Erster Fall im Südwesten Mit SPD- oder CDU-Stimmen: AfD stellt im Saarland Vize-Bürgermeister

Werner Schwaben (AfD), 62 Jahre alt und Dachdecker von Beruf, ist nun erster Beigeordneter von Saarbrücken West.
Werner Schwaben (AfD), 62 Jahre alt und Dachdecker von Beruf, ist nun erster Beigeordneter von Saarbrücken West.

Der Bezirksrat von Saarbrücken West hat den Rechtspopulisten Werner Schwaben mit klarer Mehrheit zum ersten Beigeordneten gewählt – mit mehreren Stimmen aus der SPD- oder der CDU-Fraktion. Im Nachhinein will’s keiner gewesen sein. Die Ministerpräsidentin und ihr Vorgänger sind bestürzt.

Die saarländische SPD hat eine Brandmauer zur AfD errichtet. Die saarländische CDU auch. Beide Parteien haben für sich festgelegt, keine Mehrheiten mit der AfD zu bilden. Egal wo: vom kleinsten Ortsbeirat bis hinauf zum Landtag.

Folglich hätte gar nicht passieren dürfen, was sich vergangene Woche im Bürgerhaus Saarbrücken-Burbach ereignete: Da wählte der neugebildete Bezirksrat West den Dachdecker und AfD-Politiker Werner Schwaben (62) zum ersten Beigeordneten des Stadtbezirks, der mit 33.000 immerhin so viele Einwohner wie ganz Zweibrücken zählt.

Schwaben (AfD) zehn Stimmen, Arnold (CDU) sieben

In geheimer Wahl entfielen auf Schwaben zehn Stimmen, auf seinen Gegenkandidaten von der CDU, Volker Arnold, sieben. Vier Stimmzettel waren ungültig. Im Bezirksrat sind die Sitze so verteilt: SPD 8. CDU 6, AfD 5, Linke 1, Grüne 1. Da die AfD über nur fünf Sitze verfügt, müssen vier oder fünf Sozial- oder Christdemokraten für den AfD-Mann gestimmt haben – und damit die Brandmauer zur AfD eingerissen haben.

Einige lügen

Nur wer war’s? Die Roten oder die Schwarzen? Das wird nie herauskommen, denn die Wahl war geheim. Die sechs CDU-Vertreter im Bezirksrat haben jetzt eidesstattliche Erklärungen abgegeben. Die acht Sozialdemokraten wollen das jetzt auch machen. Inhalt: Wir waren’s nicht. Aber klar ist: Einige lügen.

Die CDU verdächtigt die SPD, was die Genossen scharf zurückweisen. Die CDU argumentiert, die SPD habe sich eben verzockt. Sie verkrafte den Verlust der absoluten Mehrheit nicht und reagiere protzig. Bis zur Kommunalwahl im Juni stellte die SPD mit Isolde Ries (68) die Bürgermeisterin des Bezirks sowie den ersten Beigeordneten und regierte im Rat mit absoluter Mehrheit.

Gespräche zwischen SPD und CDU im Vorfeld scheitern

Nach der Kommunalwahl und vor der ersten Sitzung des Bezirksrats suchte Hans-Jürgen Altes (64, CDU) nach eigenen Angaben das Gespräch mit Ries. Er bot ihr demnach an, dass die CDU sie wieder zur Bürgermeisterin wähle, wenn die SPD für ihn als Beigeordneten stimme und seine Befugnisse ausweite. Das mit den Befugnissen habe Ries abgelehnt. Daraufhin habe er, Altes, vorgeschlagen, dass sich SPD und CDU die Bürgermeisteramtszeit teilen: erste Halbzeit sie, zweite Halbzeit er. Auch das habe Ries abgelehnt. In weiteren Gesprächen bot die CDU laut Altes der SPD an, jedes andere Bezirksratsmitglied der SPD zum Bürgermeister zu wählen, nur nicht Ries, wenn die SPD im Gegenzug für Altes als Beigeordneter stimmt. Auch das habe die SPD abgelehnt. Die SPD bestätigt das Scheitern der Gespräche.

Schwaben: Nur vier von uns haben Altes gewählt

So kam es zur ersten Sitzung des neuen Rats. Die SPD schlug Isolde Ries als Bürgermeisterin vor. Sie erhielt zehn von 21 Stimmen, eine zu wenig. Dann schlug die CDU Altes vor. Der setzte sich mit elf zu zehn Stimmen gegen Ries durch. Die SPD war und ist darüber empört, dass sich Altes mit den Stimmen der AfD zum Bürgermeister wählen ließ. Die Rechnung der SPD: Sechs Stimmen von der CDU für Altes plus fünf von der AfD. Dieser Rechnung widerspricht Werner Schwaben von der AfD. Schwaben zur RHEINPFALZ: „Vier von uns haben für Altes gestimmt, aber einer nicht, das habe ich mitbekommen, der hat Ries gewählt.“ Schwaben weiter: „Also muss auch einer von der SPD für Altes gestimmt haben.“

Altes hat „ein mulmiges Gefühl“

Der neue Bürgermeister fühlt sich nicht ganz wohl in seiner Haut. Einerseits sagt Altes zur RHEINPFALZ: „Bei einer geheimen Wahl ist alles möglich.“ Damit deutet er an, dass er es nicht für bewiesen hält, dass er mit Hilfe der AfD ins Amt kam. Andererseits lässt er durchblicken, dass es vermutlich schon so ist. Deshalb verspüre er „ein mulmiges Gefühl“.

Nach der Wahl des Bürgermeisters stand die Wahl des ersten Beigeordneten an. Schwaben gewann. „Ich war völlig überrascht“, sagt der 62 Jahre alte Dachdecker und AfD-Mann, „nie im Leben hätte ich damit gerechnet, gewählt zu werden.“ Und Schwaben glaubt auch zu wissen, wem er seinen Sieg zu verdanken hat: „Der SPD. Die waren wütend, dass sich Altes gegen Ries durchgesetzt hatte, die haben gekocht. Dann haben die mich gewählt, um der CDU eins reinzuwürgen.“

Wählte die SPD Schwaben oder stimmte die CDU gegen ihren eigenen Mann?

Ganz anders sieht das André Jordt, der für die Linken im Bezirksrat West sitzt. Er hatte seit der Kommunalwahl den Eindruck, dass es der CDU darum ging, Ries abzusägen, egal wie. Dafür habe Altes in Kauf genommen, sich von der AfD zum Bürgermeister wählen zu lassen. Bei der Wahl des Beigeordneten „sieht es für mich so aus, dass fünf von der CDU aus Dankbarkeit Schwaben gewählt haben“, so Jordt, der sich selbst und damit ungültig gewählt haben will. Nach dieser Version müssten bei der Beigeordneten-Wahl mindestens fünf der acht Sozialdemokraten für den CDU-Mann Arnold gestimmt haben. „Das ist doch absurd!“, sagt Schwaben zu dieser Version, „Sie glauben doch nicht, dass die CDU fast komplett gegen ihren eigenen Mann stimmt!“

Spitzenpolitiker fordern Abwahl des AfD-Politikers

Ein Bezirksbürgermeister hat nicht viel Macht und ein Bezirksrat nicht viel zu entscheiden. Gleichwohl: Die SPD-Landesvorsitzende und Ministerpräsidentin Anke Rehlinger ist entsetzt und fordert den Rücktritt von Altes und die Abwahl Schwabens. In die gleiche Kerbe schlägt ihr Vorgänger in der Staatskanzlei, Tobias Hans (CDU). Doch der ist nicht mehr Parteichef. Sein Nachfolger in diesem Amt, Stephan Toscani, hat sich bisher öffentlich eher zurückhaltend geäußert. In den nächsten Tagen führe die CDU interne Gespräche. Altes: „Wenn Toscani mir dabei einen Rat gibt, dann werde ich dem folgen.“ Er beharre nicht auf seinem Amt.

Werner Schwaben schon. „Ich bin gewählt. Das ist Demokratie. Von der Aussicht auf eine Abwahl bin ich nicht begeistert. Das würden sich die Bürger von Saarbrücken West auch nicht gefallen lassen.“

Hans-Jürgen Altes (CDU) ist nach Angaben der AfD mit ihrer Unterstützung zum Bürgermeister gewählt worden.
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Die bisherige Bezirksbürgermeisterin Isolde Ries (SPD) erhielt keine Mehrheit im Rat.
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