Italien Das Sterben der Olivenbäume
Die Straßen durch die Landschaft Apuliens in Süditalien sind gesäumt von Tausenden Olivenbäumen. „Als ich klein war und mit meinem Vater ans Meer ging, war auf dem Weg dahin immer alles satt grün“, erzählt Simone Chiriatti. „Der Olivenbaum war eine Pflanze, die das ganze Jahr über immer grün war“, erinnert sich der 31-Jährige. Heute hätten sich die Menschen hier an einen anderen Anblick gewöhnt. Ein silbriges Grau prägt die Szenerie. Das Feuerbakterium Xylella fastidiosa, ein eingeschleppter Schädling, raubt den Bäumen das Wasser – und nimmt ihnen damit nicht nur die grüne Farbe, sondern auch das Leben.
Patenschaften im Ausland
Chiriatti sitzt in einer Halle am Rande von Martano, einem kleinen Ort südlich von Lecce. Im Hintergrund die Maschinen, die es zum Pressen von Olivenöl braucht. Neben ihm am Tisch machen Stefano Presicce und Chiara Carra grüne Bänder an kleine viereckige Holzplaketten. Sie werden in ein paar Wochen an neu gepflanzten, adoptierten Olivenbäumen hängen. Einmal im Jahr bekommen die Paten für jeden adoptierten Baum einen Liter des grünen Goldes nach Hause geschickt.
Das ist das Konzept der gemeinnützigen Organisation „Olivami“, die Chiriatti im Januar 2022 gegründet hat. Sie setzt sich für die Wiederaufforstung der Region und für eine nachhaltige Landwirtschaft ein. Aber vor allem dafür, dass die Menschen einen persönlichen Bezug zur Region behalten oder herstellen. „Wir haben schon mehr als 35.000 Patenschaften vergeben“, erzählt Chiriatti. Rund 30 Euro kostet diese für einen Baum pro Jahr. Hier im Salento wütet das Feuerbakterium seit gut zehn Jahren und macht den Bäumen zu schaffen.
Idee kam durch Touristen
Die Idee zu „Olivami“ sei durch ein Gespräch mit Touristen entstanden, so Chiriatti. Ein Schweizer Paar, das seit mehr als 15 Jahren in den Salento reist, hatte sich mit ihm über die offensichtlichen Veränderungen der Gegend unterhalten. Aus der grauen Stadt kommend, hätten sie immer das alles beherrschende Grün der Region geschätzt. „Aber die letzten Jahre haben sie das Grau ihrer Stadt verlassen, um hier das Grau der Bäume vorzufinden“, sagt Chiriatti. Xylella habe die ganze Gegend zerstört: „Wo vorher grüne Bäume standen, stehen nun graue Skelette.“ Es soll in Apulien 20 Millionen Bäume infiziert haben.
Nicht nur die Umwelt, auch die Wirtschaft der Region leidet unter Xylella. „80 Prozent der Olivenproduktion ist aus der Region verschwunden, 5000 Arbeitsplätze sind verloren gegangen“, sagt Chiriatti. Der Direktor des italienischen Olivenverbandes Unaprol, Nicola de Noia, schätzt die wirtschaftlichen Verluste für die Region auf mehr als zwei Milliarden Euro.
2013 tauchten die ersten Nachrichten über das Feuerbakterium auf. Es war über eine Kaffeepflanze aus Costa Rica nach Italien gelangt. Die befallenen Pflanzen schaffen es nicht mehr, Wasser oder Nährstoffe aus dem Boden zu ziehen – und verdursten innerhalb weniger Monate. Bekämpfen kann man das Bakterium nicht, nur eindämmen. In den vergangenen Jahren wurden beispielsweise infizierte Bäume gerodet, damit die Zikaden das Bakterium nicht auf gesunde Bäume übertragen. Mit Erfolg: Statt 90 Prozent der Zikaden, die vor wenigen Jahren noch infiziert waren, sind es heute noch etwa 20 bis 30 Prozent.
Resistente Bäume verschenkt
Mit dem Geld, das „Olivami“ durch die Adoptionen sammelt, werden junge Olivenbäume gekauft, die gegen das Feuerbakterium resistent sind, sagt Chiriatti. Wenn die Bäume größer sind, werden sie an Kleinbauern in der Region verschenkt. 27.000 Bäume waren es bisher. „Wir haben bis heute etwa 250 Bauern geholfen und 250 Hektar Land wieder aufgeforstet“, erzählt Chiriatti.
Damit schließt der Verein auch eine Lücke. Für die Wiederaufforstung wurde zwar Geld von der EU bereitgestellt, das von der Region verwaltet wird. „Das Problem ist, dass es in Italien eine wirklich langsame Bürokratie gibt“, sagt Chiriatti. Im Durchschnitt vergingen etwa sieben Jahre zwischen dem Antrag auf Hilfe und der Pflanzung neuer Bäume. Viele hätten daher schon aufgegeben.
Ein weiteres Problem: Die Gelder kann nur beantragen, wer mindestens fünf Hektar Land hat. „Es wurden also nur die Großgrundbesitzer begünstigt, zum Nachteil der Kleinbauern“, kritisiert Chiriatti. 80 Prozent der Fläche des Salento würde aber von Menschen mit wenig Grund bewirtschaftet. Viele haben Olivenbäume, ohne dass eine unternehmerische Tätigkeit dahinter steckt. Vor allem ihnen will er helfen. Und damit auch die Identität und die Tradition der Region bewahren.