Panorama Selbst ist der Mann

Unerlässlich für jeden guten Heimwerker und alle, die es werden wollen: ein aufgeräumter Werkzeugschrank.
Unerlässlich für jeden guten Heimwerker und alle, die es werden wollen: ein aufgeräumter Werkzeugschrank.

«Hannover.» Sie schrauben, sie sägen und sie bohren: Millionen Hobby-Bastler in Deutschland verbringen ihre Freizeit an der eigenen Werkbank und im Baumarkt. Jonathan Voges beschreibt in seinem Buch „Selbst ist der Mann“ die Kulturgeschichte des bis heute anhaltenden Trends zum Selbermachen.

Die Deutschen sind ein Volk von Heimwerkern. Sie „treibt ein unbänd’ges Verlangen, gierig mit glühenden Wangen zu Kneif-, Flach- und zu Rohrzangen“, dichtet Reinhard Mey in seinem Lied „Männer im Baumarkt“. Jonathan Voges ist zwar ein Mann, aber kein passionierter Bastler. Um die Leidenschaft anderer Hobbyschrauber zu verstehen, hat der Historiker aus Hannover die Kulturgeschichte des Heimwerkens in der Bundesrepublik erforscht. Seine Dissertation „Selbst ist der Mann“ ist kürzlich erschienen. Voges beschreibt darin, wie Journalisten in den 50er Jahren den aus den USA herüberschwappenden Do-it-yourself-Trend zunächst gar nicht begreifen können. „Für sie war es unvorstellbar, selbst zu renovieren, weil es doch ausgebildete Fachkräfte gibt“, sagt der 31-Jährige. Doch bald schon wurde klar: Wer etwas selbst macht, spart Geld, behält die Kontrolle, und dazu macht es auch noch Spaß. 1957 erschien erstmals das Magazin „Selbst ist der Mann“. Nach Einführung der Fünf-Tage-Woche ab den 60er Jahren wurde der Samstag besonders von Familienvätern zur Verschönerung des Eigenheims genutzt. „Der Begriff Hausarbeit war dabei verpönt, das war den Frauen vorbehalten“, sagt der Historiker, der für seine Arbeit Publikums- und Branchen-Zeitschriften auswertete sowie in den Archiven der Unternehmen Hornbach in Landau und Henkel in Düsseldorf recherchierte. In den Magazinen gab es Bastelanleitungen, etwa in den 60ern die „d-c-fix-Folie“ aus Plastik, mit der ollen Schlafzimmermöbeln ein Teakholz-Anschein gegeben werden konnte. In den 80ern ging es viel um den Partykeller mit wuchtiger Bar und Wagendeichsel als Lampe. Zwar stellen sich viele den Heimwerker als spießiges Familienoberhaupt vor, jedoch war das Selbermachen auch im alternativen Milieu weit verbreitet, beispielsweise bei Leuten, die Häuser besetzten und instand setzten. „Es ging auch um eine Widerständigkeit gegen die Industrie- und Konsumgesellschaft“, erläutert der Wissenschaftler von der Universität Hannover. Die Untersuchung des Experten endet Mitte der 80er Jahre. Doch der Heimwerker-Trend ist bis heute ungebrochen. Das Internet hat die Selbermacher vernetzt, auf diversen Portalen verkaufen sie ihre Produkte. In Großstädten gibt es offene Werkstätten mit Schreinerbänken und anderem Werkzeug für diejenigen, die keine eigene Garage und keinen Hobby-Keller daheim haben. „Do-it-yourself, also etwas mit den eigenen Händen schaffen, ist insbesondere bei Besserverdienern, Höhergebildeten, Großstädtern und Personen im mittleren Alter beliebt“, sagt Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg. „Etwa jeder Dritte gibt an, mindestens einmal im Monat etwas selbst zu machen beziehungsweise zu heimwerken.“ Die Baumarkt-Branche wächst seit den 50er Jahren kontinuierlich. Der Vorsitzende des Handelsverbands Heimwerken, Bauen und Garten, Peter Wüst, schätzt den Jahresumsatz 2016 im gesamten Do-it-yourself-Bereich auf 48 Milliarden Euro. Ein großes Thema ist nach seinen Angaben derzeit, Garten, Terrasse und Balkon möglichst individuell selbst zu gestalten. „Das Heimwerken hat mit Renovieren oft nichts mehr zu tun, sondern geht ins Künstlerische.“

x