Pfalz Warum es nicht einfach ist, in der S-Bahn im Hier und Jetzt zu bleiben

Ohmmmm – manchmal kann man in der S-Bahn gut üben, wie Gassenhauer-Weisheiten wirken.
Ohmmmm – manchmal kann man in der S-Bahn gut üben, wie Gassenhauer-Weisheiten wirken.

Wer Ratgeber liest, kennt den Spruch: „Lebe im Hier und Jetzt“. Ist schwierig. Aber frau ist lernwillig und probiert die Gassenhauer-Weisheit der Lebensberatungsindustrie gern aus. Zum Beispiel in der Bahn zwischen Neustadt und Ludwigshafen-Mitte. Wie immer in den Wochen vor den Schulferien ist die S-Bahn überfüllt, weil auch die Lehrerinnen und Lehrer der Realschulen plus und Gymnasien in der Pfalz im Hier und Jetzt leben und mit ihren Achtklässlern wahlweise Heidelberg, den Kletterwald in Speyer oder den Holiday Park in Haßloch besuchen. Ganz grundsätzlich: Respekt vor diesen Pädagogen. Sie geben den Kindern in den lernfreien letzten Schulwochen wenigstens noch ein paar gute Erinnerungen mit.

Im Hier und Jetzt überlegt man derweil, warum die S-Bahn eigentlich ohne Gepäckregale auskommt – es soll ja Menschen geben, die einen Koffer mitnehmen, wenn sie verreisen. Ihr Pech. Denn entweder passen die Koffer nicht auf die Mini-Brettchen von Gepäckablage. Oder sie sind zu schwer, um mit Anstand hochgewuchtet werden zu können. Im Normalfall blockieren die Gepäckstücke dann wertvolle Sitzplätze. Und wenn eine Schulklasse aus Kaiserslautern zu einer mehrtägigen Klassenfahrt nach Hamburg aufbricht, kann man sich vorstellen, wie viele Sitzplätze überhaupt noch übrig sind in einer auch so schon vollgestopften S-Bahn. Gleiches gilt – und sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt –, natürlich auch für Stehplätze. Aber frau will sich in Achtsamkeit üben und die Situation nur beobachten und nicht bewerten, weswegen sie sich verbietet, weiter über dieses Beispiel für Lebensferne nachzudenken.

Mannheim oder Ludwigshafen?

Deswegen zurück ins Hier und Jetzt, zum gegenwärtigen Moment, in dem sie alsbald Zeugin besonderer geografischer Kenntnisse wird: Ein Schüler, der schon mehr von der Welt gesehen haben muss als das Großdorf Haßloch, erzählt den Klassenkameraden bei einem Halt sehr überzeugend: „Das ist Mannheim. Nur nicht Hauptbahnhof.“ Er liegt leider eine Rhein-Breite daneben, seine Klassenkameradin greift ein und rettet damit auch die Ehre ihrer Generation: „Neeeiiiin, das ist Ludwigshafen-Mitte.“

Und schließlich ist bei der Konzentration auf das Hier und Jetzt in einer vollen S-Bahn auch ein Lehrstück für gelebte Fürsorgepflicht zu belauschen. „Warum hast Du kein Essen und kein Trinken mit, wenn wir auf Wandertag gehen?“, fragt eine der Begleit-Lehrerinnen eine Schülerin. Die Antwort des Teenagers ist nicht zu hören, aber man muss keine Hellseherin sein, um zu erkennen, dass sie die Pädagogin nicht überzeugt hat. Denn die kontert: „Ja, aber zum Schminken hattest du doch auch Zeit.“ Das Mädchen hat offenbar Prioritäten gesetzt, lebt im Hier und Jetzt – ohne einen Gedanken an Pausenbrot und Trinkflasche für den Kletterwald zu verschwenden. Gutes Kind! Wenn jetzt auch noch der Umstieg in Schifferstadt klappt, ist der Tag gerettet!

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