Ausflug Besuch im Schutzengel-Museum in Bretten im Landkreis Karlsruhe
Diesem Haus dürfte eigentlich nichts Schlimmes zustoßen. Jede Menge geflügelte Wesen sind im Deutschen Schutzengelmuseum anwesend und sollten dafür sorgen, dass Unheil abgewendet wird. Die Schutzengel-Ausstellung, die auch die Bereiche Film, Literatur und Musik streift, geht auf die Privatsammlung eines aufgelösten Museums in Bad Wimpfen zurück, wurde am Schutzengeltag 2007 (2. Oktober) eröffnet und 2021 komplett neu konzipiert.
„In der Geburtsstadt des Reformators Philipp Melanchthon möchten wir mit diesem Museum zur Ökumene und dem interreligiösen Dialog beitragen“, führt Linda Obhof aus. Die Archäologin ist Leiterin des Brettener Stadtmuseums, zu dem auch die Schutzengelabteilung gehört. „Unser Haus soll als Zeichen für Toleranz und ein rücksichtsvolles Miteinander wahrgenommen werden“, ergänzt sie.
Frommer Glaube
Das Museum liegt in der Altstadt in einem stattlichen Fachwerkbau aus den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts, dem Schweizer Hof. Zu den Schutzengeln geht es, wie nicht anders zu erwarten, nach oben. „Der klassische Schutzengel ist weder Frau noch Mann, eher jung und in der Regel in wallende Gewänder gehüllt. Überdurchschnittlich oft ist er blond“, fasst Linda Obhof zusammen. Und ganz schön lange gibt es sie auch, die Engel.
Schon aus vorchristlicher Zeit, aus Assyrien und Persien, sind Darstellungen überliefert, ebenso sind sie auf Fresken römischer Zeit. „In der Christenheit war der Glaube an den Schutzengel vorrangig in der Volksfrömmigkeit angesiedelt“, informiert die Museumsleiterin. „Vor allem das 19. Jahrhundert liefert dafür viele anschauliche Beispiele wie die Schutzengelbilder, die über dem Kopfende des Bettes hingen.“ Im 15. und 16. Jahrhundert, einer Epoche der Umbrüche, wurden die Himmelsboten besonders intensiv verehrt. Auch Vertreter der Reformation wie der Brettener Melanchthon unterstrichen die Wichtigkeit der Schutzengel. In der Kunstgeschichte waren die Engel da schon längst angekommen. Wer kennt nicht die kleinen, nachdenklichen Engel Raffaels?
Diverse Aufgaben
Ein weiterer Höhepunkt des Schutzengelkults erstreckte sich vom 19. bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Da die Räume des Museums jeweils einem Thema gewidmet sind, wird auch auf jene Boomzeit besonderes Augenmerk gelegt. Die Möglichkeit zur Vervielfältigung unterstützte den damaligen Aufschwung. Die Gäste des Brettener Museums finden Schutzengel in diversen Aufgabengebieten im Einsatz. Der eine begleitet ein Neugeborenes zu seinen Eltern, der andere ein gestorbenes Kind in den Himmel. Die beliebtesten Motive zeigen die Himmelsbotschafter, wie sie Kinder behüten, die auf einem maroden Steg einen Sturzbach überqueren oder vor einer gefährlichen Felsklippe spielen.
Die geflügelten Begleiter waren seinerzeit vor allem in Form von Bilddarstellungen anzutreffen – sowohl in katholischen wie protestantischen Haushalten. Aber auch in anderer Gestalt tauchten sie auf. Im Schutzengel-Museum, dessen Sammlungsschwerpunkt in die Zeitspanne der vorletzten Jahrhundertwende fällt, sind rund 300 Exponate aus sechs Jahrhunderten zu sehen.
Man begegnet Himmelsboten auf Ölgemälden, Holzschnitten und Ikonen, auf Postkarten, Plakaten, Fotos und in Büchern. Man trifft sie als Statuen aus Holz und Ton oder als Motiv auf Kerzen, Medaillen und Textilien. Engel zieren Eierschalen und Modeln, waren Teil einer Theaterkulisse, und farbig gefasst wachten sie an Gräbern. Während des 1. Weltkrieges mussten sie zudem auf die Soldaten achtgeben.
So zeigt eine Porzellanplastik einen spähenden Krieger mit dahinterstehendem Schutzengel. Später gab es dann auch einen „Schutzengel“ am Zeitungskiosk. Dieses Jugendmagazin veröffentlichte 1941 eine Fotografie, auf der Adolf Hitler in der Rolle des Schutzgebenden zu sehen ist.
Exotische Schutzobjekte
Dass auch in anderen Weltgegenden und in anderen Religionen Schutzwesen und -objekte für das Seelenheil zuständig sind, offenbart ein weiterer Themenraum. Ein ostasiatischer Hausschrein, ein tibetisch-buddhistisches Rollbild oder eine Talisman-Kette der kanadischen Inuit – alles aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – sind Beispiele für Objekte, die in anderen Kulturen die Rolle des Schutzengels übernehmen. Das gilt auch für den so genannten Traumfänger, ein mit Perlen und Federn versehenes Rund aus Bast und Schnüren. Er soll im Glaubensverständnis der nordamerikanischen Indigenen dafür sorgen, dass schlechte Träume aufgefangen werden.
Hilfe und Beistand sind eben weltweit vonnöten – gerade in unserer von Krisen und Kriegen geplagten Welt. Darum meint Linda Obhof auch, dass die Schutzwesen nach wie vor Konjunktur hätten. „Bewährte Traditionen offerierten Sicherheit“, ist die Museumschefin überzeugt. Außerdem seien die Engel noch immer Bestandteil unserer Kultur. „Und ein popkulturelles Phänomen sind sie ja auch schon lange. Die Schutzengel gehen halt immer mit der Zeit.“
Die Frage, ob ihre Darstellungen nun Kunst oder Kitsch sind, müssen die Besucher und Besucherinnen selbst beantworten. Wer sich beim Rundgang mit dem Schutzengel-Thema vertraut gemacht hat, wird vielleicht auch mit eigenen Wünschen konfrontiert. Er darf sie dem Schutzengel anvertrauen. Frieden steht ganz oben auf der Liste der Nennungen. Und zuguterletzt kann man sich fotografieren (lassen) – mit Engelsflügeln. So sind wir eben alle Schutzengel für irgendjemanden in unserer Nähe, auch wenn uns die höheren Weihen fehlen.
Deutsches Schutzengel-Museum: Engelsberg 9 in Bretten (Landkreis Karlsruhe); Sa/So und feiertags von 11 bis 17 Uhr; Eintritt frei; weitere Sehenswürdigkeiten, Veranstaltungen und touristische Infos: www.bretten.de/tourismus-kultur-freizeit