Mentholzigaretten Das Aus für Helmut Schmidts geliebten Glimmstängel
Niemand steht so für die Mentholzigarette wie Helmut Schmidt. Schon 2013, ein Jahr bevor in der EU das Verbot der Mentholzigaretten beschlossen wurde, verbreitete der damalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Legende, dass der Altbundeskanzler 200 Stangen seiner Stammmarke Reyno im Keller seines Hauses in Hamburg gehortet habe – aus Angst, seine geliebten Glimmstängel bald nicht mehr zu bekommen. Noch lange nach seinem Tod 2015 wurden immer wieder Schachteln auf seinem Grab gefunden.
Ab Mittwoch haben Raucher mit Vorliebe für Mentholzigaretten und ohne Vorrat ein Problem: Dann tritt in der EU endgültig ein Verkaufsverbot für alle Zigaretten und Drehtabak mit charakteristischen Aromen in Kraft. Es ist das Ende einer vierjährigen Übergangsphase für Produkte mit einem höheren Marktanteil als drei Prozent. In Deutschland betrifft das immerhin 2,1 Prozent der Raucher, wie aus einer Studie in der Fachzeitschrift „TID“ („Tobacco Induced Diseases“, etwa: durch Tabak ausgelöste Krankheiten) hervorgeht.
Vergebliche Suche
Die Geschichte von Schmidts Zigarettenvorrat stellte sich letztlich als falsch heraus. „Entsprechend dem berühmten Schmidt-Zitat ,Willen braucht man – und Zigaretten’ im Haus im Neubergerweg zwar einen reichhaltigen Fundus an Zigaretten und Schnupftabak-Dosen gefunden“, sagt Ulfert Kaphengst von der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, die den Privatbesitz von Helmut und Loki Schmidt inventarisiert. „Allein die ,200 Stangen im Keller’ suchen wir noch vergeblich.“
Nun geht es den Mentholkippen also an den Kragen. Ziel ist es unter anderem, die Raucherquote von Jugendlichen zu senken. Aber was ist so schlimm an den aromatisierten Zigaretten? „Das größte Problem an dem Menthol ist, dass es eine kühlende und schmerzlindernde, leicht betäubende Wirkung hat“, sagt Katrin Schaller von der Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Dies führe dazu, dass der normalerweise kratzige Rauch leichter zu inhalieren sei. Das mache Mentholzigaretten vor allem für Rauch-Neulinge attraktiv.
„Willkürliche Regulierung“
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jährlich acht Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen von Zigarettenkonsum. Aus gesundheitspolitischer Sicht sei das EU-Verbot also zu begrüßen, sagt Schaller.
Jan Mücke spricht hingegen von einer „willkürlichen Regulierung“ auf EU-Ebene. Er sei Mentholraucher und habe einen Vorrat angelegt, sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse. Die Begründung für das Verbot überzeuge ihn nicht. Die Quote rauchender Kinder und Jugendlicher gehe schließlich seit Jahren zurück – trotz Mentholzigaretten.
Nachfolgeprodukte in den Startlöchern
Tatsächlich ist die Raucherquote der Zwölf- bis 17-Jährigen laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seit 2001 von 27,5 auf 6,6 Prozent 2018 gesunken. Der Anteil jugendlicher Nichtraucher war nie größer. Auch das Argument, das Menthol erleichtere das Inhalieren des Rauchs, hält Mücke für nicht belegt.
Das Verbot von Mentholzigaretten bedeutet aber nicht, dass Raucher künftig auf Zigaretten mit Menthol-Geschmack verzichten müssen. So weist ein Händler auf seiner Internetseite darauf hin, dass diverse Hersteller mit Nachfolgeprodukten in den Startlöchern stünden. Das deutsche Unternehmen Reemtsma etwa setzt seit April auf Aromakarten. Diese müssen einem Sprecher zufolge mindestens eine Stunde in die Zigarettenschachtel gesteckt werden, um ihr Aroma abzugeben. Reemtsma nimmt am Mittwoch allerdings auch vier Zigarettensorten aus dem Sortiment.