Panorama Bizarrer Streit um Affen-Selfies

Fotograf David J. Slater glaubte, mit den Selfies von Makake Naruto das Motiv seines Lebens geschossen zu haben. Stattdessen lan
Fotograf David J. Slater glaubte, mit den Selfies von Makake Naruto das Motiv seines Lebens geschossen zu haben. Stattdessen landete er deshalb vor Gericht.

«London/San Francisco.» Ein Makake, der Selfies knipst, ein Naturfotograf, der sich in den Ruin getrieben sieht und eine Wissenschaftlerin in Handschellen: Der Streit um das Urheberrecht eines Affen an seinem Selfie sorgt für Aufsehen.

Ein Affe auf der indonesischen Insel Sulawesi grinst im Jahr 2011 in die Linse einer Kamera und drückt ab. Die Bilder gehen als „Affen-Selfies“ um die Welt. Ein britischer Fotograf, David J. Slater, glaubt das Motiv seines Lebens geschossen zu haben. Er vermarktet die Fotos. Doch bald schon wird angezweifelt, dass er die Rechte an den Bildern besitzt. Müsste das Urheberrecht nicht dem Affen gehören? Oder gehören sie der Allgemeinheit? Seit 2015 klagt im US-Staat Kalifornien die Tierrechtsorganisation Peta im Namen des Affen Naruto auf die Rechte an den Bildern. Der Fall wurde vor kurzem vor einem Gericht in San Francisco verhandelt, nachdem die Klage zunächst abgewiesen worden war. „Ich bin der erste Mensch in der Geschichte, der von einem wilden Tier verklagt wird, glaube ich“, sagt Slater. Es geht um die Frage, ob ein Tier Urheberrechte besitzen kann. Der Affe habe die Bilder gemacht, ihm sollten die Rechte gehören, sagt Peta-Justiziar Jeffrey Kerr. „Er sollte nicht anders behandelt werden, nur weil er kein Mensch ist.“ Doch während die Tierrechtsaktivisten davon ausgehen, dass der Affe die Kamera selbst in die Hand nahm, berichtet Slater, wie er die Tiere dazu verleitet habe. Ob es ein Urteil geben wird, ist ungewiss. Die Streitparteien verhandeln derzeit über einen Vergleich. Morgen wollen sie das Gericht darüber informieren. Doch für Slater hat der Prozess dramatische Folgen, wie er sagt. Der Fotograf fürchtet um seine Existenz. Er sei infolge des Verfahrens emotional und finanziell abgebrannt. Für die Anwaltskosten habe er sich tief verschulden müssen. Einnahmen aus der Vermarktung der Bilder habe er kaum. Grund sei, dass eines seiner Fotos von der Online-Datenbank Wikimedia-Commons als urheberrechtsfrei geführt werde. Die Stiftung argumentiert, das Bild sei im öffentlichen Besitz und könne frei verwendet werden, weil ein Affe es gemacht habe. Die US-Behörde für Urheberrecht scheint diese Ansicht zu unterstützen: Ein Foto, das ein Affe gemacht habe, könne nicht urheberrechtlich geschützt werden. Slater dagegen sieht sich um die Früchte seiner Arbeit gebracht. Seiner Ansicht nach hat er das Foto gemacht – egal, wer den Auslöser gedrückt habe. Er schätzt, dass seine Fotos rund 50 Millionen Mal genutzt wurden. Für weitere Klagen fehlten ihm aber Geld und Kraft. Auch die deutsche Primatologin Antje Engelhardt sieht durch den Fall ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet. Die Wissenschaftlerin hatte sich der Peta-Klage zunächst angeschlossen. Die 47-Jährige forscht seit mehr als einem Jahrzehnt mit den Tieren; den Affen Naruto kennt sie wie sonst niemand. Ohne sie wäre es für Peta kaum möglich gewesen, im Namen des Affen zu klagen, denn es brauchte einen „nächsten Freund“, um glaubhaft die Interessen des Tieres vertreten zu können. Engelhardt hoffte darauf, die Klage könne zum Schutz der stark bedrohten Tierart beitragen. Inzwischen zog sie sich von dem Prozess zurück. Grund sei ein Streit mit der Tierrechtsorganisation. „Meiner Meinung nach sollte diese Klage nur zum Wohle des Klägers sein und nicht zum Wohle irgendjemand anderes.“ Mehr will Engelhardt aus Angst vor Klagen der Tierrechtler nicht sagen. Denn die Primatologin steht in den USA wegen Belästigung und unerlaubten Betretens eines Privatgrundstücks vor Gericht. Sie habe Differenzen mit Peta-Anwalt Kerr klären wollen, sagt sie. Doch dazu kam es nicht. Als sie an seiner Haustüre klingelte und dann in den Garten ging, sei die Polizei verständigt worden. Engelhardt landete in Handschellen in einer Zelle. Schon jetzt überstiegen auch bei ihr die Anwaltskosten ihre finanziellen Mittel „bei weitem“.

x