Leitartikel Tadano-Demag Tadano plant schon lange harten Eingriff

Testfläche für Autokrane unterm alten Wasserturm der Amerikaner auf dem Wallerscheid. Komme, was wolle, sagt Tadano-Standortchef
Testfläche für Autokrane unterm alten Wasserturm der Amerikaner auf dem Wallerscheid. Komme, was wolle, sagt Tadano-Standortchef Jens Ennen, Werksschließungen seien im nun angestoßenen »ergebnisoffenen Prozess« kein Thema.

Einmal durchgeschüttelt, alles fliegt raus – wie in einem Puppenhaus räumt Tadano in Zweibrücken und Lauf neu ein. Man hätte das ohnedies getan, auch ohne Insolvenz.

Als sich Koichi Tadano am 1. August vorigen Jahres in Party-Laune bei der Zweibrücker Belegschaft als ihr neuer oberster Boss vorstellte, war klar: Der Mann hat einen Sanierungsfall übernommen. In 17 Jahren unter Voreigentümer Terex war das Vertrauen in die einst geschätzten Demag-Mobilkrane unter die Räder gekommen. Trotz einer hoch qualifizierten Mitarbeiterschaft, vom Schlosser bis zum Entwicklungsingenieur. „Lasst uns einfach mal Krane bauen“, lautete jahrelang der Appell an die Herrn in Westport/Connecticut. Er blieb unerhört. Betriebskapital, im umfassenden Sinne, wurde vom Hof gejagt, Demag Zweibrücken nicht zuletzt durch Verlagerungen von für die Qualität maßgeblichen Arbeitsschritten geschwächt. Die Folgen waren in Berichten über die Entwicklung von Marktanteilen nachzulesen. Die Wettbewerber – Liebherr & Co. – wurden die größten Fans des Managements von Terex. Zynisch, aber wahr.

Wie wird der Patient nach der Rosskur aussehen?

2019 kam Tadano, und die Mitarbeiter feierten die ehrgeizigen Japaner wie Erlöser. Der eingeräumte Vertrauensvorschuss überstieg bei Weitem den Kaufpreis von 190 Millionen Euro und ist auch jetzt noch hoch. Koichi Tadano war klar: Die neue Tochter ist krank, muss gesunden, um zu erstarken. Von der Übernahme im August bis zum Jahresende 2019 war ein Betriebsverlust von 16 Millionen Euro zu verkraften. Koichi Tadanos Hoffnung: Es besteht die Chance, die neue pfälzische Tochter gemeinsam mit der alten, auch nicht beschwerdefreien im fränkischen Lauf (Betriebsverlust 2019: 24 Millionen Euro) in Kur zu schicken und etwas Gesundes, Starkes, Neues entstehen zu lassen. Dem Tadano-CEO war bewusst: Die Behandlung wird zur Rosskur.

Im Juli wurde die Tadano Europe Holdings mit Sitz im alten Verwaltungsgebäude an der Dinglerstraße gegründet. Zweck: Führung und Entwicklung aller europäischen Geschäfte des Konzerns von Zweibrücken aus. Zentrale Funktionen wie die Mitarbeiter-Verwaltung, Vertrieb, Rechnungswesen, IT, wechseln von den Werken Zweibrücken und Lauf zur Holding – mit dazugehörigem Personal. Die Tadano Demag GmbH Zweibrücken und die Tadano Faun GmbH Lauf werden nach dem Plan zu schlanken Produktionseinheiten, Konzern-Abteilung „Blaumann“.

Die Entscheidung für die Holding-Gründung ist lange vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie gefallen. Standortchef Jens Ennen räumt ein, die Auftrags- und Marktentwicklung sind seit langem schlecht. Mit Unabsehbarem wird die Flucht unter den „Schutzschirm“ der Insolvenz in Eigenverwaltung auch gar nicht erst begründet.

Um im Bild zu bleiben: Tadano nutzt das Instrument der Insolvenz zur ohnehin verordneten Rosskur. Ein chirurgisches Instrument, geeignet für Amputationen. Der Patient wird den Eingriff überleben. Die Frage ist nur: Wie wird der Patient danach aussehen? Wie viele Glieder wird er noch haben? Und wird er sich noch erinnern können, einmal Demag und Faun gewesen zu sein?

Über Zahlungen der Agentur für Arbeit greifen jetzt viele Demag unter die Arme

Die Öffentlichkeit hat Erwartungen. Tadano Demag ist mit 1580 Mitarbeitern (vor zehn Jahren noch 2500) der größte Arbeitgeber der Stadt, die Existenzgrundlage für viele Südwestpfälzer, Saarpfälzer, Lothringer. Es geht um das Schicksal fleißiger Menschen und deren Familien. Es geht um die Zweibrücker Wirtschaft. Es geht um eine weltweit bewunderte Kompetenz zum Bau von Hightech-Produkten. Kranen, an denen häufig Themen der Weltwirtschaft hingen und hängen – früher Stahlkuppeln von Atomkraftmeilern, heute Getriebehäuser großer Windkraftanlagen.

Die Öffentlichkeit – voran Steuerzahler, Einzahler der Arbeitslosenversicherung – greifen Tadano nun über die Gewährung von Insolvenzgeld der Agentur für Arbeit unter die Arme. Sie bezahlen die erkaufte Zeit, die sich Tadano unterm „Schutzschirm“ für die Vereinbarung des sicher längst in Aktenkoffern liegenden Sanierungsplans nimmt. Sie darf erwarten, dass um die Erhaltung eines jeden Arbeitsplatzes ernsthaft gekämpft wird. Und der Wille da ist, sich zu den Werken und den Menschen zu bekennen.

Wenn es jetzt schon schlechter wird, dann muss es in erkennbar naher Zukunft besser werden. Koichi Tadano steht dafür im Wort.

x