Zweibrücken „Weil Bob Dylan nicht Kisuaheli singt“

Heinz Rudolf Kunze
Heinz Rudolf Kunze

„Schöne Grüße vom Schicksal“ heißt das jüngste Album des Liedermachers und Rockpoeten Heinz Rudolf Kunze. „Schöne Grüße vom Schicksal“ heißt auch die Tournee, die ihn am Freitag, 1. Februar, 20 Uhr, in die Zweibrücker Festhalle führt. Über die CD, die Tour und Belanglosigkeiten in der neuen deutschen Popmusik sprach unser Redakteur Christian Hanelt mit dem 62-jährigen Musiker.

Die Tournee dreht sich um Ihr letztes Album „Schöne Grüße vom Schicksal“. Aber ist es nicht dennoch – wie bei den meisten Ihrer Kollegen – eine Art Best-of-Programm, weil das Publikum gerne die Hits hören will?

Ich bin noch nicht in der Rolling-Stones-Phase. Es gibt vieles, um das ich die Rolling Stones beneide, aber um eines nicht, dass sie nämlich seit 40 Jahren die gleiche Setlist spielen müssen. Bei mir ist das neue Album noch immer der Schwerpunkt der Tournee und drumherum gibt es natürlich dann auch ältere Titel. Kann sich eigentlich die Setlist im Laufe einer Tournee ändern, wenn Sie feststellen, dass die Dramaturgie nicht stimmig ist oder ein Titel beim Publikum nicht so gut ankommt? Nein. Also Gottseidank nicht. Wir haben uns viele Gedanken um die Dramaturgie und um die Abfolge der Songs gemacht. Diese Abfolge ist recht mutig, weil im ersten Teil sehr viel Neues kommt. Aber es hat sich bewährt. Einige Konzerte liegen bereits hinter uns, und die Leute gehen mit uns, wie wir uns das wünschen. Am Ende kommt ja dann auch die dicke Belohnung mit vielen alten Titeln. Sind Sie mit der Band auf Tour, mit der Sie auch die CD eingespielt haben? Diese Band plus zwei Chorsängerinnen und einem Chorsänger, wobei der Chorsänger auch noch Gitarre und eine Chorsängerin Geige spielt. Wir sind also mit acht Personen auf der Bühne – das ist eine ziemlich große Besetzung. Das Album heißt „Schöne Grüße vom Schicksal“. Wofür steht der Titel – einem Lied entnommen, ist diese Zeile nicht? Mir gefiel einfach die Formulierung gut. Ich habe eine Sammlung zu Hause von möglichen Albumtiteln. Das sind 40 oder 50 Formulierungen oder Worte, die mir irgendwann aufgefallen sind. Und ich fand einfach, dass dieser Spruch die 15 Songs dieses Albums sehr schön zusammenfasst, denn in den Liedern kommt so ziemlich alles vor, was das Schicksal anzubieten hat – von ganz finster bis ganz lustig. Sind Sie Fatalist? Als Fatalist würde ich das nicht bezeichnen. Ich hoffe, dass es ein Schicksal, eine Fügung oder einen Plan oder irgendsowas gibt. Mir wäre nicht wohl bei der Vorstellung, dass alles nur Zufall ist. Wie schreiben Sie Ihre Lieder? Ich schreibe das ganze Jahr über Texte. Für ein neues Album suche ich dann ein paar aus, die mich musikalisch anregen, bei denen ich Lust habe, ans Klavier oder an die Gitarre zu gehen. Aber warum ich dann von den vielen, die ich schreibe, gerade diese nehme, weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil mich bestimmte Worte stimulieren, mich mit einem Instrument auseinanderzusetzen. Auf diese Weise bleiben sicherlich auch viele schöne Texte unvertont. Letztlich ist es also eine Instinktsache – das kann ich nicht steuern. Ich habe mir zum ersten Mal den Spaß gemacht, an Silvester einmal nachzuzählen, wie viele Texte ich 2018 geschrieben habe, und die Zahl ist doch ziemlich schwindelerregend. Es waren 158 Sprech- und 303 Songtexte. Ich weiß gar nicht, wie ich das mache, denn eigentlich empfinde ich mich als faul. Schreiben Sie die Texte in einem Zug, oder ist das erst einmal nur eine Sammlung von Schnipseln? Die schreibe ich gleich komplett. Die Musik ist dann mehr mit Basteln und Mühe verbunden. Die Texte fließen einfach so aus mir heraus. Ich kann das nicht aufhalten. Ist es für Sie dann bei den Aufnahmen im Studio schwer, den Punkt zu finden, um loszulassen und nicht ewig weiter an einem Song zu basteln? Ja. Das ist nicht einfach. Aber irgendwann muss man einen Schluss finden. Also ich bin nicht so ein Besessener wie Brian Wilson – „Pet Sounds“ wäre mir nicht passiert. Ich möchte schnell zum Nächsten kommen. Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Ich habe mal gelesen, Hitchcock war auch so einer, dem hat nur das Ausdenken von Filmen Spaß gemacht, deren Realisation fand er dagegen eine entsetzlich öde Arbeit. So geht es mir im Studio auch oft. Seit 1981 ist ja kaum ein Jahr ohne ein neues Album von Ihnen vergangen. Ja. Bob Dylan könnte ich noch überholen. Johnny Cash schaffe ich dagegen nicht mehr, der hat 150 Alben hinterlassen. Das ist in diesem Leben für mich nicht mehr machbar. Aber Johnny Cash hat auch in einer Zeit gelebt, in der man als Countrysänger durchaus mal vier Alben im Jahr raushauen konnte. Das könnte ich auch ohne Mühe, aber ich darf nicht, die Plattenfirma lässt mich nicht. Gehen Sie Kompromisse für die Plattenfirma ein, die doch sicher einen Hit oder eine radiotaugliche Nummer auf einem Album haben will? Das braucht mir die Plattenfirma nicht aufzuzwingen. Ich weiß selbst, dass ich besser fahre, wenn ich ein, zwei Titel pro Album habe, die im Radio laufen können. Wenn ich die nicht habe und keine Single von mir im Radio läuft, erfahren die Menschen ja nicht, dass ich ein neues Album gemacht habe. Die Quittung bekommen wir dann im Album- und im Tourverkauf. Also ist es besser, man macht von alleine zwei, drei Songs, die eine Chance haben, im Radio vorzukommen. Ich will ja auch von den Menschen wahrgenommen werden. Allein vom Albumverkauf kann man als Musiker heute sicher nicht mehr leben? Ich habe 4,5 Millionen Alben verkauft – es geht mir also nicht gerade schlecht. Ich bin nicht auf Gedeih und Verderb angewiesen, jetzt immer noch viele CDs zu verkaufen. Natürlich möchte man, so viel wie möglich unter die Menschheit bringen – nicht nur, um Geld zu verdienen, sondern auch, um Wirkung zu erzielen. Man möchte ja auch, dass die Leute mitbekommen, was man gemacht hat. Aber es ist richtig, heutzutage macht man CDs um die Tourneen zu bewerben. Früher war das umgekehrt. War für Sie von Anfang an klar, dass Sie auf Deutsch singen? Ja. Ich habe zu einer Zeit begonnen, als noch jeder zweite Journalist gefragt hat, „Warum singen Sie nicht Englisch?“. Und da habe ich immer nur gesagt, „weil Bob Dylan nicht Kisuaheli singt“. Im Gegensatz zu früher, hört man heute sehr viel Popmusik mit deutschen Texten. Aber die sind doch meist sehr belanglos und unter Neue Deutsche Weinerlichkeit einzureihen. Mit Belanglosigkeit kann man heute halt am meisten ernten. Es gibt in Deutschland, was das Texten angeht, tatsächlich noch sehr, sehr viel Luft nach oben. Das sogenannte Land der Dichter und Denker hinkt da den Angloamerikanern weit hinterher. Und ich wundere mich manchmal, dass so alte Säcke wie Westernhagen und ich den jungen Leuten Frechheit beibringen müssen. Bei mir geht das zurück auf die angloamerikanische Prägung. Ich habe alles, was ich kann, von Angloamerikanern gelernt und habe mich für deutsche Musik relativ wenig interessiert. So hatte ich mir frühzeitig einen Ruf eingehandelt, besonders scharfe und böse Texte zu machen – dabei bin ich eigentlich ein ganz harmoniesüchtiger Mensch. Aber in meiner Arbeit bin ich manchmal unverschämter denn als Privatmensch. Was ist für Sie Erfolg? Erfolg ist – platt gesagt –, große Außenwirkung zu haben. Dann gibt es noch die andere Seite, wenn man das Gefühl hat, es ist einem etwas gelungen. Das hält allerdings nie lange vor – man muss bald wieder ran. Karten Karten für 44,20 Euro (Stehplatz Parkett) und 52,80 Euro (Sitzplatz Empore) gibt es im Zweibrücker Kulturamt, Telefon 06332/ 871451, und im Internet bei eventim.de und bei ticket-regional.de.

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