Landau Wahl-Pfälzer empfing vor 40 Jahren erste E-Mail in Deutschland
So sieht also ein Pionier aus: Hemd, Hornbrille, Schnurrbart. Michael Rotert empfängt an diesem Julimorgen in seiner Landauer Wohnung, am Handgelenk eine Smartwatch, in der Hand ein Smartphone. Ein Digital Native, wie es Neudeutsch heißt, also einer, der in die digitale Welt hineingeboren wurde. Mitnichten. Rotert ist 74 Jahre alt, doch ein Technikkenner ist er durch und durch. Und eben auch ein Technikvorreiter. Denn Rotert erhielt die erste E-Mail in Deutschland am 3. August 1984, vor genau 40 Jahren. Aber wie kam es dazu?
Rotert war damals im Rechenzentrum der Informatiker an der Universität Karlsruhe tätig, dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie. „Die E-Mail war damals eine reine Wissenschaftsgeschichte“, sagt er. Ziel war es zu dieser Zeit, das deutsche Forschungsnetz an das amerikanische CSNET anzuschließen. Dieser Vorläufer des Internets war 1981 in den USA in Betrieb gegangen und sollte Unis einen freien Zugriff auf ein Kommunikationsnetzwerk zum Austausch geben. „Deshalb habe ich Forschungskollegen eine Nachricht geschrieben, damit wir in den Prozess aufgenommen werden“, sagt Rotert.
Erste Mail ohne Schnickschnack
Am 2. August 1984 formulierte Laura Breeden vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston dann ihre E-Mail an Rotert. Ohne Schnickschnack, nicht mal mit einem Hallo, stattdessen sehr sachlich war ihre Nachricht, die erste E-Mail, die Deutschland jemals erreichte. Das höchste der Gefühle: „Wir freuen uns, dich dabei zu haben.“
Heute ist die Mail allen Messenger-Diensten und sozialen Netzwerken zum Trotz vor allem im beruflichen Kontext das mit Abstand meist genutzte Kommunikationsmittel, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den Verband der Internetwirtschaft ergab. Etwa zwei Drittel der Befragten gaben an, E-Mails regelmäßig im beruflichen Umfeld zu nutzen. Beim privaten Gebrauch liegt der Anteil bei gut drei Vierteln, knapp hinter Messenger-Angeboten wie WhatsApp.
Viele Spam-Mails kommen aus Russland
Die Anzahl der täglich verschickten und empfangenen E-Mails weltweit liegt bei mehr als 360 Milliarden, Tendenz steigend. Den Durchbruch bei der privaten Nutzung erfuhr die E-Mail durch den Trend zum Heimcomputer ab den 1980er-Jahren und durch kostenlose E-Mail-Angebote in den 1990er-Jahren.
Dass die E-Mail die Welt derart verändern würde, hat Rotert nicht geahnt. Er schätze die Form der Kommunikation nach wie vor. „Ich schreibe lieber Mails, als zu telefonieren.“ Gerade für formelle Kommunikation und zur Dokumentation sei die E-Mail die erste Wahl, sagt Rotert. Das unterscheide sie von Messengerdiensten. „Über die E-Mail werden Rechnungen von Firmen verschickt, Mitteilungen von Behörden, Newsletter von Medienhäusern. Sie ist einfach das seriösere Kommunikationsmittel. Ein Vorteil ist auch, dass man noch mal darüber nachdenken kann, wenn man etwas geschrieben hat“, sagt Rotert. Von der Form her habe sich die E-Mail in den vergangenen 40 Jahren auch nicht verändert. Nur seien inzwischen rund 50 Prozent aller weltweit verschickten Mails Spam, sagt Rotert, also Nachrichten, die ungewollt zugesandt werden. Gut ein Drittel davon werde in Russland produziert. „Warum das so ist, ist nicht klar. Aber es hat natürlich auch mit Spionage zu tun.“
„Ich habe mich nicht vorgedrängelt“
Rotert ist zwar ein Technikbegeisterter, aber manchmal mag er es doch ganz klassisch. „Zu Weihnachten freue ich mich über Postkarten. Ich schreibe auch Karten zu Weihnachten, natürlich mit Füller“, sagt der Wahl-Südpfälzer, verheiratet, drei Kinder, sieben Enkel, der in Baden aufgewachsen ist.
Und seit Laura Breeden ihre Mail vor 40 Jahren namentlich an „Michael“ adressierte, gilt Rotert als Internetpionier und ist auch heute noch ein gefragter Ansprechpartner. Dabei gibt er sich recht unbeeindruckt: „Einer musste es ja machen. Ich habe mich nicht vorgedrängelt.“