Panorama Für fünf Euro nach Polen

Lohnt sich: Billige Zigaretten locken Tagestouristen nach Polen.
Lohnt sich: Billige Zigaretten locken Tagestouristen nach Polen.

«Berlin.» Fünf Euro kostet das einfache Ticket zum „Polenmarkt“. Der Schnäppchenmarkt in Cedynia hinter der Oder-Brücke heißt tatsächlich so.

Schon eine halbe Stunde vor Abfahrt stehen die Leute Schlange am Bus. Dabei ist nicht Monatsanfang. Wenn es Hartz IV gibt, kann es voll werden. Das hat Monika König erlebt. „Ich bin einmal nicht mitgekommen“, erzählt die Rentnerin. Dreimal täglich fährt ein Shuttle-Bus von Berlin-Marzahn zum Einkaufen nach Hohenwutzen an der deutsch-polnischen Grenze. Zum Einkaufen oder Tanken ins EU-Ausland: Das gibt es auch an anderen deutschen Grenzen. Für Berliner ist es ein Ausflug in eine andere Welt. Die Bustour startet zwischen Autohaus und Plattenbau an der Allee der Kosmonauten, gefühlte Lichtjahre entfernt von Kanzleramt und der Weltstadt aus dem Easyjet-Bordmagazin. Marzahn: Da war 2017 die viel gelobte Internationale Gartenausstellung. Ganz los geworden ist das Viertel die Klischees aber nicht – Cindy aus Marzahn, Hochhäuser und Sozialamt. Der Bus wird vom Polenmarkt organisiert. Fast alle 70 Plätze sind an diesem Morgen besetzt. Viele unternehmungslustige Rentner sind unterwegs, auch Menschen, die aufs Geld gucken müssen. „Ich kaufe nur Zigaretten, dann fahre ich zurück“, sagt eine Frau. Die Stange koste sie 29 statt 70 Euro. Das lohnt sich, wenn man Zeit hat. Der Bus fährt an Windrädern, Wiesen und Dörfern vorbei. Nach etwas über einer Stunde biegt er schließlich auf den Parkplatz des Polenmarkts. Direkt daneben: Tankstellen und ein Campingplatz für Wohnmobile. An den Ständen rund um eine alte Papierfabrik gibt es Zigaretten, Bier, Unterhosen, Gardinen, Radkappen, Brautkleider, Kinderwagen, Gartenzwerge, Schlagermusik, Schlagringe, Unkrautmittel, Hundekörbe und Blumen. Man kann in Euro bezahlen, obwohl die polnische Währung der Zloty ist. Im Restaurant steht Soljanka-Suppe auf der Karte, der Cappuccino wird mit Sprühsahne serviert. Die Verkäufer rufen „Tabak, die Dame?“ oder „Zigaretten vielleicht, hallo?“ Wer die Berlin-Brandenburger Schnauze sucht, hier auf dem Markt ist sie unterwegs. „So ’ne Klimperscheiße“, sagt eine Frau, die an einem Stand mit Deko und Windspielen für den Balkon vorbeigeht. Postzustellerin Jacqueline Schwerdtfeger sucht sich gerade mit Freundin Anne Fröhlich glitzernde Ringe aus. „Du kaufst keine Handtasche!“, mahnt sie lachend, als die Begleitung zum Stand mit den nachgemachten Designerteilen guckt. Anne Fröhlich ist öfter auf dem Markt unterwegs: „Es lohnt sich.“ Ein Rentner-Ehepaar hat sich für 60 Euro mit Petunien, Elfenspiegel und Verbenen für den Balkon eingedeckt. Für die Blumen würden sie in Deutschland das Doppelte bezahlen, erzählen sie. Etwa vier Stangen Zigaretten pro Person sind bei der Einreise nach Deutschland erlaubt. Beim Zoll heißt es: „Es wird kontrolliert, klar.“ Auf dem Markt geht es aber nicht nur um billiges Benzin und Zigaretten. Es ist auch ein bisschen Abwechslung, wie Kino. „Man kann über Leute lästern“, sagt Monika König, eine von den unternehmungslustigen Rentnerinnen aus dem Osten Berlins. So wie über den Mann, der nur mit Badehose und Latschen vom Campingplatz zum Markt schlurfte, wie Königs Freundin Gerlinde Möller erzählt. Als Monika König und Gerlinde Möller wieder in den Bus nach Berlin steigen, haben sie Tomatenpflanzen und neue Gardinen in ihren Tüten. Zur Kaffeezeit sind sie zurück in Marzahn. Als sie aussteigen, stehen schon die nächsten in der Schlange, um mal kurz nach Polen zu fahren.

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