Panorama Bezahlte Angreifer

Karriere beschädigt: Schauspieler Smollett.
Karriere beschädigt: Schauspieler Smollett.

«Chicago.» Im Fall Jussie Smollett kehrt keine Ruhe ein. Die Polizei wirft dem US-Schauspieler vor, einen Angriff gegen sich selbst in Auftrag gegeben zu haben, doch die Staatsanwaltschaft lässt die Anklage fallen. Nun soll das FBI ermitteln, und die Stadt Chicago will Schadenersatz für die Ermittlungskosten.

Eigentlich hat Donald Trump zur Zeit genug zu tun. So ist er ausgiebig damit beschäftigt, seinen Triumph in der Mueller-Untersuchung in politisches Kapital umzuwandeln. Dennoch fand er in den frühen Morgenstunden des vergangenen Mittwochs Zeit, per Twitter eine Gerichtsentscheidung in Chicago zu kommentieren, die auf die nationale Politik nur vergleichsweise geringe Auswirkungen hatte. „Das FBI und das Justizministerium werden das genau untersuchen“, kündigte er an, freilich ohne vorher mit den genannten Behörden gesprochen zu haben. „Der empörende Jussie-Smollett-Fall in Chicago ist eine Peinlichkeit für unsere Nation.“ Anlass für Trumps Twitter-Erregung: Staatsanwalt Joe Magats ließ die Anklage gegen Jussie Smollett fallen. Dem Schauspieler war Betrug in mehreren Fällen vorgeworfen worden, nachdem er einen Angriff auf seine Person auf den Straßen von Chicago inszeniert hatte, um Aufmerksamkeit auf sich zu richten. Der Fall bewegte die Nation und Donald Trump, weil er einen bissigen Kommentar der gegenwärtigen politischen Kultur des Landes darzustellen schien. Smollett, Star der TV-Serie „Empire“, ist offen homosexuell und schwarz. Die vermeintliche Attacke gegen ihn sah aus wie ein Hassverbrechen. So marschierte der 36-Jährige mit einer Schlinge um den Hals, welche die beiden Angreifer ihm umgelegt haben sollen, in ein Chicagoer Polizeirevier. Das Symbol des Lynchmordes ist für Afroamerikaner bis heute ein schmerzhaftes Andenken an die Zeiten staatlich sanktionierter Gewalt gegen sie. Zudem wies Smollett mehrfach darauf hin, dass dies „MAGA-Land“ sei, eine Anspielung auf Trumps Slogan „Make America Great Again“. Damit deutete er ab, der Präsidenten sei Triebkraft von Attacken gegen Minderheiten. Als sich im Laufe der Ermittlungen schnell herausstellte, dass Smollett zwei Schauspieler angeheuert hatte, um die Attacke zu simulieren, richtete sich jedoch der Zorn sowohl der Rechten im Land als auch der Linken gegen Smollett. Er habe mit solchen Spielchen wahren Opfern von Diskriminierung in den USA nicht eben einen Gefallen getan, hieß es von Bürgerrechtskämpfern. Kommentatoren auf der rechten Seite des politischen Spektrums werteten das Verwirrspiel hingegen als weiteren Beleg für eine politische Korrektheit im Land, die überhand nehme. Nun sind sich Linke und Rechte in der Kritik am Urteil erneut einig. Der Staatsanwalt verteidigte indes seine Entscheidung damit, dass das in solchen Fällen durchaus üblich sei. Die Stadt hatte die Kaution von 100.000 Dollar einbehalten, Smollett wurde zu zwei Tagen Sozialdienst verdonnert. Damit sei der Gerechtigkeit Genüge getan. Für schuldig hielt der Ankläger Smollett trotzdem. Gestraft ist der Schauspieler, der weiter seine Unschuld beteuert, ohnehin. Laut PR-Experten ist der Schaden an seiner Karriere irreparabel. Aus den letzten „Empire“-Episoden wurde seine Figur bereits gestrichen.

x