Odenwald Liebevoll gestaltete Landschaft: Auf gräflichen Spuren im Englischen Garten Eulbach
Viel Grün und Stille, verschlungene Pfade und gepflegte Wege unter uralten Baumriesen – großteils hat man den weitläufigen Englischen Garten zu Eulbach im Odenwald für sich allein, kann sich immer wieder auf Bänken niederlassen, die interessante Info-Broschüre zu seiner Geschichte in Ruhe studieren oder einfach die Seele baumeln lassen. Doch hier an einem der Teiche, wo sich Familien um einen Kiosk versammeln und Pommes futtern, während die Kleinen mit dort erhältlichem Spezialfutter Wasservögel füttern können, ist es trubeliger. Wir bekommen obendrein gefiederte Gesellschaft: eine stattliche Gans heftet sich an unsere Fersen, begleitet uns mit hoch erhobenem Haupt gewichtig watschelnd, bis wir einen Abzweig weg vom Gewässer wählen. Fast tut es uns leid, das zutrauliche Tier an der Weggabelung zurückzulassen. Es harrt kurz der Dinge, kehrt dann zum See zurück und sucht sich neue Menschen, von denen es Futter ergattert.
Wisente und Wildschweine
Überhaupt haben es uns die Tiere in dem rund 400 Hektar großen englischen Landschaftsgarten angetan. Wer sich hinter dem Eingang rechts hält, kommt zu Wildgehegen, die Hirsche und Wisente beherbergen. Die Parzellen sind der Rest eines ursprünglich rund 3000 Hektar großen gräflichen Wildparks, der weite Teile der heutigen Gemarkungen Weiten-Gesäß, Würzberg und Ernsbach umfasste. In den Jahren 1848 und 1912 wurde er erheblich verkleinert. Dennoch können sich nicht nur kleine Gäste an den Tierherden erfreuen, die sich von hölzernen Aussichtsplattformen beobachten lassen.
An anderer Stelle im Park findet sich ein Wildschweingehege. Der typische Maggi-Geruch verrät ihre Anwesenheit, noch bevor sie zu sehen sind. Die an Besucher gewöhnte Tiere strömen zum Zaun, als wir uns nähern. Nur vier Frischlinge nehmen keine Notiz von den Zweibeinern: Sie balgen sich am Bauch der geduldigen Mutter um einen Platz an der „Milchbar“.
Teichlandschaft mit Ruine
Uns hat der Weg vom Wisentgehege aus zunächst zu besagten Teichen geführt. Ein breiterer Schotterweg weicht verschlungenen Pfaden zum Wasser. Gleich fällt uns ein besonders romantisches Fotomotiv in den Blick: eine hübsche Holzkapelle in einem von üppigen Seerosen überwucherten Teich.
Etwas weiter entdecken wir Mauerreste, die einer Burgruine gleich von einem – wie wir erfahren – künstlichen Hügel aufragen. Die Eberhardsburg ist zwar eine Nachbildung, doch wurden echte mittelalterliche Spolien verbaut. Friedrich Ludwig Sckell ließ das Bauwerk als buchstäblich herausragendes optisches Element errichten.
Der berühmte Gartengestalter, der auch die wilde Landschaft des Karlstals bei Trippstadt mit Flanierwegen und einem Pavillon für die im nahen Schloss residierende Herrschaft herausgeputzt hat, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Eulbach für Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754–1823) am Werk. Der Adelige ließ 1802 das benachbarte Jagdhaus zum Landschloss ausbauen, das die Grafenfamilie heute noch bewohnt. Es bildete mit dem Park eine Einheit. Zu jener Zeit noch kein Hindernis, trennt die Bundesstraße 47 von Erbach nach Amorbach heute den Garten vom Schloss – und vom großen Parkplatz daneben. Eine Querungshilfe sorgt aber dafür, dass die Besucher sicher zum Kassenhäuschen auf der anderen Straßenseite gelangen.
Relikte römischer Zeit
Der Graf ließ auch Bauteile, die bei römischen Grabungen gehoben wurden, in den Park integrieren. Die im Park verteilten Stelen, Platten, Mauerreste und andere Artefakte der Römerzeit stammen vom Limes, der einst in der Nähe verlief. So ist der Obelisk im Zentrum, zu dem sternförmig alle Wege führen, ebenfalls eine Nachbildung. Die Steine stammen vom römischen Kastell Würzberg.
Die unweit gelegene Ausgrabungsstätte außerhalb des Gartens ist übrigens nach dem Parkbesuch durchaus einen Abstecher wert und von einem Wanderparkplatz aus auf einem Rundweg zu erreichen. Die Rekonstruktionen im Park entsprechen Experten zufolge nicht heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, spiegeln jedoch die für die Romantik typische Altertumsbegeisterung wider, die auch Graf Franz I. teilte. Die Bauwerke gelten daher selbst als wertvolles historisches Kulturzeugnis: Der Eulbacher Park steht unter Denkmalschutz.
Apropos Denkmal: Auch der Bauherr ist im Park verewigt. Eine Bronzestatue zeigt Graf Franz I. als stolzen Jäger, einen toten Hirsch zu Füßen.
Obelisk und Denkmal bilden das Herzstück des Parks, der hier weniger naturnah und mehr wie ein klassischer Schlosspark gestaltet ist. An dieser Stelle offenbart sich die architektonische Verbindung des Englischen Gartens mit dem Jagdschloss deutlich als prägende Sichtachse. Von hier geht es auf direktem Weg zum Ausgang beim Kassenhäuschen. Nach dem entspannten Flanieren auf den Spuren der Erbacher Grafen empfiehlt sich dann die Einkehr im einladenden Forsthaus Eulbach unterhalb des Parkplatzes. Wer sich aber nicht nur für die plakativen Sehenswürdigkeiten des Parks interessiert, der kann sich darin weiter verweilen und vielleicht noch manch schönes Naturschauspiel für sich entdecken.
Wegweiser
Englischer Garten in Kürze
Englischer Garten Eulbach, gelegen an der B47 von Erbach nach Amorbach, geöffnet täglich 10-17 Uhr, Eintritt: Erwachsene 6 Euro, Schüler/Schulklassen pro Person 4 Euro, Studenten/Schwerbehinderte 5 Euro, Kinder 4-6 Jahre 2 Euro; Familienkarte (2 Erwachsene und bis zu 3 Kinder) 15 Euro, Gruppen ab 15 Personen pro Person 5 Euro; weitere Auskünfte: Gräfliche Rentkammer Erbach, 06062 959212, info@rentkammer-erbach.de sowie Touristik-Information Erbach, 06062 64880 oder 64889, tourismus@erbach.de, www.erbach.de
Michelstadt und Erbach
Michelstadt mit seiner historischen Altstadt und allerhand architektonischer Kleinodien wie dem berühmten Rathaus, von unbekannten Baumeistern 1484 errichtet, punktet mit Charme und einem Ausnahme-Café: der Heimat von Konditor-Weltmeister Bernd Siefert. Infos: Gästeinformation, Marktplatz 1, 64720 Michelstadt, 06061 74610, touristik@michelstadt.de.
Auch Erbach mit dem Schloss im Stadtkern (Marktplatz 7) lädt zum Flanieren. Schloss Erbach beherbergt die Sammlungen des Grafen Franz I. zu Erbach-Erbach und das Deutsche Elfenbeinmuseum. Geöffnet täglich 10-17 Uhr. Infos: 06062 809360, schloss-erbach@schloesser-hessen.com
Übernachtungstipp
Landhotel „Zur Post“, Hauswiesenweg 14-16, 64732 Bad König, 06063 1510,
E-Mail: info@zurpost-momart.de, www.zurpost-momart.de
Das gemütliche Gasthaus in Bad König-Momart verbindet geschmackvoll Tradition mit Moderne. Die Küche richtet den Fokus auf regionale Produkte, blickt aber mit Sushi-Abenden und mediterranen Gerichten auch über den Tellerrand hinaus.