzger und Landwirte vor Schaden bewahren sollte.

Mitten auf dem Gelände wurde das Hauptgebäude errichtet. Es beinhaltete die Großviehschlachthalle, die Schweineschlachthalle, das Kühlhaus mit den Kühlzellen, den Vorkühlraum, den Kesselraum und den Maschinenraum. Daneben waren die Kuttelei, in der Innereien und Därme bearbeitet wurden, die Anlage zur Erzeugung von Eis, sowie die Ställe für das Großvieh und die Schweine. Im Nebenbau befanden sich die Freibank, der Seuchenstall und der -schlachtraum, die Freibank, der Lagerraum für die Häute, ein Stall für Einstellpferde, eine Wagenremise und ein Geräteschuppen. Im zweistöckigen Verwaltungsgebäude am Eingang des Geländes war die Wohnung für den Schlachthausdirektor.

Der Viehmarkt blieb am Hallplatz

Bereits 1900 wurde eine Fleischhackerei mit Fleischhackmaschinen errichtet. 1901 erfolgte der Bau einer Dunggrube. 1903 kam ein kleines Pökelhaus hinzu. 1905 wurde ein Apparat aufgestellt, mit dem beanstandete Tierteile und Abfälle thermisch beseitigt werden konnten. Die Eiserzeugungsanlage hatte eine tägliche Höchstleistung von 56 Zentnern Eis. Damit war sie zu klein, um die Nachfrage decken zu können. Besonders im heißen Sommer 1911. Der Viehmarkt für das Nutzvieh blieb zunächst am Hallplatz, bis 1912 das Anschlussgleis bei der Erbauung der Hornbachtalbahn verlegt wurde. Dann fand er am Schlachthof statt. Der Eisenbahnanschluss mit einer betonierten Ausladerampe und der Stall für Auslandsvieh ermöglichten die Einfuhr von Tieren aus Österreich, Dänemark und sogar Schweden. Im Jahr 1911 bereits kamen drei Viertel aller Schweine von auswärts, darunter von den Viehmärkten in Mannheim und Hamburg. Ein Höhepunkt hinsichtlich Schlachtungen war das Jahr 1915 mit fast 13.000 Schlachtungen, darunter 5800 Schweine, 2960 Kälber, 2388 Jungrinder, 352 Kühe, 696 Ochsen und 61 Pferde.

Historisch wichtig ist das Anfang Juni 1900 verkündete „Gesetz betreffend die Vieh- und Fleischbeschau“, das am 1. April 1903 in Kraft trat. Dadurch musste ab Juli 1904 die Schlachtstatistik verpflichtend geführt werden. Für das Militär wurde 1906 die fakultative Trichinenschau eingeführt, die Untersuchung auf Fadenwürmer. Aus sanitären Gründen beschloss der Zweibrücker Stadtrat ab Januar 1910 den Schlachthauszwang für Hausschlachtungen. 1914 baute man zum raschen Töten der Schweine eine Schweinefalle von Wiltmann ein. Ein Mitarbeiter konnte dadurch allein schlachten.

Im Ersten Weltkrieg war in den Stallungen des Schlachthofs die städtische Viehhaltung untergebracht. Rund 40 Milchkühe versorgten die Bevölkerung mit Milch. Ein anderer Raum beherbergte die städtische Schlachterei. Im Rahmen der Zwangsbewirtschaftung der Lebensmittel war dem Schlachthof die Fleischversorgungsstelle angegliedert. 1917 wurde im Pferdeschlachtraum eine Säuglingsmilchküche eingerichtet, die auch noch nach dem Krieg betrieben wurde.

Nur noch Töten mit dem Hammerschlag erlaubt

Die Wagenhalle des Schlachthofes entstand 1934. Im selben Jahr wurde auch die Kühlanlage vergrößert. Die geplante Erweiterung der Rinder- und Schweineställe konnte wegen des Zweiten Weltkriegs nicht umgesetzt werden. Das Dritte Reich brachte auch für den Schlachthof viele Veränderungen. Im Jahr 1930 waren von über 30.000 Viehhandelsfirmen über die Hälfte in jüdischer Hand gewesen. Mit der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom November 1938 wurde ihnen der Viehhandel endgültig untersagt. Flächendeckend wurden auch die jüdischen Koscher-Metzgereien verboten. Gleichzeitig erließen die Nazis Gesetze zum Tierschutz. Das Schlagen und Stoßen in die Augen der Schlachttiere wurde verboten, das Schächten als Tierquälerei gebrandmarkt – wodurch auch das rituelle Schächten im Judentum verboten war. Die Hammerschlagmethode war die einzig zulässige Schlachtmethode.

Im Jahr 1934 wurde in Zweibrücken die „Freie Metzger-Innung“ in eine Zwangsinnung umgewandelt. 1937 führte man den sogenannten Mittelmarkt ein, um die Metzger bei den Einkäufen über Agenturen vor Gewichtsbenachteiligen zu schützen. Die zum Schlachten aufgekauften Tiere mussten zwölf Stunden nüchtern bleiben, bevor sie gewogen wurden. Einher ging die Verpflichtung für sämtliche Metzger aus dem Stadt- und Landkreis Zweibrücken sowie dem Bliestal, im Zweibrücker Schlachthof zu schlachten. Bei der Bombardierung der Stadt traf es lediglich den Schweinestall sowie die darüber befindlichen Büroräume und eine Wohnung.

Schlachthof wurde 1979 verkauft

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das Vieh wieder frei gehandelt werden. Der Schlachthofzwang für die Metzger des Stadtkreises blieb bestehen. Auch die Hausschlachtungen mussten dort vorgenommen werden. Personal zum Schlachten wurde von der Stadt nicht gestellt.

Im August 1979 wurde der Schlachthof an das Unternehmen Südfleisch mit Zentrale in München verkauft. Der bisherige Mieter seit Anfang der 70er Jahre spielte dabei die beiden Schlachthöfe Pirmasens und Zweibrücken mit der langen Hinhaltetaktik von anderthalb Jahren gegeneinander aus. Im April 1980 sagte Südfleisch-Gebietsleiter Hans-Rudolf Backhaus, intern habe man sich schon längst für Zweibrücken entschieden gehabt. Vor dem Verkauf war der Schlachthof noch für über zwei Millionen Mark saniert worden.

Ein Zweibrücker Original im Supermarkt

Südfleisch war eng verzahnt mit den Firmen Südvieh und Lutz. 1969 waren sämtliche Verarbeitungsbetrieb der Südvieh und Südfleisch unter Wilhelm Lutz KH firmiert worden. In der späteren Südfleisch Holding, zum Vion-Konzern gehörend, waren außer Lutz neben anderen Atlas und Südostfleisch. Lutz-Produkte konnte man in Zweibrücken in der Fleischabteilung des Supermarktes Schreiber in der Hauptstraße 56 kaufen, wo früher das Kino Schloss-Theater war und heute NKD ist. Geleitet wurde dieser vom Zweibrücker Original Walter Pirmann, dem „Schreiber Walter“, den Fleischverkauf machte Dieter Koch. Der gelernte Metzger aus Breitfurt war danach fast 30 Jahre in der Schlachthofstraße im Verkauf tätig.

Südfleisch übernahm ab 1. Januar 1980 das 15.000 Quadratmeter große Gelände am Hornbach. Bürgermeister Jürgen Lambert, zuständiger Dezernent für den Schlachthof unter Oberbürgermeister Werner von Blon, verteidigte den Verkauf. In den fünf Jahren zuvor habe der Schlachthof trotz sach- und fachgerechter Führung dem städtischen Haushalt ein Verlust von 950.000 Mark eingebracht. Schlachthofdirektor war seit 1957 Waldemar Thomas. In den 60er Jahren ließ er den Schlachthof umbauen. Bei dem Verkauf sei sichergestellt worden, sagte Lambert, dass der Schlachthof ein „öffentlicher Schlachthof“ bleibt. Die Schlachthofsatzung und der Schlachthofzwang für gewerbliche Schlachtungen blieben bestehen.

46.000 Schweine im Jahr geschlachtet

Nach dem Kauf führte Südfleisch Sanierungs-, Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen durch. Im Zuge des ersten Bauabschnitts wurde eine große Zerlegehalle errichtet. Schlachtung und Zerlegung wurden auf vorwiegend maschinell umgestellt – mit einem Rinderschlachtband und einer Zerlegestraße für Schweine. Die Kühlräume erfuhren eine Neugestaltung. Die Inbetriebnahme fand im Oktober 1981 im Rahmen eines „Tags der offenen Tür“ statt.

Für das Jahr 1991 gab Südfleisch an, 46.000 Schweine und knapp 6000 Stück Großvieh geschlachtet zu haben. Den Jahresumsatz der Geschäftsstelle Zweibrücken bezifferte das Unternehmen auf 40 Millionen Mark bei einem Konzernumsatz von 3,5 Milliarden Mark. Als EG-Schlachthof vermarktete Südfleisch auch nach Frankreich. 1992 kam Südfleisch in massiven Konflikt mit dem Gewerbeaufsichtsamt. Die Behörde verlangte die Installation einer Abgasreinigungsanlage und die Reduktion der Lärmbelästigung der Anwohner. Aufgrund der EU-Frischfleischrichtlinie sollte das Unternehmen weitere Investitionen tätigen, da Südfleisch und die Schlachthof-Betriebs GmbH wie elf weitere Schlachthöfe in Rheinland-Pfalz als EU-Schlachthof zugelassen war. Südfleisch wurde daraufhin zur Standorterhaltung vom Land Rheinland-Pfalz nicht unerheblich gefördert.

Inhaber zählt zu den 1500 größten Familienunternehmen in Deutschland

Am 1. Januar 1998 übernahm die Firma Emil Färber mit Hauptsitz im badischen Emmendingen den Schlachthof Zweibrücken. An Färber war Südfleisch schon seit Jahren beteiligt. Bei der Neuorganisation reduzierte Färber die Schlachtungen im Schlachthof Pirmasens. Robert Strasser, Mitglied der Firmenleitung, sagte im August 2002 auf die Vermutung, dies sei der Anfang vom Ende: „In Pirmasens wird weiter geschlachtet.“ Bis 2003 hatte Färber sich verpflichtet, dort zu schlachten. Dann gab das Unternehmen den Standort auf. In Zweibrücken hat Färber unter Verweis auf Personalmangel Ende August 2023 den Schlachtbetrieb beendet. In Fachkreisen wird vermutet, dass die Unternehmerfamilie Kempter/Gisinger beabsichtigt, die Immobilie zu verkaufen. Geschäftsführer Manfred Kempter wollte sich auf eine Anfrage nicht dazu äußern. Am Färber-Standort Lörrach wurde ab 31. Mai 2018 nicht mehr geschlachtet. Als Hauptgrund wurde Fachkräftemangel angeführt. Mitte April 2021 gab Färber die Schlachtlizenz für Neuruppin zurück. Anschließend wurde der Schlachthof veräußert. Laut dem Informationsnetzwerk „Die Deutsche Wirtschaft“ (DDW) machte Färber im Jahr 2021 einen Umsatz von 162,8 Millionen Euro. Stand Anfang 2024 hat das Unternehmen 633 Mitarbeiter und nimmt im „Ranking der Top Familienunternehmen in Deutschland“ Rang 1448 ein.

x