Gesellschaft Manche Männer halten sich für etwas Besseres als Frauen“

Eine Frau als Chefin? Auch das ist für Anhänger der Manosphäre undenkbar.
Eine Frau als Chefin? Auch das ist für Anhänger der Manosphäre undenkbar.

Sie fühlen sich vielfach gegenüber dem weiblichen Geschlecht benachteiligt und ihr absolutes Feindbild sind Feministinnen. Doch gleichzeitig fühlen sich manche Männer Frauen überlegen. Solche Ideen, die online zigfach geteilt werden, entladen sich in der Realität mitunter in Gewalt.

„Tradwives“ trenden: Influencerinnen in sozialen Medien, die sich als eifrige Hausfrauen ausgeben und eine eigene Berufstätigkeit ablehnen, erzielen dort große Aufmerksamkeit und ernten auch Zustimmung. Sie nennen sich „Tradwives“, abgeleitet von „Traditional Wives“ („Traditionelle Frauen“). Doch auch bei den Männern tut sich was: Eine Gruppe in den sozialen Medien hält Männer allgemein für zu weich und wünscht sich eine neue Männlichkeit.

Die Soziologin Angela Frick beschreibt die 2009 erstmals so bezeichnete „Manosphäre“ (was man übersetzen kann als Sphäre der Männer) als loses digitales Netzwerk von Akteurinnen und Akteuren, die davon ausgehen, dass Männer natürlicherweise mehr Rechte als Frauen haben und dass sie über Frauen bestimmen sollten. Wo Gleichstellung zwischen den Geschlechtern angestrebt wird, kommt es demzufolge zum Konflikt. Dieses Netzwerk erreiche mittlerweile viele junge Männer, betont Frick.

Welt als Fiktion

Die Vertreter der Manosphäre haben ihr Weltbild aus dem Gefühl heraus konstruiert, dass Wirklichkeit und Soll-Zustand nicht zusammen passten. Dabei lehnen sie sich an den Film „Matrix“ (1999) an: Danach lebt die Menschheit in einer Welt der Fiktion. Dieser Handlungsstrang wird nun abgewandelt. In der Manosphäre, so das Argument, führe das Schlucken einer „roten Pille“ zur Erkenntnis, dass männerhassende Frauen an der Macht sind, die Männer generell benachteiligten.

Verzerrte Wirklichkeit

Frick sagt, für frustrierte junge Männer halte dieses Denken einen leichten Weg bereit: „Man muss wenig Verantwortung übernehmen. Schuld sind immer die anderen“. Vor allem seien die Frauen schuld, die keinen Sex mit einem haben wollten, oder solche, die in einem Job sind, den man selber gern hätte. Wer dieser Überzeugung anhänge, nehme die Wirklichkeit völlig verzerrt wahr. So wie es auch bei anderen Verschwörungsmythen der Fall ist.

Die Manosphäre unterscheidet Alpha-, Beta- und Omega-Männer. Demnach sind Alpha-Männer attraktiv, begehrt und haben Erfolg im Job. Als Betas werden Durchschnittsmänner bezeichnet, die sich von Frauen nicht genügend wahrgenommen fühlen. Omega-Männer stehen in dieser Logik ganz unten in der Hierarchie: Diese jungen Männer haben unfreiwillig keinen Sex – und werden deshalb in der einschlägigen Online-Community auch „Incels“ genannt (eine Verschmelzung der englischen Begriffe „involuntary“ und „celibate“, also unfreiwillige Enthaltsamkeit).

Manipulative Lebensberater

Wer das alles für harmlose Spinnerei hält, irrt: In „Incel“-Foren werden Vergewaltigungen und alle Formen der Gewalt gegen Frauen legitimiert. Josephine Ballon, Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation HateAid, betont, Incels seien der Meinung, dass Frauen kein Entscheidungsrecht darüber haben sollten, mit wem sie sich sexuell einlassen und mit wem nicht. Schließlich sei es einziger Daseinszweck von Frauen, sich zu vermehren. HateAid setzt sich für Menschenrechte im digitalen Raum ein sowie gegen digitale Gewalt und deren Folgen.

Als weitere Protagonisten gibt es in der Manosphäre sogenannte Pick-up Artists: Diese sind eine Art Lebensberater für Incels, die Anleitungen geben, wie man Frauen auf manipulative Art in absolute Abhängigkeit bringt, um sie gefügig zu machen. Pick-up Artists vermitteln dieses fragwürdige Wissen oftmals in kostspieligen Online- oder Offline-Kursen.

Gewalt als Mittel, um die Vorstellung von männlicher Überlegenheit Realität werden zu lassen, äußert sich auch in Gewalt gegen Frauen. In Ausnahmefällen mündet sie sogar in Attentaten. So hat beispielsweise der Attentäter von Halle 2019 bei seinem Anschlag auf Juden den Begriff „Red Pill“ erwähnt sowie weitere aus der Manosphäre bekannte Begriffe. Auch der norwegische Attentäter Anders Breivik, der 2011 als Massenmörder Anschläge in Oslo und auf der Insel Utøya beging, hat in seinem Buch ein Kapitel über die vermeintliche Rolle von Frauen geschrieben.

Gemeinsames Frauenbild

Frauenhass ist laut Josephine Ballon etwas, worauf sich viele Gruppen einigen können: Die Manosphäre, Rechtsextremismus und Islamismus hätten letztlich ein gemeinsames Frauenbild. Dieses sei attraktiv auch für Menschen, die eher dem sehr konservativen Spektrum angehören – wenn diese der Meinung seien, dass Frauen nicht selbst über ihr Leben oder ihren Körper bestimmen sollten.

Weil diese verschiedenen Gruppen den Antifeminismus als gemeinsames Thema hätten, vermischten sie sich im Internet, so Ballon. Die Expertin für digitale Gewalt erklärt: „Diese Gemeinsamkeit wird von Extremisten dafür genutzt, ihre eigenen Positionen anschlussfähig zu machen – bis hin zur Mitte der Gesellschaft.“

Nicht naiv sein

Ballon zufolge ist es für Eltern sehr schwer, Kinder und Jugendliche vor Mitteilungen aus der Manosphäre zu schützen. So habe sich die Mutter eines jungen, sportinteressierten Mannes bei HateAid gemeldet, der bei TikTok Beiträge zum Thema Muskelaufbau und Proteinpulver gesucht habe. Doch plötzlich habe er Videos angezeigt bekommen, in denen es darum gehe, wie man „männlicher“ werde und wie man Frauen rumkriege. Deswegen sei es für Eltern wichtig, darüber zu sprechen, was ihre Kinder in den sozialen Medien sehen. Man solle nicht naiv annehmen, das werde schon alles in Ordnung sein.

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