Zweibrücken Marlene, der große Max und der humorvolle Marcel

Über 20 Jahre lang war er nicht mehr in Saarbrücken, weil er sich über die Stadt geärgert hat. Doch morgen, Dienstag, kommt er, um aus einer Autobiografie und der seiner Vaters zu lesen, deren Neudruck er veranlasste: Marcel Ophüls (86), Dokumentarfilmer, Oscar-Preisträger („Hotel Terminus“ 1989) und Sohn von Saarbrückens berühmtestem Künstler, dem Filmregisseur Max Ophüls (1902-1957).

Marcel Ophüls war – wie Max Ophüls’ inzwischen verstorbene Schwester Friedel Heilbronner – verärgert, als das Saarbrücker Max-Ophüls-Festival 1999 mit dem Dokumentarfilm „Beruf Neonazi“ eröffnete, wo doch Max Ophüls als Jude von den Nazis verfolgt wurde und das Land verlassen musste. Sohn und Schwester empfanden das als taktlos und boykottierten Saarbrücken fortan. Die städtischen Beteiligten von damals sind nicht mehr am Ruder, und der neue Kulturdezernent Thomas Bruck setzte sich für einen Besuch von Marcel Ophüls ein, der im Februar in Berlin bei der Berlinale die Goldene Kamera für sein Lebenswerk entgegennahm und viel über sich und seinen Vater erzählte. Schon der Titel der Autobiografie zeigt, wie sehr der kleine Marcel zu seinem Vater aufblickte und von ihm geprägt wurde, was den Leser immer wieder schmunzeln lässt, wenn Marcel von seinem Vater in der Berliner Zeit schreibt: „Der große Max entschied sich zum Kauf einer prachtvollen Gründerzeitvilla mit extrem hohen Decken, und ich hatte nunmehr Anspruch auf eine Gouvernante, eine sehr dickte Dame, die auch als Köchin fungierte“. Das ganze Buch ist in diesem sehr unterhaltsamen Stil verfasst und daher liest es sich einfach wunderbar. Die Art, wie Fakten und Erfahrungen verknüpft werden, ist anekdotenorientiert. Etwa, wenn Marcel nach gut 100 Seiten endlich auf die eigene Karriere zu sprechen kommt, die begann, als Marlene Dietrich jemanden suchte, der Texte für sie ins Deutsche übersetzte und Marcel von einer Freundin empfohlen wurde. Marlene lud Marcel zu Essen ein „und sie sprach mit mir über ihre Liebhaber“, erinnert sich Marcel. Auch seine Begegnung mit Hitlers Architekt Alfred Speer, den er für „Nicht schuldig“ (1976) interviewte, ist aufschlussreich: Speer zeigte ihm, dass die Nazis parallel zur US-Firma Technicolor schon mit Agfa Aufnahmen in Farbe drehten und führte Marcel Familienfilme vor. Im Gegensatz zu Biografien anderer Regisseure erweist sich Marcel als uneitel und bodenständig, er schimpft aufs Fernsehen, dem er erst den festen Job und später die Drehgelder verdankte und erklärt viele Dinge im Hintergrund des Filmgeschäfts. Das tat Vater Max nicht, seine Autobiografie ist eigentlich auch keine. Max verfasste sie 1945/1946, als er in Hollywood ankam und Fuß fassen wollte, aber nur wenige seine europäischen Filme kannten, quasi als Empfehlungsschreiben. Veröffentlicht hat sie Marcel erst nach Max’ Tod – notgedrungen, weil Max für ein Buch bereits einen Vorschuss ausgegeben hatte, den Marcel nicht zurückzahlen konnte und der Verleger etwas Druckbares haben wollte. „Spiel im Dasein“, ist das Buch betitelt, das sprachlich wesentlich eleganter ist als das von Marcel. Auch hält sich Max mit Gefühlsausbrüchen und Beschimpfungen zurück, selbst das Übergreifen der Nazis auf sein Filmschaffen beschreibt er eher sachlich. Aber es gibt auch richtige kleine Inszenierungen, etwa, wenn Max den Abend vor seiner spontanen, gerade noch rechtzeitigen Abreise aus Nazi-Deutschland Revue passieren lässt. Da sitzt er mit der Schauspielerin Käthe Dorsch, mit der er vorher für ein Theaterstück geprobt hatte, am Kamin bei Cognac. Sie sagt ihm, dass sie dafür sorgen wird, dass man ihn, Max, „unbelästigt lässt“. Sie kenne Göring gut, der habe ihr das zugesagt. Doch am Tag danach sah Max wie ein ehemaliger Stationsvorsteher, ein Nazi, das Berliner Theater übernahm, in dem er inszenierte. Da rief er seine Frau an, sagte „Packen“ und sie verließen am selben Tag Berlin in Richtung Frankreich, was mit den saarländischen Bürgerpapieren kein Problem war, wie Max notierte. (Fotos: Verlag) Lesung, Bücher, Film —Lesung: Morgen, Dienstag, 20 Uhr, Saarbrücken, Filmhaus, Mainzer Straße 8, liest Marcel Ophüls aus den Büchern und signiert. Eintritt: sieben Euro, ermäßigt fünf. —Film: Übermorgen, Mittwoch, 20 Uhr, Saarbrücken, Filmhaus, spricht Marcel Ophüls die Einführung zum Film „Liebelei“ (1933) von Max Ophüls. Der Eintritt ist frei. —Buch: Marcel Ophüls: „Meines Vaters Sohn. Erinnerungen“, 320 Seiten, Popyläen Verlag Berlin 2015, 22 Euro. —Buch: Max Ophüls: „Spiel im Dasein. Eine Rückblende“, Seiten, 310 Seiten, Alexander Verlag Berlin 2015, 24,90 Euro.

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